JudikaturJustiz15Os121/98

15Os121/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. August 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Konrad H***** wegen des Verbrechens des versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 27. Mai 1998, GZ 8 Vr 767/97-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Konrad H***** wurde der Verbrechen des versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB (1.) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2.a bis d) sowie des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB (3.) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Demnach hat er in Höretzberg, Stocket und anderen Orten

1. Anfang September 1997 dadurch versucht, mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf zu unternehmen, daß er die am 11. Februar 1984 geborene Melanie T***** aufforderte, mit ihm einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, wobei er trachtete, ihr die Weste auszuziehen, und ihr ein tausend Schilling für die Durchführung des Geschlechtsverkehrs anbot;

2. eine unmündige Person, nämlich die am 11.Februar 1984 geborene Melanie T*****, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht dadurch mißbraucht, daß er ihr

a) im Juni 1997 über der Kleidung auf die Scheide griff,

b) Ende Juli 1997 unter dem Vorwand, ihr auf das Pferd zu helfen, im Bereich der Scheide zwischen die Beine fuhr,

c) Anfang August 1997 die Hose öffnete, unter der Kleidung auf die Scheide griff und trachtete, seinen Finger in die Scheide einzuführen,

d) Mitte August 1997 die Hose hinunterzog, sie an der Scheide berührte und trachtete, seinen Finger in ihre Scheide einzuführen;

3. im August 1997 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor unmündigen Personen vorgenommen, indem er der am 11.Februar 1984 geborenen Melanie T***** und der am 2. Oktober 1985 geborenen Silke K***** einen Pornofilm (mit dem Titel: "Schule der Perversitäten") vorzeigte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO, den Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Angeklagte durch die Abweisung des von seinem Verteidiger in der gemäß § 276a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung vom 27.Mai 1998 gestellten Antrages auf Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigen-Gutachtens zum Beweis dafür, "daß die Zeugin Melanie T***** zum Konfabulieren neigt" (138 iVm 139), in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt.

Abgesehen davon, daß im Schuldspruchsfaktum 1., worauf sich der Beweisantrag nach den Beschwerdeausführungen erkennbar bezieht, unter Würdigung aller maßgebenden Verfahrensergebnisse als Tatzeit ohnehin "Anfang September 1997" festgestellt wird (US 1, 4), wäre der Beschwerdeführer zum einen verpflichtet gewesen, im Verfahren erster Instanz konkrete objektive Anhaltspunkte dafür anzuführen, daß die (zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits) vierzehnjährige Melanie T***** etwa wegen abwegiger Veranlagung in psychischer Hinsicht, sonstiger seelischer Defekte oder Entwicklungsverzögerungen zum Phantasieren, Konfabulieren oder zum Realitätsverlust über die von ihr gemachten Wahrnehmungen neigt. Indes wurde damals nichts dergleichen vorgebracht, worauf schon der Gerichtshof im bekämpften Zwischenerkenntnis zutreffend hinweist. Selbst in der Beschwerdeschrift wird prozeßordnungswidrig lediglich auf einen Teil der abweisenden Begründung Bezug genommen und zudem prozessual verspätetet mit der aktenwidrigen Behauptung vorgebracht, T***** habe auch noch vor dem Untersuchungsrichter angegeben, daß Ende September 1997 noch ein Beischlafsversuch unternommen worden sei (vgl demgegenüber ZV T***** S 75 unten: "im September 1997, jedenfalls im Spätsommer ..........."; S 72 oben: "das genaue Datum der einzelnen Belästigungen kann ich nicht sagen"). Ein objektiver Anhaltspunkt für das behauptete "Konfabulieren" des Mädchens ist darin jedoch nicht zu erblicken.

Da aber auch keine Verfahrensergebnisse in diese Richtung hervorgekommen sind, wurde der Sache nach bloß unzulässig die Aufnahme eines Erkundungsbeweises angestrebt (vgl Mayrhofer StPO4 § 281 Z 4 E 88 ff).

Zum andern übersieht die Beschwerde, daß sich die Verpflichtung eines Zeugen grundsätzlich darauf beschränkt, einer Vorladung Folge zu leisten, ein Zeugnis abzulegen (sofern nicht ein Entschlagungsrecht gegeben ist) und dieses Zeugnis (bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allenfalls) zu beeiden. Nach einem die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz ist niemand, also weder ein Angeklagter, noch viel weniger ein Zeuge verpflichtet, sich selbst, mithin seinen Körper und seine Persönlichkeit - mit anderen Worten seine Psyche - als Beweismittel zur Verfügung zu stellen (Mayrhofer aaO § 202 E 11). Eine - an sich nicht ausgeschlossene - psychologische Exploration als ein möglicherweise im Zuge dieser Untersuchung dem freien Willen des Zeugen entzogene Inanspruchnahme von Persönlichkeitskomponenten als Beweismittel ist demnach grundsätzlich an die Zustimmung des Zeugen oder seines gesetzlichen Vertreters gebunden (Mayerhofer aaO § 150 E 39, 41; SSt 58/36; 15 Os 82/95 = ÖJZ-LSK 1996/106 bis 108 = JUS-Extra OGH-St 1985; jüngst 15 Os 64/98 uam). Die Bestimmungen der §§ 132 f StPO stehen dem nicht entgegen weil auch die darin umschriebene (körperliche) Untersuchung im Weigerungsfall nicht erzwingbar wäre (Lohsing/Serini Österr. Strafprozrecht4 313; EvBl 1954/36). Daß aber eine solcherart zwingende Zustimmung der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung minderjährigen Zeugin im aktuellen Fall erteilt worden wäre, wurde weder im Beweisantrag noch in der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan. Von der Verteidigung wurde die Zeugin oder deren gesetzliche Vertreterin auch in der Hauptverhandlung nicht nach einer derartigen Zustimmung befragt, noch wurde ein Antrag dahin gestellt, daß Gericht möge eine Zustimmung dieser Art einholen.

