JudikaturJustiz15Os52/94

15Os52/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. April 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Gründl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Juliana Concepcion O***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.Mai 1993, GZ 9 c E Vr 15.548/92-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und eines Verteidigers, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.Mai 1993, GZ 9 c E Vr 15.548/92-46, mit dem die der Juliana Concepcion O***** mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 13.Februar 1990, GZ 3 b E Vr 961/89-124, gewährte bedingte Nachsicht einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in dem sich aus § 498 StPO ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben; der ihm zugrundeliegende Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 12.Mai 1993 wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die am 8.Dezember 1956 geborene Juliana Concepcion O***** wurde mit dem (infolge Rechtsmittelverzichts der Prozeßparteien) sogleich in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Einzelrichters des Jugendgerichtshofes Wien vom 13.Februar 1990, GZ 3 b E Vr 961/89-124, wegen des Verbrechens der gewerbsmäßig begangenen Hehlerei nach § 164 Abs 3 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs 1 StGB zu einer - gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, auf die die Vorhaft vom 2.September 1989 bis zum 13. Februar 1990 angerechnet wurde. Nach Ablauf der Probezeit wurde mit dem Beschluß dieses Gerichtes vom 19.April 1993 (ON 176) die bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen.

Mit dem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.Mai 1993, GZ 9 c E Vr 15.548/92-46, wurde O***** wegen des (innerhalb der dreijährigen Probezeit begangenen) Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB und anderer Straftaten zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten verurteilt. Zugleich erfolgte über Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft Wien vom 12.Mai 1993 (S 225) gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO der Widerruf der mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 13.Februar 1990 bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (S 227), wobei sowohl vom Sitzungsvertreter der Anklagebehörde als auch vom Einzelrichter ersichtlich der angesichts des Zeitablaufes von mehr als drei Jahren seit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien naheliegende rechtskräftige Beschluß über die endgültige Strafnachsicht in dem seit 29.April 1993 unter ON 40 angeschlossenen Vorstrafakt des Jugendgerichtshofes Wien übersehen wurde.

Nachdem der Verteidiger am 10.September 1993 (auch) die am 17.Mai 1993 erhobene Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß (ON 49) zurückgezogen hatte (ON 70), setzte der Einzelrichter erst im Zuge der Endverfügung vom 22.September 1993 (Punkt 14 der ON 71) - sohin unter Nichtbeachtung der im § 494 a Abs 7 StPO statuierten Verpflichtung zur "unverzüglichen" (demnach nicht an die Rechtskraft der Entscheidung gebundene) Verständigung der betroffenen Gerichte - den Jugendgerichtshof Wien vom (nachträglichen) Widerruf der bedingten Strafnachsicht und von der gleichzeitigen Erlassung der Strafvollzugsordnung in Kenntnis (ON 177 im Akt des Jugendgerichtshofes Wien). Zwar hätte bei der gegebenen Konstellation auch eine unverzügliche Verständigung des Jugendgerichtshofes Wien vom Widerrufsbeschluß an der geschaffenen Rechtslage nichts (mehr) geändert, doch wäre es nach Einlangen jener (der bereits vorher beschlossenen endgültigen Strafnachsicht widerstreitenden) Mitteilung Sache des Jugendgerichtshofes Wien oder/und der Staatsanwaltschaft bei diesem Gerichtshof gewesen, sogleich entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten und die Sache nicht einfach auf sich beruhen zu lassen (vgl S 280 in 3 b E Vr 961/89 des Jugendgerichtshofes Wien).

Im Zuge der Weihnachtsamnestie 1993 wurde die Strafgefangene O***** mit Entschließung des Bundespräsidenten bedingt begnadigt und der aus der Verurteilung des Jugendgerichtshofes Wien vom 13.Februar 1990 (noch) offene Strafrest von einem Monat und dreizehn Tagen mit Wirkung vom 16.Dezember 1993 unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen (ON 179 im Akt des Jugendgerichtshofes Wien).

Der Widerrufsbeschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Mai 1993, GZ 9 c E Vr 15.548/92-46, verstößt - wie der Generalprokurator in seiner deswegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend rügt - gegen die Sperrwirkung des zeitlich vorangegangenen (rechtskräftigen) Beschlusses des Jugendgerichtshofes Wien vom 19.April 1993, GZ 3 b E Vr 961/89-176, weshalb in Stattgebung der Beschwerde spruchgemäß zu entscheiden war.

Demnach wird das Landesgericht für Strafsachen Wien die Berichtigung der seinerzeitigen Verständigung des Strafregisteramtes über den (gesetzwidrig erfolgten) Widerruf der bedingten Strafnachsicht vorzunehmen haben.