JudikaturJustiz15Os73/18a

15Os73/18a – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Oberkontrollorin Ponath als Schriftführerin in der Strafsache gegen Miluzim S***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Miluzim S***** und Mustafa R***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. März 2018, GZ 66 Hv 98/17i 260, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Miluzim S***** und Mustafa R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Miluzim S***** und Mustafa R***** jeweils der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (1.) und nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (2.) schuldig erkannt.

Danach haben sie in W*****, V***** und R***** vorschriftswidrig als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung den abgesondert verfolgten Velibor St***** dazu bestimmt, Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 4.005,4 Gramm Kokain beinhaltend zumindest 78,9 % Reinsubstanz Cocain, sohin zumindest 3.160 Gramm Reinsubstanz Cocain

1.) zwischen 20. und 22. April 2017 aus den Niederlanden aus und über Deutschland nach Österreich einzuführen;

2.) am 22. April 2017 einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes zu überlassen, während die beiden Angeklagten das Entgelt in Höhe von 270.000 Euro zeitgleich in den Niederlanden von zwei weiteren verdeckten Ermittlern übernehmen sollten.

Die vom Angeklagten S***** aus Z 5 und 10 und vom Angeklagten R***** aus Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** :

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) wendet sich gegen die Feststellung, wonach die Vertrauensperson „Otto“ keinerlei Druck auf den Erstangeklagten ausübte und ihn auch nicht dazu überredete, Suchtgiftgeschäfte durchzuführen (US 5). Damit spricht sie jedoch keine entscheidenden Tatsachen an (RIS Justiz RS0117499). Es wird nämlich nicht klar, inwiefern in einer Provokation durch eine Vertrauensperson eine unzulässige, ein Verfolgungshindernis darstellende (§§ 5 Abs 3, 133 Abs 5 StPO) staatliche Tatprovokation liegen sollte (RIS Justiz RS0130354). Dass der Nichtigkeitswerber nach Art einer (Ketten )Bestimmung im Sinn des § 12 zweiter Fall StGB (RIS Justiz RS0089581, RS0089777) durch eine Ermittlungsbehörde im Weg einer Vertrauensperson provoziert worden wäre, wird gar nicht behauptet (vgl 11 Os 102/16h = EvBl 2017/27, 180).

Im Übrigen haben die Tatrichter die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, wonach er von der Vertrauensperson zur Tat provoziert worden wäre, keineswegs unberücksichtigt gelassen, sondern als unglaubwürdige Schutzbehauptung verworfen und dabei auf die für glaubhaft erachtete Aussage der als Zeuge vernommenen Vertrauensperson verwiesen (US 12).

Weiters richtet sich die Mängelrüge gegen die Konstatierungen betreffend das Handeln des Angeklagten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und behauptet, die Tatrichter hätten dafür bloß eine Scheinbegründung angeführt (Z 5 vierter Fall). Das Erstgericht stützte die diesbezüglichen Feststellungen – was der Rechtsmittelwerber unberücksichtigt lässt (RIS Justiz RS0119370) – auf die Notwendigkeit „arbeitsteiligen Vorgehens einer Personenvielzahl“, den Umstand, dass die beiden Angeklagten gegenüber den verdeckten Ermittlern mehrfach ausführten, dass Folgegeschäfte geplant seien, darauf, dass bereits Ende 2015/Anfang 2016 ein Sondierungsgespräch des verdeckten Ermittlers mit beiden Angeklagten in Prag stattgefunden hatte, auf das professionell umgebaute Fahrzeug, die Beteiligung des „Ali“, der „zwischen dem Transporteur und den beiden Angeklagten während der gesamten Schmuggelfahrt in Kontakt war“, sowie auf die Existenz unbekannt gebliebener Hintermänner, die die große Menge an Suchtgift in den Niederlanden bereitstellen konnten (US 13). Dass diese Begründung dem Nichtigkeitswerber selbst nicht ausreichend überzeugend erscheint, stellt kein Begründungsdefizit dar (RIS Justiz RS0099455).

Soweit sich der Angeklagte auf den „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) beruft, ist ihm zu erwidern dass dieser niemals Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO sein kann (RIS Justiz RS0102162).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, die Feststellungen würden die Annahme der Qualifikation des Handelns als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nicht tragen, weil es an den Voraussetzungen der Willenseinigung der Angeklagten sowie des auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses fehle. Dabei orientiert sie sich jedoch nicht am festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0099810). Das Schöffengericht stellte fest, dass sich die beiden Angeklagten ca im Jahr 2015 an einer kriminellen Vereinigung beteiligten, nämlich an einer bosnisch albanisch serbischen Tätergruppe, wobei ihnen bewusst war und sie sich damit abfanden, dass es sich dabei um einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen handelte, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung Verbrechen des Suchtgifthandels begangen werden und dass neben ihnen und anderen noch ein unbekannter Täter „Ali“ an der kriminellen Vereinigung beteiligt war (US 5, 10, 14).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R***** :

Auch dieser Angeklagte wendet sich mit Subsumtionsrüge (Z 10) gegen die Annahme der Qualifikation des Handelns als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und weist darauf hin, dass die Taten zwischen 20. und 24. April 2017 stattfanden, weshalb die Vereinigung nicht auf längere Zeit angelegt gewesen wäre. Weshalb der Umstand, dass die im Rahmen des verpönten Zusammenschlusses begangenen Straftaten bloß an wenigen Tagen stattfanden, das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung in Frage stellen sollte, legt der Rechtsmittelwerber jedoch nicht dar (vgl zur bloßen Ausrichtung auf längere Zeit RIS Justiz RS0125232). Betreffend die erstgerichtliche Feststellung, wonach sich die Angeklagten bereits ca im Jahr 2015 an der kriminellen Vereinigung beteiligten, behauptet der Nichtigkeitswerber einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia. Weshalb es den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen (US 5) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (vgl RIS Justiz RS0119090), legt die Rüge aber nicht dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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