JudikaturJustiz15Os131/98

15Os131/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dkfm. Karl A***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 28. Jänner 1998, GZ 11 Vr 490/95-121, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (Punkt I des Urteilssatzes) sowie in dem darauf beruhenden Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung, des damit im untrennbaren Zusammenhang stehenden Beschlusses gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO, § 55 StGB und des Adhäsionserkenntnisses gemäß § 369 Abs 1 StPO an die Privatbeteiligte Friederike O***** (jedoch unter Aufrechterhaltung des weiteren Adhäsionserkenntnisses) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dkfm.Karl A***** der Verbrechen (I) der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und (II) der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Nach dem anfechtungsrelevanten Teil des Schuldspruchs hat er in Steyr und anderen Orten (I) sich ein ihm anvertrautes Gut im Wert von mehr als 500.000 S mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zugeeignet, indem er nach Erstehung der Liegenschaft EZ 187 GB 51002 Bad Hall im Auftrag des Verpflichteten Josef M***** in der Versteigerungstagsatzung des Bezirksgerichtes Kremsmünster vom 31.Mai 1994 von Josef M***** und Friederike O***** nachangeführte Geldbeträge mit der Verpflichtung übernahm, sie zur Berichtigung des Meistbots zu verwenden, die Gelder allerdings in sein Privatvermögen überführte, und zwar (a) nach dem 14.Juni 1994 ein Betrag von 350.000 S; (b) nach dem 16.August 1994 ein Betrag von 20.000 S; (c) nach dem 12. September 1994 einen Betrag von 200.000 S und (d) nach dem 22. Jänner 1995 einen Betrag von 270.000 S.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die (allein) auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich als berechtigt erweist.

Nach den für das Rechtsmittelverfahren wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes überredete der verschuldete Landwirt Josef M***** den Angeklagten, mit dem er seit Jahren bekannt war, eine ihm gehörende Liegenschaft als "verdeckter Treuhänder" bei der Zwangsversteigerung für ihn zu erwerben, wozu er dem Angeklagten 80.000 S zum Erlag des Vadiums übergab und ihm die Aufbringung des erforderlichen Restbetrages durch Hilfe einer Bekannten zusagte. Der Angeklagte trat vereinbarungsgemäß am 31.Mai 1994 bei der Versteigerung auf, erlegte das Vadium und erhielt den Zuschlag mit dem Meistbot in der Höhe von 1,620.000 S. Josef M***** trat sodann an die ihm bekannte, an multipler Sklerose leidende Pensionistin Friederike O***** heran und erklärte ihr, daß er auf Grund der Versteigerung seines Hauses unbedingt Geld brauche. O***** übergab zum Teil durch Mittelspersonen, zum Teil direkt an den Angeklagten in den im Spruch detailliert genannten Zeitpunkten die genannten Summen zu dem Zweck, "damit Josef M***** im Besitz der Liegenschaft bleibe". Da der Angeklagte das in der Versteigerung vom 31.Mai 1994 festgelegte Meistbot von 1,620.000 S nicht berichtigt hatte, wurde vom Bezirksgericht Kremsmünster die Wiederversteigerung der Liegenschaft bewilligt und am 24.Jänner 1995 durchgeführt, wobei Josef M***** gemeinsam mit dem Angeklagten übereinkam, wiederum durch einen Mittelsmann bei der Versteigerung mitzubieten, wofür sie Franz L***** gewannen. Ihm übergab der Angeklagte 80.000 S aus dem von Friederike O***** nach dem 22.Jänner 1995 zuletzt übergebenen Betrag in der Höhe von 270.000 S. Die übrigen Beträge, insgesamt 840.000 S, eignete sich der Angeklagte mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zu und überführte sie in sein Privatvermögen (US 7 bis 10).

Zutreffend moniert der Angeklagte in seiner Rechtsrüge, daß das Erstgericht Feststellungen zum einen zu der behaupteten Aufrechnungslage, zum anderen über das Vorliegen des Aufrechnungswillens des Angeklagten anläßlich der Übernahme der Beträge unterlassen hat.

In der Hauptverhandlung hatte sich der Angeklagte nämlich dahingehend verantwortet, daß die ihm von Friederike O***** und Josef M***** übergebenen Geldbeträge im Einverständnis mit Josef M***** zur Abdeckung von Schulden in der Höhe von 600.000 S verwendet worden seien; darüber sei ein Schuldschein vorhanden. Dabei mußte er allerdings letztlich einräumen, daß lediglich offene Schulden in der Höhe von 350.000 S bis 380.000 S bestanden hätten (409 f/II). Er habe schon zu Beginn des Ersteigerungsvorhabens die Abdeckung der alten Schulden begehrt und das empfangene Geld dafür verwendet (409, 414, 427/II ff).

