JudikaturJustiz15Os7/88

15Os7/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.März 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt Friedrich C*** jun. und andere wegen des Finanzvergehens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und b; § 13 FinStrG sowie anderer strafbarer Handlungen, AZ 6 b Vr 656/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 15.Mai 1985, AZ 24 Ns 399/85 (= ON 208/VII der Strafakten), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, sowie des Vertreters des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz, Oberkommissär Dr. Füxl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Kurt Friedrich C*** jun. und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 15.Mai 1985, AZ 24 Ns 399/85, wurde zufolge des Ausspruches gemäß Punkt 1, daß zu einer weiteren Verfolgung des Kurt Friedrich C*** (jun.) wegen der Finanzvergehen des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und b FinStrG sowie des versuchten vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 13, 44 Abs. 1 lit. c FinStrG, begangen am 10.Juli 1981 (beim jugoslawischen Grenzzollamt Ljubelj), kein Grund vorliege, das Gesetz in der Bestimmung des § 13 Abs. 2 FinStrG verletzt.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren zum AZ 24 c Vr 656/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien lag Kurt Friedrich C*** jun. ua zur Last, am 10. Juli 1981 (im Zusammenwirken mit anderen Tatbeteiligten) bei dem vor dem Südportal des Loibltunnels gelegenen jugoslawischen Grenzzollamt Ljubelj einen Sattelzug mit hinter einer Tarnladung versteckten 6,025.000 Stück Zigaretten unter Vorlage eines falschen, nur die Tarnware als Ladegut ausweisenden Zolldokumentes (Carnet TIR) zur Ausgangsabfertigung gestellt zu haben. Das Schmuggelgut, zugleich Gegenstand des Tabakmonopols, wurde von den jugoslawischen Zollbeamten entdeckt und beschlagnahmt. Nach der geständigen Darstellung des Beschuldigten wollte er die Zigaretten nach der Ausgangsabfertigung durch die jugoslawischen Zollorgane unter Benützung desselben (falschen) Zolldokumentes über das vor dem Nordportal des Loibltunnels gelegene österreichische Zollamt Loibltunnel nach Österreich bringen, sohin vorsätzlich unter Verletzung einer ihn treffenden zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entziehen und damit in Tateinheit zu seinem und anderer Vorteil einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot zuwider einführen (Anzeige des Zollamtes Klagenfurt Band I/ ON 2/S 5 ff; Verantwortung des Beschuldigten vor dem Zollamt Wien Band I/ON 2/S 469 f; Schlußbericht des Zollamtes Wien S 283 ff/VI).

Zu diesem (im Schlußbericht des Zollamtes Wien als Faktum 5 bezeichneten) Vorgang, auf den sich die gegen Kurt Friedrich C*** jun. ua (auch wegen anderer Delikte) geführte gerichtliche Voruntersuchung (gleichfalls) erstreckt hatte, gab die Staatsanwaltschaft am 17.Dezember 1984 in Ansehung des Beschuldigten Kurt Friedrich C*** jun. (und eines Mitbeschuldigten) die Erklärung gemäß § 109 Abs. 1 StPO ab, worauf der Untersuchungsrichter mit Verfügung vom 10.Jänner 1985 die Voruntersuchung insoweit einstellte (Antrags- und Verfügungsbogen S 3 a ff). Das von dieser (Teil )Einstellung verständigte Zollamt Wien hielt daraufhin durch eine gegenüber dem Untersuchungsrichter fristgerecht abgegebene Erklärung gemäß § 48 Z 2 StPO die Verfolgung des Kurt Friedrich C*** jun. und weiterer vier namentlich genannter Personen diesbezüglich aufrecht (ON 202/VII).

