JudikaturJustiz15Os168/96

15Os168/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Mayrhofer, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Berger als Schriftführer, in der Disziplinarsache gegen Dr. Günter T*****, Rechtsanwalt in Linz, AZ 205-D 16/96 des Disziplinarrates der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Wels als Rechtshilfegericht vom 26. Juli 1996, AZ 7 Hs 127/96, und des Landesgerichtes Wels als Beschwerdegericht vom 30. August 1996, AZ 24 Bl 131/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Disziplinarbeschuldigten sowie des Untersuchungskommissärs Dr. Tr***** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschlüsse des Bezirkgerichtes Wels als Rechtshilfegericht vom 26. Juli 1996, AZ 7 Hs 127/96, und des Landesgerichtes Wels als Beschwerdegericht vom 30. August 1996, AZ 24 Bl 131/96, verletzen in der Begründung, daß der Richter Dr. Manfred H***** im Disziplinarverfahren gegen den Rechtsanwalt Dr. Günter T***** vor dem gemäß § 27 Abs 4 DSt 1990 ersuchten Bezirksgericht zur Zeugenaussage nicht verpflichtet ist, das Gesetz in der Bestimmung des § 27 Abs 4 DSt 1990.

Text

Gründe:

Aufgrund einer Anzeige der Vereinigung der österreichischen Richter, Sektion Wels, vertreten durch deren Obmann Dr. Manfred H*****, wurde gegen den Rechtsanwalt Dr. Günter T***** eine Disziplinaruntersuchung eingeleitet und Rechtsanwalt Dr. Manfred Tr***** zum Untersuchungskommissär bestellt. Dieser ersuchte mit Schriftsatz vom 26. Juni 1996 das Bezirksgericht Wels gemäß § 27 Abs 4 DSt 1990 um Vernehmung des Dr. H***** als Zeugen zum Inhalt seiner Disziplinaranzeige sowie zur Gegenäußerung des Disziplinarbeschuldigten.

Bei der am 26. Juli 1996 vom ersuchten Bezirksgericht Wels zum AZ 7 Hs 127/96 durchgeführten Zeugenvernehmung verwies Dr. H***** einerseits bezüglich des Namens seines Informanten auf sein Schreiben an die OÖ.Rechtsanwaltskammer vom 24. April 1996 (in dem er sich schon geweigert hatte, dessen Identität preiszugeben) und andererseits darauf, daß er gemäß § 27 Abs 3 und 4 DSt 1990 zur Aussage nicht verpflichtet sei, weil er weder Rechtsanwalt noch Rechtsanwaltsanwärter sei. Der bei der Vernehmung anwesende Disziplinarbeschuldigte beantragte hierauf, den Zeugen mit den Mitteln der Strafprozeßordnung zur Zeugenaussage zu veranlassen. Hierauf verkündete der Bezirksrichter den Beschluß auf Abstandnahme von einer Anwendung des § 160 StPO, weil der Zeuge gemäß § 27 Abs 3 und 4 DSt 1990 zur Aussage nicht verpflichtet sei und ein Beugemittel jedenfalls außer Verhältnis (zum Gewicht der Disziplinarsache) stünde.

Der gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gab das Landesgericht Wels als Beschwerdegericht mit Beschluß vom 30. August 1996, AZ 24 Bl 131/96, nicht Folge. Es führte u.a. aus, daß auch im Falle eines gemäß § 27 Abs 4 DSt 1990 vom Untersuchungskommissär an das Bezirksgericht gestellten Ersuchens um Vernehmung eines Zeugen die Bestimmung des § 27 Abs 3 DSt 1990 anzuwenden sei, die nur Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter zur Zeugenaussage vor dem Untersuchungskommissär verpflichte; davon abgesehen sei der Richter unter der Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit (§ 160 letzter Satz StPO) ermächtigt, aber nicht verpflichtet, Maßnahmen nach § 160 StPO zu ergreifen, sodaß der Rechtshilferichter durch eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes keineswegs dazu verhalten werden könne, eine solche Maßnahme zu ergreifen.

Rechtliche Beurteilung

Die erwähnten Beschlüsse stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer dagegen gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz (§ 27 Abs 4 DSt 1990) insoweit nicht im Einklang, als sie in der Begründung (auch) davon ausgehen, daß Richter Dr. H***** im Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwalt Dr. T***** auch vor dem ersuchten Bezirksgericht Wels nicht zur Zeugenaussage verhalten werden könne, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 27 Abs 3 DSt 1990 nicht gegeben seien.

Nach den Regelungen des DSt 1990 sind nämlich (nur) Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter zur Zeugenaussage vor dem Untersuchungskommissär im Disziplinarverfahren verpflichtet, wogegen andere Personen hiezu nicht verhalten werden können (§ 27 Abs 3 erster Satz DSt 1990). Der Untersuchungskommissär kann aber um die Vornahme von Vernehmungen oder anderen Erhebungen auch das zuständige Bezirksgericht ersuchen, welches nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung vorzugehen hat (§ 27 Abs 4 erster und zweiter Satz DSt 1990). Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes sind somit die Regelungen der Strafprozeßordnung über die Vernehmung der Zeugen (XIII.Hauptstück) in einem solchen Fall anzuwenden. Daher trifft die Zeugnispflicht nach § 150 StPO auch im Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter grundsätzlich jedermann, sofern das Bezirksgericht auf Grund eines Ersuchens des Untersuchungskommissärs die Einvernahme durchzuführen hat, wobei diesem auch die in den §§ 159 und 160 StPO vorgesehenen Zwangsmittel zur Durchsetzung der Zeugnispflicht zur Verfügung stehen (vgl Schuppich/Tades, Rechtsanwaltsordnung5, § 27 DSt 1990 Anm 5; 1188 BlgNR 17.GP, 24 f; Bkd 21/87).

Dessen ungeachtet war das Rechtshilfegericht zur Anwendung der in § 160 StPO vorgesehenen Zwangsmittel gegen den nicht aussagebereiten Zeugen nicht verhalten, weil das Gericht zum Ergreifen eines solchen Beugemittels - unter der Voraussetzung der Verhältnismäßigkeit - bloß ermächtigt, aber nicht verpflichtet ist (Foregger/Kodek StPO6 § 160 Erl I; 11 Os 126/86). Deshalb entsprechen die erwähnten Beschlüsse, deren Ausführungen in diesem Punkt zutreffen, im Ergebnis dem Gesetz.