Aus alldem folgt, daß die Verfahrensrüge aus mehreren Gründen verfehlt ist.

Entgegen der nur zum Schuldspruchsfaktum 3. erhobenen Mängelrügen (Z 5), die prozeßordnungswidrig bloß eine Passage aus einem einzigen resümierenden Satz aus dem Gesamtzusammenhang der beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichtes herausgreift (nämlich: "....., daß sich die subjektive Tatseite zwingend aus der Art der Tathandlung ergibt" - vgl US 8 unten), leidet das Urteil keineswegs an einer offenbar nur unzureichenden Scheinbegründung der subjektiven Tatbestandskomponente, derzufolge der Angeklagte durch die Vorführung des Pornofilms beabsichtige, sich geschlechtlich zu erregen. Berücksichtigt man nämlich verfahrensvorschriftenkonform die bezughabenden Urteilskonstatierungen (US 5 zweiter Absatz) im gebotenen Zusammenhang mit der gesamten ausführlichen Beweiswürdigung (US 8 erster und zweiter Absatz) und mit den Rechtsausführungen (US 10 dritter Absatz), ergibt sich zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), denkmöglich, lebensnah - somit insgesamt formal mängelfrei - begründet, aus welchen aktenmäßig gedeckten Tatsachen die Erkenntnisrichter zum kritisierten Ergebnis gekommen sind.

Demnach liegt kein formeller Begründungsfehler vor.

Auch die ausschließlich gegen den Schuldspruch laut 2.a und b des Urteilssatzes ergriffene Beweisrüge (Z 5a) ist unbegründet.

Welche Kleidung Melanie T***** bei den zwei in Beschwerde gezogenen unzüchtigen Angriffen des Angeklagten getragen hat, ist fallbezogen unwesentlich, also weder für die Schuld noch für den anzuwenden Strafsatz von Bedeutung. Wenngleich das Unzuchtsopfer an mehreren Stellen ganz allgemein von einer "Reithose" (vgl 73, 74, 116, 117, 123), einmal konkret mit Ledereinsatz (vgl 121) spricht, ist daraus für die in der Beschwerde problematisierte Frage, "ob die dem weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartie des Opfers und des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige oder oberflächliche Berührung gebracht wird", nichts gewonnen; spricht doch Melanie T***** in diesem Zusammenhang wiederholt von einem längeren, absichtlichen, gewollten und starken Hingreifen und starken Anfassen des Angeklagten (116, 122 f). Sich aus den Akten ergebende Bedenken, geschweige denn solche erheblicher Art, gegen die festgestellte objektive Tatseite der in Frage kommenden Schuldspruchsfakten werden allein mit diesem Argument jedenfalls nicht erweckt.

Die - gleichfalls nur die Schuldspruchsfakten 2.a und b berührende - Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung des angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes. Hiefür wäre nämlich ein striktes Festhalten am gesamten konstatierten Urteilssachverhalt und der Nachweis auf dessen Basis erforderlich, daß und inwiefern dem Erstgericht bei der Lösung der Rechtsfrage ein Feststellungsmangel und/oder ein rechtlicher Fehler unterlaufen ist (Mayrhofer aaO § 281 E 26, 28, 30; § 281 Z 9 E 5, 6).

Diesen prozessualen Geboten zuwider behauptet der Beschwerdeführer einerseits urteilsfremd (vgl insbesonders US 10 vorletzter Satz des zweiten Absatzes), es habe sich um "lediglich flüchtige und oberflächliche Berührungen" seinerseits gehandelt, wobei es völlig verständlich und lebensnah sei, daß Melanie T***** "im Bereich der Beine" berührt werden müsse, wenn man ihr auf das Pferd helfe, weshalb - abermals entgegen den anders lautenden Urteilsfeststellungen - der Tatbestand in objektiver und subjektiver Beziehung nicht erfüllt sei.

Andererseits wird nur apodiktisch eingewendet, das Urteil unterlasse die notwendigen Feststellungen hinsichtlich der Kleidung der Zeugin Melanie T*****, um das Verhalten des Angeklagten auf ihre strafrechtliche Relevanz hin überprüfen zu können. Eine - wie erwähnt - prozessual gebotene sachliche Argumentation, warum die Kleidung vorliegend relevant sein soll, bleibt die Rechtsrüge jedoch schuldig.

Sonach war der Nichtigkeitsbeschwerde, deren Stoßrichtung insgesamt - nach Art einer gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung - bloß gegen die (in einer Gesamtschau aller Verfahrensergebnisse) als glaubwürdig beurteilte Aussage der Zeugin Melanie T***** gerichtet ist, teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sogleich zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285i StPO).

Rechtssätze
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