Ein Eingehen auf den - im Urteil zwar als mönglicherweise zutreffend bezeichneten - entscheidenden Umstand, ob (und in welcher Höhe) Josef M***** dem Angeklagten tatsächlich Geld schuldete, unterließ das Erstgericht (ersichtlich) im Hinblick auf die - der Widmung durch O***** zuwiderlaufende - Verwendung der Beträge (US 14 und 15).

Entgegen der Rechtsansicht des Schöffengerichtes, das die vermißten Feststellungen zu den Aufrech- nungsvoraussetzungen aus den eben genannten Gründen für entbehrlich gehalten hat, schließt eine - fallspezifisch das Tatbestandsmerkmal des Anvertrauens bewirkende - Widmung übergebener Gelder eine strafrechtlich relevante Tätervorstellung von einer Aufrechnung mit vermeintlichen Gegenforderungen nicht schlechterdings aus (Leukauf/Steininger Komm3 RN 3, Kienapfel BT II3 RN 25 je zu § 133). § 133 StGB verlangt zur inneren Tatseite, daß der Vorsatz im Zeitpunkt der Zueignung darauf gerichtet sein muß, sich oder einem Dritten ein anvertrautes Gut zuzueignen. Nicht unrechtmäßig bereichert ist, wer sich ein anvertrautes Gut wegen einer fälligen aufrechten Gegenforderung in Aufrechnungsabsicht zueignet, mag eine solche Aufrechnung auch zivilrechtlich unzulässig sein. Bei Aufrechnung mit einer Gegenforderung hinwieder könnte Bereicherungsvorsatz fehlen. Der Täter muß jedoch in beiden Fällen im Zueignungszeitpunkt den Aufrechnungswillen haben, wofür als wesentliches Indiz gilt, daß er seinem Partner die Tatsache der Aufrechnung sogleich bekannt gibt. Das bloße Gegenüberstehen von Forderungen an sich genügt nicht zum Eintritt der Kompensationswirkung und damit zum Ausschluß unrechtmäßiger Bereicherung (Leukauf/Steininger aaO RN 23).

Dem Urteilsfaktum I haften somit in Ansehung der subjektiven Tatseite zutreffend gerügte Feststellungs- mängel an, die eine Verfahrenserneuerung im bezeichneten Umfang in erster Instanz unumgänglich machen, weshalb schon aus den dargelegten Gründen - wie in der Stellungnahme der Generalprokuratur auch vorgeschlagen - der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben war, ohne daß es eines gesonderten Eingehens auf das weitere Beschwerde- vorbringen bedurfte, und im Umfang der Aufhebung die Verfahrenserneuerung anzuordnen war.

Wenngleich nach Lage des Falles eine Aufrechnung höchstens bis zum ursprünglich behaupteten Betrag von 600.000 S in Betracht käme (womit die Qualifikation des § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB tangiert wäre), war doch das Urteil im gesamten Schuldspruchfaktum I aufzuheben, um dem Erstgericht eine freie Beurteilung des in mehreren Tathandlungen abgewickelten Gesamtgeschehens zu ermög- lichen (§ 289 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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  • RS0094453OGH Rechtssatz

    12. September 2018·3 Entscheidungen

    Nach § 133 StGB muß sich der Vorsatz auf eine unrechtmäßige Bereicherung erstrecken. Unrechtmäßig handelt nicht, wer sich ein von einem Schuldner oder für diesen anvertrautes Gut wegen einer fälligen (aufrechten oder vermeintlichen) Gegenforderung in Aufrechnungsabsicht zueignet, mag auch eine solche Aufrechnung allenfalls zivilrechtlich unzulässig sein (SSt 29/89 ua). Der Täter muß jedoch im Zeitpunkt der Zueignung den Aufrechnungswillen haben (siehe Leukauf-Steininger 676). Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fehlt auch bei Bestehen eines sogenannten präsenten Deckungsfonds, den der Täter zur Erstattung verwenden will. Ein solcher präsenter Deckungsfonds liegt zwar nicht vor, wenn er in der bloß allfälligen Möglichkeit der Aufnahme oder Überziehung von Krediten besteht, also abhängig ist, ob ein Dritter, der nicht dazu verpflichtet ist, eine Zustimmung zur Kreditgewährung gibt (ÖJZ-LSK 1979/110, Leukauf-Steininger 676), er liegt hingegen vor, wenn dem Angeklagten ein vertraglicher Anspruch auf Überziehung seines Lohnkontos eingeräumt wurde. Denn auch unter dieser Voraussetzung ist die Realisierung der Forderung kurzfristig möglich und nicht von der freiwilligen Leistung eines Dritten abhängig. Daß der Täter den ihm eingeräumten Kreditrahmen nicht zur Befriedigung der Forderung des Geschädigten ausgeschöpft hat, ist ein Umstand, der - allgemein gesehen - gegen seine Verwendungsabsicht spricht.