JudikaturJustiz15Os76/05y

15Os76/05y – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rupert Heinz G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 18. Mai 2005, GZ 2 Hv 38/05s-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten sowie des Verteidigers Mag. Lehofer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 20 Jahre herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Rupert Heinz G***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 22. November 2004 in Stein bei Attendorf Isabella J***** durch zwei Stiche mit einem Fleischmesser in die Brust und in den Bauch vorsätzlich getötet hat. Die Geschworenen haben die anklagekonforme Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes gemäß § 75 StGB stimmeneinhellig bejaht. Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die aus Z 5 und 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung (S 124/II) der in der Hauptverhandlung vom 18. Mai 2005 gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen (1) Edith Z*****, (2) Silke K*****,

(3) Elfriede S*****, (4) Heidi H***** und Bernd M***** sowie auf Beischaffung des „Foto- und Videohandys" des Angeklagten Verteidigungsrechte nicht verletzt. Die Beweisaufnahmen wurde zum Nachweis dafür beantragt, „dass sich der Angeklagte Rupert Heinz G***** zum Zeitpunkt der Tötung der Isabella J***** in einer heftigen Gemütsbewegung befand, die sich über geraume Zeit durch das Verhalten der Isabella J***** aufgestaut hat und die allgemein begreiflich ist". Zu den einzelnen Beweisanträgen wurde von der Verteidigung zusätzlich Folgendes angeführt:

(1) „Bei Edith Z***** handelt es sich um die beim Jugendwohlfahrtsträger zuständige Sachbearbeiterin, welche zum einen die Anzeigen des um seine Kinder besorgten Angeklagten entgegengenommen hat und zum anderen auch entsprechende eigene Erhebungen getätigt hat."

(2) „Dieser Zeugin wurde offenbar seitens von Frau Isabella J***** zugestanden, dass sie den Angeklagten dahingehend bedroht habe, dass sie ihn für den Fall, dass er ihr nicht beim Übersiedeln helfe, wegen Kindesmissbrauchs anzeigen würde."

(3 und 4) „Die zuletzt genannten drei Zeugen haben Wahrnehmungen gemacht, dass Isabella J***** den Angeklagten in Anwesenheit dritter Personen beschimpft und gedemütigt hat. Weiters hat der Angeklagte den genannten Zeugen gegenüber bereits geraume Zeit vor der Tat mitgeteilt, „dass er den Kontakt zu seinen Kindern Marcell und Vanessa nur dann haben darf, wenn er entsprechend bezahlt". Der Antrag auf Beischaffung des „Foto- und Videohandys" des Angeklagten wurde zum Beweis dafür gestellt, „dass es sich eben hier auch um einen der Mosaiksteine handelt, welche insgesamt letztlich zum Affektstau des Angeklagten in allgemein begreiflicher heftiger Gemütsbewegung geführt haben", weil auf diesem Gerät drei Abschnitte festgehalten sind, bei denen es dem Angeklagten gelungen ist, das Verhalten von Isabella J***** gegenüber den Kindern festzuhalten, wie diese mit den Kindern „umgesprungen" ist.

Unter einer heftigen Gemütsbewegung iSd § 76 StGB ist ein vor allem durch äußere Gegebenheiten hervorgerufener, impulsiver und intensiver Erregungszustand der Gefühle von kurzer Dauer mit starken Handlungstendenzen und spürbaren körperlichen Begleiterscheinungen, die nicht der Willenskontrolle unterliegen, zu verstehen, der so mächtig ist, dass er die normale Motivationsfähigkeit der Gesamtpersönlichkeit und sogar starke sittliche Hemmungen gegen eine vorsätzliche Tötung ausschaltet (11 Os 22/05b; Moos in WK2 § 76 Rz 12). Allgemein begreiflich ist ein derartiger Affektzustand dann, wenn er dem Verhalten eines mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen entspricht, dem Täter also kein sittlicher Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er in diesen Erregungszustand geriet (11 Os 22/05b; Moos aaO Rz 31). Bei der vom Gesetz geforderten allgemeinen Begreiflichkeit des Affektes handelt es sich um eine Rechtsfrage, die einer Beweisführung nicht zugänglich ist (RIS-Justiz RS0092277). Soweit die Beweisanträge darauf gerichtet waren, stellen sie sich somit von vornherein als verfehlt dar.