Mit dem im Spruch bezeichneten Beschluß (ON 208/VII) wies das Oberlandesgericht Wien diesen Subsidiarantrag, soweit er sich auf die weiteren vier Tatbeteiligten erstreckte, mangels einer ausdrücklich auch auf sie bezogenen Einstellungserklärung des öffentlichen Anklägers zurück (Punkt 2); im übrigen sprach es aus, daß hinsichtlich des von der Verfahrenseinstellung erfaßten Vorfalls vom 10.Juli 1981 zu einer weiteren Verfolgung des Kurt Friedrich C*** jun. wegen des Finanzvergehens des versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a und b FinStrG, verwirklicht in Tateinheit mit dem Finanzvergehen des versuchten vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 13, 44 Abs. 1 lit. c FinStrG, kein Grund vorliege (Punkt 1). Dabei vertrat es die Auffassung, daß das dem Beschuldigten angelastete Verhalten einen strafbaren Schmuggel-Versuch nicht zu begründen vermöge, weil § 35 Abs. 1 FinStrG begrifflich das Überschreiten einer Grenze voraussetze, wobei die zollpflichtige Ware entweder unter Umgehung des Zollamtes eingeführt oder bei der Einfuhr über ein Zollamt dort nicht gestellt, sondern verheimlicht und nach Beendigung der Zollabfertigung in das Zollinland weitertransportiert werde; im vorliegenden Fall sei aber weder die Grenze überschritten noch ein österreichisches Zollamt erreicht worden und somit eine Behandlung der Ware nach den österreichischen Zollvorschriften gar nicht erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien verletzte durch den Ausspruch gemäß Punkt 1, daß zu einer weiteren Verfolgung des Kurt Friedrich C*** jun. wegen der erwähnten Finanzvergehen kein Grund vorliege, das Gesetz in der Bestimmung des § 13 Abs. 2 FinStrG. Darnach ist die Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen (oder einen anderen dazu zu bestimmen), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Voraussetzungen der Ausführungsnähe eines (sonach strafbaren) Versuchs sind zum einen, daß das Täterverhalten bereits bis zu einer Phase gediehen ist, nach der es tatplangemäß ohne weitere deliktstypisch wesentliche zeitliche, örtliche oder aktionsmäßig-eigenständige Zwischenetappen sogleich in die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung übergehen soll, sowie zum anderen die bereits erfolgte Überwidung der entscheidenden Hemmstufe vor der Tatausführung durch den Täter aus objektiv-normativer Sicht (vgl. SSt. 52/40, 48/98 uva). Demnach ist die Ausführungsnähe jeweils anhand der dem betreffenden Tatbild entsprechenden und dort beschriebenen Ausführungshandlung unter Berücksichtigung des vom Täter verfolgten Tatplanes zu prüfen (vgl. zum Ganzen etwa Leukauf-Steininger, Komm.2, § 15 RN 6, 8 bis 10, und die dort zitierte Judikatur; RZ 1986/74 ua).

Die für die Ausführung des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG entscheidende Tätigkeit besteht darin, daß eingangs- oder ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen werden; jene des Monopoldelikts nach § 44 Abs. 1 lit. c FinStrG im Ein-(Aus- oder Durch-)führen von Monopolgegenständen einem monopolrechtlichen Ein-(Aus- oder Durch-)fuhrverbot (hier: § 2 Abs. 1 TabakmonopolG, BGBl. 1968/38) zuwider. (Dabei ist zur Vermeidung von Mißverständissen zu vermerken, daß der monopolrechtliche Begriff der einfuhr - wie sich aus § 2 Abs. 2 TabakmonopolG klar ergibt - im zollrechtlichen Sinne zu verstehen ist und sich mit jenem nach § 12 Abs. 1 zweiter Fall SSG, wonach die Einfuhr von Suchtgift mit dem bloßen Überschreiten der Staatsgrenze vollendet ist (SSt. 52/66, 53/33), nicht deckt.)

Unter Beachtung der dargelegten, für die Annahme der objektiven und subjektiven Ausführungsnähe eines Versuchs maßgeblichen Kriterien ist somit entscheidend, ob das hier in Rede stehende Tatverhalten des Kurt Friedrich C*** jun. nach dessen Tatplan, gemessen an den in §§ 35 Abs. 1, 44 Abs. 1 lit. c FinStrG beschriebenen Ausführungshandlungen, in seiner aktionsmäßigen, zeitlichen und örtlichen Dimension unmittelbar, d.h. ohne deliktstypisch wesentliche weitere Zwischenakte, in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollte und demnach als der Tatausführung unmittelbar vorgelagert anzusehen ist. Dies ist entgegen der vom Oberlandesgericht Wien vertretenen Auffassung zu bejahen:

Dem von Kurt Friedrich C*** jun. eingestandenen Tatplan zufolge hätte dieser nach der Ausgangsabfertigung durch das jugoslawische Grenzzollamt Ljubelj den Sattelzug mit der Konterbande zu dem gegenüber dem vorerwähnten ausländischen Zollamt (auf der anderen Tunnelseite) gelegenen österreichischen Grenzzollamt Loibltunnel gebracht, dort unter Benützung desselben (falschen) Zolldokuments gleichfalls nur leeres Verpackungsmaterial als Ladegut deklariert und solcherart schon damit begonnen, die von ihm beförderten Zigaretten in das Inland "einzuführen" und sie "dem (inländischen) Zollverfahren zu entziehen". Damit lag aber die von ihm zuletzt verwirklichte Phase des Tatgeschehens, nämlich die durch die Vorlage der falschen Zollpapiere versuchte Erwirkung der ausländischen Ausgangsabfertigung, bereits unmittelbar, d.h. ohne daß nach dem Tatplan noch weitere deliktstypisch wesentliche zeitliche, örtliche oder aktionsmäßig-eigenständige Zwischenetappen zurückzulegen gewesen wären, vor (dem Beginn) der Ausführung der in §§ 35 Abs. 1, 44 Abs. 1 lit. c FinStrG beschriebenen Tat, in die sie nach seinen Vorstellungen nahtlos übergehen sollte.

