JudikaturJustiz15Os109/04

15Os109/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Oktober 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Beata H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten György D***** gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht St. Pölten vom 27. Mai 2004, GZ 13 Hv 43/04t 96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden und auch einen rechtskräftigen Schuldspruch der Beata H***** beinhaltenden Urteil wurde György D***** der Verbrechen des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in zwei Fällen durch die Aufforderung, zwecks Geldbeschaffung eine Bank zu überfallen, Beata H***** dazu bestimmt, unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anderen Bargeld mit dem Vorsatz abzunötigen, sich und D***** durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1./ am 9. Dezember 2003 in Kierling, wobei sie dem Filialleiter der Bank Austria Creditanstalt, Reinhard M*****, unter der Vorgabe, eine Bombe bei sich zu haben, und unter Einsatz eines Tränengassprays gegen die Bankangestellten 9.250 Euro abnötigte, sowie

2./ am 30. Dezember 2003 in Gablitz, wobei sie der Angestellten der Raiffeisenbank, Eleonore G*****, unter Androhung der Zündung einer Handgranate und unter Bedrohung der Angestellten mit einer Schreckschusspistole 16.215 Euro abnötigte,

wobei er dadurch, dass er der Genannten die Drohbriefe vorschrieb, ihr eine Bombenattrappe sowie einen Tränengasspray und eine Schreckschusspistole übergab, in unmittelbarer Nähe der Tatorte auf sie wartete und Aufpasserdienste leistete, auch zur Ausführung der Taten beitrug.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D*****; sie schlägt fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurde durch die Unterlassung der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung der Sache nach beantragten Unterbrechung (oder Vertagung) der Hauptverhandlung zwecks Enthebung der Verteidigerin und Bestellung eines Verteidigers "seines Vertrauens" keine Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden fairen Verfahrens geboten gewesen wäre. Denn es besteht kein Anspruch des Angeklagten - der im Rahmen der Bevollmächtigung eines Wahlverteidigers von seinem Recht auf freie Wahl des Verteidigers Gebrauch machen kann (§ 39 Abs 1 StPO) - im Rahmen einer Verteidigerbestellung nach § 41 Abs 2 oder 3 StPO einen Rechtsanwalt, der an die Unschuld des Angeklagten glaubt, beigegeben zu bekommen. Auch ein nicht an die Unschuld des Angeklagten glaubender Verteidiger hat ausschließlich dessen Interessen wahrzunehmen und auf dessen Entlastung hinzuwirken ( Achammer , WK StPO § 39 Rz 3, 15), sodass hiedurch per se keine Verletzung des Angeklagten in seinem Recht auf wirksame Verteidigung iSd Art 6 Abs 3 lit c EMRK gegeben ist. Dass die Verteidigerin nicht an die Unschuld des Angeklagten glaube und jener daher kein Vertrauen zu ihr habe, ist somit kein vom Gericht zu beachtender Unterbrechungs- oder Vertagungsgrund, zumal hierin auch kein (von der Rechtsanwaltskammer wahrzunehmender) Grund zur Enthebung des Verteidigers liegt (vgl § 45 Abs 4 RAO), weshalb eine - zB im Fall der Darlegung einer gröblichen Vernachlässigung der Pflichten oder offenkundiger Mängel bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Verteidigers (vgl Achammer , WK StPO § 42 Rz 11 ff) aber gebotene - Unterbrechung (oder Vertagung) der Hauptverhandlung zum Abwarten der Entscheidung der Rechtsanwaltskammer nicht vorzunehmen war.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) behauptet, die den (vor der Sicherheitsbehörde und bei seiner ersten Vernehmung durch den Untersuchungsrichter noch in Richtung §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB zu beiden Taten geständigen, in der Folge aber gänzlich leugnenden) Beschwerdeführer belastenden Angaben der Mitangeklagten Beata H***** seien unglaubwürdig, denn es sei unplausibel, dass der über gute Deutschkenntnisse verfügende Angeklagte den in schlechtem Deutsch gehaltenen Text des zu 1./ verwendeten Drohbriefs verfasst habe, dass der Angeklagte ihr verboten habe, über ihren Beuteanteil aus diesem Raub zu verfügen, dass er eine Liebesbeziehung zu ihr gehabt habe, obwohl sie als Prostituierte einen Zuhälter gehabt habe und ihr eine Verletzung der Hand des Angeklagten nicht aufgefallen sei. Lebensfremd sei auch, dass der Angeklagte einerseits nach den Darstellungen von Interpol Budapest als Person in führender Position eines organisierten Verbrechens angesehen werde, sich andererseits aber "unmittelbar an einem Verbrechen beteiligt und in der Nähe des Tatorts aufhält"; ein "Pate" setze sich der Gefahr seiner Betretung nicht aus. Damit vermag die Beschwerde jedoch keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, aus den Akten abzuleitende (im Lichte der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse zu prüfende) erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen, sondern erschöpft sich lediglich in eigenen spekulativen Plausibilitätserwägungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen 285d Abs 1 Z 2 iVm § 344 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i iVm § 344 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.