Insoferne sie aber den Nachweis einer heftigen Gemütsbewegung erbringen sollten, mangelt es ihnen an der gebotenen - fallbezogen nicht von selbst einsichtigen - Darlegung, inwiefern die genannten Zeugen über den Gemütszustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt überhaupt zweckdienliche Angaben machen könnten oder sich derartiges aus den Videoaufnahmen wahrnehmen ließe und inwieweit die Aussagen bzw Besichtigung der Aufzeichnungen den angestrebten Nachweis für die im Tatzeitpunkt bestehende heftige Gemütsbewegung des Angeklagten ermöglichen würden, sodass sie insoweit auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis zielen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Die Beweisanträge wurden daher vom Schwurgerichtshof zu Recht abgewiesen, sodass die Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt waren.

Die Fragerüge (Z 6), welche sich gegen die Abweisung (S 128/II) der beantragten Eventualfrage nach Totschlag gemäß § 76 StGB richtet, versagt ebenfalls.

Unabdingbare Voraussetzung für die Stellung von Eventualfragen (§ 314 Abs 1 StPO) ist das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung, welche einen gegenüber der Anklage geänderten Sachverhalt und im Fall ihrer Bejahung die Basis für einen Schuldspruch wegen einer - anklagedifformen - gerichtlich strafbaren Handlung in den näheren Bereich der Möglichkeiten rücken (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 1). Grundvoraussetzung einer solchen Fragestellung wäre somit das Vorbringen von Tatsachen in der Hauptverhandlung gewesen, die das Vorliegen eines - wie in Erledigung der Einwände zur Verfahrensrüge dargelegt - aus rechtlicher Sicht tiefgreifenden Affekts indizieren und diesen darüber hinaus als „allgemein begreiflich" erscheinen ließen. Umstände, die auf eine Tatsachengrundlage für die Wertung der heftigen Gemütsbewegung als allgemein begreiflich hindeuten, hat der Angeklagte mit dem Verweis auf die behauptete Äußerung der später Getöteten, er werde die Kinder nicht mehr sehen, sie werde ihn auch - ungerechtfertigt - anzeigen, in der Hauptverhandlung nicht vorgebracht und haben sich auch nicht im Beweisverfahren ergeben. Zwar gestand der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. Friedrich R***** dem Angeklagten den Affekt des Zornes und einer gewissen Ohnmacht zu, führte aber weiter aus, dass überhaupt keine Rede davon sein könne, dass ein nicht beherrschbarer Affektsturm abgelaufen sei (S 106/II). Somit ist die zur Hauptfrage angestrebte Aufnahme einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags zu Recht unterblieben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die wesentlichen Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde wiederholenden Äußerung der Verteidigung gemäß § 35 Abs 2 StPO - zu verwerfen. Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die mehreren einschlägigen und auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen, den äußerst raschen Rückfall, die heimtückische und brutale Begehungsweise der Tat sowie die Begehung innerhalb offener Probezeit, als mildernd keinen Umstand.

Die dagegen erhobene Berufung, welche die Umwandlung der lebenslangen Freiheitsstrafe in eine zeitliche begehrt, erweist sich als zielführend.

Beim Angeklagten sind als mildernd das im Verlauf der Verhandlung inhaltlich abgelegte Geständnis und die Selbststellung zu veranschlagen. Unter Heranziehung der vom Geschworenengericht zutreffend angenommenen Erschwerungsgründe und Berücksichtigung der narzisstischen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten im Zusammenhang mit der daraus resultierenden Neigung zur Durchsetzung eigener Triebbedürfnisse und seines aggravierenden Gewaltpotentials trägt die nunmehr verhängte zeitliche Freiheitsstrafe der Täterpersönlichkeit und dem Tatunwert Rechnung und war daher wie im Spruch zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

Rechtssätze
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