Daß die vom Beschuldigten angestrebte jugoslawische Ausgangsabfertigung als faktische Bedingung für die Fortsetzung seines Vorhabens, für deren Eintritt er selbst alles tatplangemäß Notwendige bereits getan hatte, noch nicht abgeschlossen war, vermag an der Beurteilung der bis dahin gediehenen Tatplanverwirklichung als (schon) strafbarer Schmuggel-(und Einfuhr-)versuch nichts zu ändern. Denn für die Frage, ob eine bestimmte Handlung des Täters, mit der er seinen Tatentschluß betätigt, im Sinne des zuvor Gesagten (auch) aktionsmäßig ausführungsnah ist, kommt es nur darauf an, ob es nach dem Tatplan noch weiterer delikstypisch wesentlicher Zwischenakte des Täters bedarf, ehe er zur eigentlichen Ausführung schreiten kann, oder ob er damit manipulativ schon die letzte Phase seines Vorhabens vor dem geplanten Ausführungsbeginn erreicht hat. Von dritten (nicht tatbeteiligten) Personen vorzunehmende Handlungen hingegen, die sich als (gleichwohl) unerläßliche Bedingung für die weitere Abwicklung des Tatplanes darstellen (hier:

die für die Ausgangsabfertigung notwendigen und damit zur Weiterbeförderung der Zigaretten in Richtung Österreich vorauszusetzenden amtlichen Tätigkeiten der jugoslawischen Zollorgane), stehen im Falle ihres tatplanwidrigen Unterbleibens der Annahme einer aktionsmäßigen Ausführungsnähe eines Täterverhaltens, mit dem insoweit alles für den Eintritt einer solchen Bedingung Erforderliche bereits vorgekehrt wurde, ebensowenig entgegen, wie ein zufälliges Hindernis, welches das weitere Fortschreiten des Tatplanes vereitelt.

Die Begründung des Einstellungsbeschlusses geht demgegenüber an der hier aktuellen Problematik - Abgrenzung zwischen (strafloser) Vorbereitungshandlung und (strafbarem) Versuch - durchaus vorbei. Die dort zitierten Entscheidungen (SSt. 38/42, 40/17, 42/17) betreffen nämlich die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung des Schmuggels, und dementsprechend ist ihnen keineswegs die Rechtsansicht zu entnehmen, daß auch ein Schmuggel-Versuch begrifflich das Überschreiten der Grenze voraussetze. Das (vom Oberlandesgericht im vorliegenden Fall vermißte) Erreichen eines österreichischen Zollamtes und die Behandlung des Warentransportes nach den österreichischen Zollvorschriften sind vielmehr in Ansehung der in Rede stehenden Finanzvergehen zwar Voraussetzungen für den Beginn der eigentlichen Ausführungsphase deren Strafbarkeit durch § 13 Abs. 1 FinStrG erfaßt wird, nicht aber für die Annahme einer aktionsmäßigen (bloßen) Ausführungs-Nähe derartiger - nach § 13 Abs. 2 FinStrG gleichermaßen als Versuch strafbarer - Taten. Da die subjektiven Versuchsprämissen nach der Aktenlage nicht zweifelhaft sein konnten, hätte daher das Oberlandesgericht Wien dem Subsidiarantrag des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz Folge geben und die Wiederaufnahme der Voruntersuchung gegen Kurt Friedrich C*** jun. verfügen (sowie allenfalls sofort dessen Versetzung in den Anklagestand aussprechen) müssen (§ 48 Z 2 StPO aE).

Die aufgezeigte Verletzung des Gesetzes in der Bestimmung des § 13 Abs. 2 FinStrG wirkte sich zum Vorteil des Beschuldigten - und letztlich auch der übrigen Tatbeteiligten, in Ansehung deren die Staatsanwaltschaft nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes die vorher unterbliebene Einstellungserklärung nachgeholt hat (Antrags- und Verfügungsbogen S 3 d) - aus, weshalb es bei deren Feststellung sein Bewenden hatte.

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