JudikaturJustiz15Os89/15z

15Os89/15z – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Yulian S***** und Cvetan Sh***** wegen des Verbrechens der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB über die den Angeklagten Sh***** betreffende Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 22. April 2015, GZ 24 Hv 38/15z 105, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie des Verteidigers Mag. Testor zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1./ des Angeklagten Sh***** (ersatzlos), demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur Strafneubemessung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuld- und Freisprüche des Angeklagten S***** enthaltenden Urteil, wurde Cvetan Sh***** rechtlich von der Anklage abweichend (vgl die Erörterung in der Hauptverhandlung ON 104 S 43) des Verbrechens (richtig: der Verbrechen) der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 Z 1 erster, dritter und vierter Fall und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Yulian S***** als Mittäter mit dem Vorsatz, dass nachgemachtes Geld im Nennwert von mehr als 50.000 Euro als echt und unverfälscht ausgegeben werde, im Großraum I*****

1./ zwischen 23. September und 23. Oktober 2014 zwei Stück gefälschte 500 Euro Banknoten mit einem Gesamtnominalwert von 1.000 Euro von Bulgarien nach Österreich eingeführt, nachdem sie es außer dem im § 232 Abs 2 StGB genannten Fall von einem anderen übernommen hatten, befördert und besessen und beide gemeinsam das Falschgeld am 23. Oktober 2014 im Lokal „B*****“ in I***** an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergeben;

2./ zwischen 27. Oktober und 10. November 2014 40 Stück gefälschte 500 Euro Banknoten mit einem Gesamtnominalwert von 20.000 Euro von Bulgarien nach Österreich eingeführt, außer dem im § 232 Abs 2 StGB genannten Fall von einem anderen übernommen, befördert und besessen, wobei Yulian S***** die Einfuhr des Falschgeldes von Bulgarien nach Österreich veranlasste, es in der Folge von einem gutgläubigen Busfahrer übernahm, beide das Falschgeld beförderten und besaßen und Cvetan Sh***** dieses am 10. November 2014 an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergab;

3./ zwischen 9. und 15. Jänner 2015 201 Stück gefälschte 500 Euro Banknoten mit einem Gesamtnominalwert von 100.500 Euro, wobei Yulian S***** das Falschgeld in Bulgarien außer dem im § 232 Abs 2 StGB genannten Fall von einem anderen übernahm, in der Folge nach Österreich einführte, sohin beförderte und besaß, dieses sodann an Cvetan Sh***** übergab, der, nachdem er das genannte Falschgeld somit ebenfalls besessen und befördert hatte, davon 200 Stück am 15. Jänner 2015 an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts übergab.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch 1./ wendet sich die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten Sh***** angemeldete (ON 108), jedoch zu seinem Vorteil ausgeführte (zur Zulässigkeit vgl Ratz , WK StPO § 284 Rz 2), auf Z 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Zutreffend rügt die Beschwerde, dass der Angeklagte Sh***** zu 1./ des Schuldspruchs (auch) zwischen 23. September 2014 und 23. Oktober 2014 in Bezug auf zwei Stück gefälschte 500 Euro Banknoten gesetzter Tathandlungen schuldig erkannt wurde, obwohl dieses Tatgeschehen mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 31. März 2015 (ON 77) ausschließlich dem Mitangeklagten S***** zur Last gelegt worden war (Anklagefaktum A./I./).

Tatsächlich wurde der in Rede stehende Vorwurf sowohl in der Anklageschrift (einschließlich ihrer Begründung) als auch in der Hauptverhandlung (vgl ON 104 S 48) förmlich lediglich gegen den Angeklagten S*****, nicht aber auch gegen den Angeklagten Sh***** erhoben, sodass sich der Schuldspruch 1./ wie vom Erstgericht auch in den Entscheidungsgründen eingeräumt (US 20 dritter Absatz) auf eine Tat (auf einen Lebenssachverhalt) bezieht, die von der Anklage nicht erfasst wurde.

Dadurch wurde die von Z 8 des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeit bewehrte Vorschrift des § 267 StPO verletzt, wonach ein Angeklagter nicht einer Tat schuldig erklärt werden darf, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde (§ 4 Abs 3 StPO).

