JudikaturJustiz15Os75/16t

15Os75/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshof Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. April 2016, GZ 181 Hv 16/15m 80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten K***** (I./1./ und 3./) und in Ansehung des Angeklagten Sascha F***** in der Unterstellung der Taten zu I./1./ und 2./ unter § 28a Abs 4 Z 3 SMG, demgemäß auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in den Einziehungserkenntnissen, weiters auch der den Angeklagten F***** betreffende Beschluss über die Anordnung der Bewährungshilfe, aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte K***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Robert K***** und Sascha F***** unter anderem jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB (I./) schuldig erkannt.

Danach haben sie in G***** und anderenorts

I./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt und zur Erzeugung beigetragen, und zwar

1./ Sascha F***** und Robert K*****, indem sie von 1. August 2013 bis 3. September 2015 im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Hanfshops „L*****“ und „Lu*****“ mindestens 2.000 Cannabisstecklinge sowie technische Ausrüstung und Zubehör, wie es für die Aufzucht von Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgiftgewinnung verwendet wird, inklusive einschlägiger Fachliteratur verkauften, verschiedene Broschüren und Zuchtschemata zur Verfügung stellten und die Kunden hinsichtlich der optimalen Aufzucht der Pflanzen und der Erzielung eines möglichst hohen Ertrags berieten, zur Erzeugung von mindestens 11.250 Gramm Delta 9 THC hältigem Cannabiskraut (787,50 Gramm Reinsubstanz) durch teils bekannte, teils nicht ermittelte Täter, beigetragen;

2./ Sascha F*****, indem er im Zeitraum 2013 bis 3. September 2015 im Zuge von drei Aufzuchten mehrere Cannabispflanzen anpflanzte, kultivierte, bis zur Erntereife betreute, erntete, trocknete und daraus mindestens 380 Gramm Delta 9 THC hältiges Cannabiskraut (26,6 Gramm in Reinsubstanz) gewann;

3./ Robert K*****, indem er von März bis 3. September 2015 im Zuge von mehreren Aufzuchten mehrere Cannabispflanzen anpflanzte, kultivierte, bis zur Erntereife betreute, erntete, trocknete und daraus mindestens 259,08 Gramm Delta 9 THC hältiges Cannabiskraut (22,41 Gramm Reinsubstanz) gewann.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend macht der Rechtsmittelwerber eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der für die Subsumtion nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG entscheidenden Konstatierungen (I./1./), wonach (nur) 75 % der verkauften Stecklinge von den Kunden zur Suchtgiftgewinnung weiter kultiviert wurden und davon 25 % während der Aufzucht zugrunde gingen, wobei der tatsächliche Ertrag an Cannabiskraut mit 10 g pro Pflanze anzusetzen sei (US 7), geltend.

Begründend stützten die Tatrichter ihre Berechnung des aus den von den Angeklagten verkauften Cannabisstecklingen erzeugten Suchtgifts ausschließlich auf „Erfahrungswerte des langjährigen Suchtgiftermittlers Bezirksinspektor B*****“ (US 22, unter Verweis auf eine Passage im Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Steiermark, der gleichfalls keine Begründung für die angenommenen Prozentsätze enthält [ON 55 S 23]). In der Hauptverhandlung wurde der Polizeibeamte zu dieser Berechnungsmethode nicht befragt (ON 79 S 14 ff).

Da für die konstatierten Prozentsätze weder eine allgemeine noch eine Gerichtsnotorietät konstatiert wurde (zum Begriff siehe RIS Justiz RS0098570; Lendl , WK StPO § 258 Rz 41 f), wären diese Annahmen – mögen die angegebenen Werte auch plausibel sein – vom Erstgericht zureichend zu begründen gewesen. Der bloße Verweis auf den nicht spezifizierten Erfahrungsschatz des Anzeigeverfassers, dessen unter dem Titel „Berechnungsmethode“ aufgestellte Hypothese keine empirischen Grundlagen nennt, wird rechtsstaatlichen Begründungserfordernissen nicht gerecht. Die auf einer doppelten Vermutung allein basierende Begründung einer entscheidenden Tatsache, nämlich der Annahme einer ziffernmäßig bezeichneten, von den Endabnehmern erzeugten Menge, die das 25 fache der Grenzmenge übersteigt (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG), erweist sich somit als willkürlich (Z 5 vierter Fall; vgl 15 Os 7/13p; Ratz , WK StPO § 281 Rz 444).

Der aufgezeigte Begründungsmangel steht auch der verlässlichen Beurteilung entgegen, ob der Beschwerdeführer einen entsprechenden Beitrag zur Erzeugung einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) geleistet hat. Darüber hinaus können die Annahmen, die einen – gar nicht erfolgten – Schuldspruch nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG, § 12 StGB tragen würden, für sich allein nicht bestehen bleiben (RIS-Justiz RS0115884).

Da dieses Begründungsdefizit auch dem Schuldspruch des Angeklagten F***** (I./1./) anhaftet, war von Amts wegen so vorzugehen, als hätte auch dieser den angeführten Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO); im Hinblick auf den aufrecht bleibenden Schuldspruch I./2./, der für sich schon eine die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftmenge zum Gegenstand hat, allerdings nur betreffend die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG.

Zutreffend macht die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***** auch zu I./3./ einen Begründungsmangel geltend.

Zur erzeugten Bruttomenge wird im Urteil zwar die den Inhalt eines zwischen den Angeklagten geführten Telefonats (ON 9 S 16 f) erklärende Aussage F*****s, wonach „360 Gramm Blüten halb nass“ geerntet, „trocken 180 Gramm“ seien (ON 71 S 7) wiedergegeben, desgleichen aber auch die Erklärung K*****s hiezu (ON 71 S 18), tatsächlich seien die Blüten „auf 1:5 zusammen gegangen“ (US 17 f). Eine Begründung dafür, wie die Tatrichter über den von K***** genannten erheblich geringeren Ertrag und seine Verantwortung, bei den bei ihm sichergestellten 79,08 Gramm Cannabiskraut handle es sich eben um jenes Suchtgift, von dem er im Telefonat gesprochen habe (ON 71 S 16), hinweggekommen sind, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen (Z 5 zweiter Fall). Denn das bloße Nacherzählen des Inhalts einer Zeugenaussage stellt noch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit derselben dar (vgl Danek , WK StPO § 270 Rz 38).

Angesichts dessen, dass in der am 3. September 2015 sichergestellten Suchtgiftmenge lediglich eine Reinsubstanz von 6,84 Gramm Delta-9-THC nachzuweisen war, betrifft dieser Begründungsmangel eine entscheidende Tatsache in Ansehung der Feststellung der Erzeugung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift. Dieses Begründungsdefizit erfordert die Aufhebung auch des Schuldspruchs I./3./ (vgl neuerlich RIS Justiz RS0115884).

Dies hatte auch die Kassation der Strafaussprüche sowie – mangels Determinierung der Aussprüche nach § 34 SMG und § 26 StGB im Urteil („das sichergestellte Suchtgift“, „die sichergestellten Suchtgiftutensilien“) – der Einziehungserkenntnisse im vollen Umfang zur Folge.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.