JudikaturJustiz15Os111/16m

15Os111/16m – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafvollzugssache des Fatih G*****, über den auf den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. März 2016, GZ 181 BE 118/15 20, bezogenen Antrag des Generalprokurators auf außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26. März 2014, AZ 143 Hv 176/13w, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilte Fatih G***** wurde nach Verbüßung eines Strafteils von 16 Monaten mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 11. August 2015, GZ 181 BE 118/15v 11, am 22. September 2015 gemäß § 46 Abs 2 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren sowie unter Anordnung der Bewährungshilfe und der Erteilung der Weisung, eine stationäre Therapie anzutreten und über diese alle drei Monate eine Bestätigung zu übersenden, mit einem Strafrest von acht Monaten bedingt entlassen.

Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. März 2016 (ON 20) wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft die G***** mit oben genanntem Beschluss gewährte bedingte Entlassung widerrufen und der Vollzug des Strafrests angeordnet.

Das Vollzugsgericht ging in der – nur gegenüber der Staatsanwaltschaft in Rechtskraft erwachsenen, dem bedingt Entlassenen indes noch nicht zugestellten (vgl ON 20 S 4) – Entscheidung im Wesentlichen davon aus, dass G***** unmittelbar nach der Entlassung „untergetaucht“ sei und sich weder bei der Bewährungshilfe noch bei der Therapieeinrichtung gemeldet und sich überdies der polizeilichen Meldepflicht entzogen habe, weshalb es die Voraussetzungen des § 53 Abs 2 zweiter Fall StGB als gegeben erachtete (BS 2).

Nach dem am 19. April 2016 im Vollzugsakt eingelangten Bericht der LPD Wien (ON 23) wurde G***** am 24. September 2015 in die Türkei abgeschoben und mit einem zehnjährigen Einreiseverbot belegt.

Der Generalprokurator beantragt nun im außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Verfahrens über den Widerruf der bedingten Entlassung, weil aufgrund des genannten Berichts gegen die Richtigkeit der im Widerrufsbeschluss vom 10. März 2016 getroffenen Annahmen, der bedingt Entlassene habe sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzogen, erhebliche Bedenken bestünden, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler anzulasten wäre. Dem könne durch – bei nicht urteilsmäßiger Erledigung analoge – Anwendung der Bestimmungen über die außerordentliche Wiederaufnahme gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO Abhilfe geschaffen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Zwar ist es zutreffend, dass § 362 Abs 1 Z 2 StPO analog auch auf Entscheidungen, die nicht in Urteilsform ergehen, angewendet werden kann, doch findet dies nach Rechtsprechung und Lehre (RIS Justiz RS0117416; Fabrizy , StPO 12 § 362 Rz 3; Ratz , WK StPO § 292 Rz 16, § 362 Rz 4) nur bei „letztinstanzlichen“ Entscheidungen statt, setzt also deren Rechtskraft voraus. Für eine Ausweitung der analogen Anwendung des subsidiären Rechtsbehelfs (vgl Fabrizy , StPO 12 § 362 Rz 1) – wie von der Generalprokuratur intendiert – auch auf einen – wie hier – noch mit Beschwerde anfechtbaren erstinstanzlichen Beschluss besteht keine Notwendigkeit. Zumal im Beschwerdeverfahren kein Neuerungsverbot gilt (§ 89 Abs 2b StPO), kann nämlich dem Umstand, dass die Entscheidung auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage erging, noch im Instanzenzug Rechnung getragen werden.

Der Antrag des Generalprokurators war daher abzuweisen.