Für das Verbrechen der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 und Abs 2 StGB gilt das Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB ( Schroll in WK² StGB § 233 Rz 20), doch bleiben die einzelnen Straftaten rechtlich selbständig (RIS Justiz RS0112520 [T4]), sodass jede dieser zu einer rechtlichen Subsumtionseinheit zusammengefassten gleichartigen Taten unter Anklage gestellt werden muss, um Gegenstand eines Schuldspruchs werden zu können.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1./ des Angeklagten Sh***** ersatzlos (vgl RIS Justiz RS0098360; Ratz , WK StPO § 281 Rz 529), und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufzuheben, und die Sache zur Strafneubemessung an das Erstgericht zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Mit Blick auf die vom Erstgericht vorgenommene Strafreduktion wegen unzulässiger Tatprovokation (§ 5 Abs 3 StPO, US 20 ff) bleibt festzuhalten:

Unzulässige Tatprovokation liegt vor, wenn eine Person durch staatliche Organwalter zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat verleitet wird. Von einer legitimen verdeckten Ermittlung (§ 131 StPO) unterscheidet sie sich nach der Rechtsprechung des EGMR dadurch, dass die beteiligten Beamten sich nicht auf eine im Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten beschränken, sondern einen solchen Einfluss auf die Person ausüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird, die ansonsten nicht begangen worden wäre (EGMR 23. 10. 2014, 54.648/09, Furcht/Deutschland Rz 48). Als Beurteilungs kriterien zieht der EGMR dabei heran, ob objektive Verdachtsmomente dafür bestanden haben, dass die Person an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder der Begehung einer Straftat zugeneigt war, und ob auf sie Druck ausgeübt wurde, die Tat zu begehen. Eine im Wesentlichen passive Haltung geben die Behörden etwa dann auf, wenn die Person wiederholt kontaktiert wird, das Angebot trotz anfänglicher Weigerung wiederholt wird, die Person beharrlich aufgefordert, überredet oder unter (psychischen) Druck gesetzt wird (aaO Rz 52).

Nach den Urteilsannahmen gab es vorliegend für die Polizei objektive Anhaltspunkte, dass das Inverkehrbringen von gefälschtem Geld geplant war (US 6). Der Erstkontakt zwischen dem verdeckten Ermittler und Cvetan Sh***** wurde durch den Mitangeklagten S***** hergestellt, der dem Beamten selbst als „der Bulgare, der sich mit Falschgeld beschäftigt“, vorgestellt worden war (US 7 f). Sh***** wurde daraufhin selbst aktiv und kontaktierte einen ihm bekannten Hintermann, der dann die Verbindung zu den Fälschern in Bulgarien herstellte (US 8, 11). In der Folge kam es zu einer Übergabe von zwei Stück gefälschter 500 Euro Banknoten, die als Muster gedacht waren. Anlässlich dieser und einer weiteren Übergabe von 40 Stück gefälschter 500 Euro Banknoten führte Sh***** eigenständig Verhandlungsgespräche über die Konditionen weiterer Falschgeldübergaben (US 9 f). Vor dem Hintergrund dieser quasi „laufenden Geschäftsbeziehung“, die zu weiteren, bereits angesprochenen Transaktionen führen sollte, kann in der vom Erstgericht für relevant erachteten (SMS-)Anfrage des verdeckten Ermittlers, ob eine weitere Falschgeldlieferung möglich sei, somit im Abrufen einer bereits angebotenen und verhandelten Leistung, kein Verleiten zur Begehung einer Straftat iSd § 5 Abs 3 StPO erblickt werden. Einer Auseinandersetzung mit der Frage allfälliger Rechtsfolgen unzulässiger Tatprovokation bedurfte es daher nicht (vgl dazu RIS Justiz RS0119618, RS0116456; EGMR 23. 10. 2014, 54.648/09, Furcht / Deutschland ).

Anzumerken bleibt weiters, dass es sich bei der zu 3./ verurteilten Übernahme der Falsifikate durch S*****, die nach den Urteilsannahmen US 10 in Bulgarien erfolgte, um die Auslandstat eines Ausländers handelt, auf die sich § 64 Abs 1 Z 4 StGB nicht bezieht. Da es sich aber bei § 233 Abs 1 Z 1 StGB um ein kumulatives Mischdelikt handelt ( Schroll in WK² StGB § 233 Rz 11) und dieses durch die Angeklagten jeweils in den Begehungsformen der Einfuhr (erster Fall) und der Beförderung (dritter Fall) jedenfalls verwirklicht wurde, ist mit dem sich auch auf die Übernahme (vierter Fall) bezogene Schuldspruch infolge der rechtlich verfehlten Verurteilung (bloß) wegen eines Verbrechens der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB ein konkreter Nachteil für den Angeklagten nicht verbunden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Rechtssätze
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