JudikaturJustiz15Os160/17v

15Os160/17v – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Februar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Februar 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Hans Peter H***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 13. November 2017, GZ 37 Hv 85/17w 58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch die Abweisung des Unterbringungsantrags hinsichtlich einer idealkonkurrierenden mit Strafe bedrohten Handlung enthält (s aber Ratz , WK StPO § 281 Rz 296; Murschetz , WK StPO § 430 Rz 5; RIS Justiz RS0090390; vgl allgemein zur Unzulässigkeit des Subsumtionsfreispruchs Lendl , WK StPO § 259 Rz 1 f), wurde Hans Peter H***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 9. März 2017 in St. ***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie beruht,

A) Nachgenannte durch Drohung mit dem Tod, indem er eine geladene und entsicherte Faustfeuerwaffe der Marke Caspian Arms LTD gegen sie richtete, zu Handlungen, nämlich dazu, sich umgehend zu entfernen, genötigt, und zwar

1. Helmut L***** durch die Äußerung: „Verschwinde, wenn du noch länger leben willst!“,

2. Renate S***** durch die Äußerung: „Schleich di eini, wenn du noch leben willst, dann geh!“;

B) Beamte durch gefährliche Drohung mit dem Tod an Amtshandlungen, nämlich an der Beendigung der zu A) beschriebenen gefährlichen Angriffe sowie an der Durchführung seiner Festnahme zu hindern versucht, indem er trotz mehrmaliger Aufforderung der Polizeibeamten Oliver B***** und Gerhard W*****, die Schusswaffe fallen zu lassen, mit der zu A) genannten Pistole in Richtung der Polizeibeamten zielte und auf sie zuging;

C) wenn auch nur fahrlässig die zu A) beschriebene Schusswaffe der Kategorie B unbefugt besessen und geführt,

somit Taten begangen, die als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie als Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG mit einer jeweils ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 13. November 2017 (unter Verweis auf frühere schriftliche Eingaben; ON 29, 31, 40) gestellten Antrags auf Beiziehung eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen (ON 57 S 2 und 20). Begründend führte die Verteidigung dazu aus, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass „biochemische oder psychosoziale internistische oder körperliche Faktoren diesen Zustand ausgelöst haben und wird aufgrunddessen zur Abklärung dieser Ursachen bzw möglichen Faktoren der Antrag weiterhin aufrecht erhalten“.

Dieser auf die Erforschung (alternativer) Ursachen der vom Sachverständigen festgestellten Zurechnungsunfähigkeit gerichtete Antrag konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, ließ er doch – zumal dies nicht offensichtlich ist – nicht erkennen, weshalb das Beweisthema eine erhebliche Tatsache betreffen sollte (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO). Soweit die Verteidigerin in ihrer mündlichen Gegenäußerung (§ 244 Abs 3 StPO) überdies vorgebracht hatte, es sei „nicht auszuschließen“, dass der „beim Betroffenen diagnostizierte Zustand nur vorübergehend sei“ (ON 57 S 2), war der Antrag auf eine Erkundungsbeweisführung gerichtet (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO).

Ein weiterer Sachverständiger ist im Übrigen nur dann zur Verhandlung beizuziehen, wenn das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft ist und sich die Bedenken nicht durch Befragung des bestellten Sachverständigen beseitigen lassen (§ 127 Abs 3 StPO). Ein Gutachten ist dann „sonst mangelhaft“, wenn es unschlüssig, unklar oder unbegründet ist, den Kriterien der Logik widerspricht oder nicht mit den gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaften übereinstimmt (RIS Justiz RS0127942). Einen solchen Mangel behauptet der Antrag nicht einmal.

Vielmehr erschöpft er sich in der bloßen Wiederholung bis dahin vorgetragener Bedenken, ohne dass eine substanziierte Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Erläuterungen des Sachverständigen erfolgt wäre (vgl die Befragung durch die Verteidigerin in der Hauptverhandlung ON 57 S 19 f). Damit wird kein – nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens bestehen gebliebener – Mangel an Befund und Gutachten im Sinn des § 127 Abs 3 StPO aufgezeigt, sondern bloß eine Überprüfung der Beurteilung der Expertise in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigen Ergebnisses begehrt, womit der Antrag auch insofern auf unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte (RIS Justiz RS0117263 [T17]).

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – aus Sicht des Obersten Gerichtshofs der Feststellungswille der Tatrichter in Bezug auf die zu C) erforderliche subjektive Tatseite bei einer Gesamtbetrachtung der Urteilsgründe (US 2, 4, 9) hinreichend deutlich erkennbar ist (RIS-Justiz RS0117228).

Rechtssätze
4
  • RS0090390OGH Rechtssatz

    29. Februar 2024·3 Entscheidungen

    Liegen dem Betroffenen mehrere Taten zur Last, von denen nur eine den Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB entspricht, während die anderen zufolge der für sie maßgebenden Strafdrohung nicht einweisungsrelevant sein können, so hat das Gericht den Einweisungsantrag, soweit er auch diese Taten betrifft, abzuweisen; stützt es jedoch (rechtsirrig) sein Einweisungserkenntnis spruchgemäß auch auf diese Taten, dann hat es insoweit seine Einweisungsbefugnis überschritten, womit das Erkenntnis in diesem Punkt nichtig im Sinn der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ist, uzw unbeschadet dessen, dass dem Betroffenen daneben auch eine einweisungsrelevante Anlasstat zur Last liegt. Denn der im Urteilstenor dekretierte Tatvorwurf kann von der darauf gestützten Sanktion nicht getrennt werden; diese basiert damit aber auch auf Taten, die die Einweisung nicht zu tragen vermögen, wobei die darin gelegene Urteilsnichtigkeit den Betroffenen beschwert, weil nicht gesagt werden kann, dass die nicht einweisungsrelevanten Taten bloß überflüssigerweise und ohne irgendwelche nachteiligen Wirkungen für ihn in den Urteilsspruch aufgenommen worden seien. Daher kann eine Unanfechtbarkeit des Ausspruchs über die Anstaltseinweisung nicht daraus abgeleitet werden, dass die Einweisung ohnedies bereits durch eine andere, diese recte tragende Tat gedeckt ist (Ablehnung der gegenteiligen Auffassung in 10 Os 162/79 = EvBl 1980/203).