JudikaturJustiz15Os100/17w

15Os100/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Maria W***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 12. Juni 2017, GZ 27 Hv 21/17s 56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Maria W***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 2. Juli 2016 in L***** Günter H***** „durch einen einzelnen Messerstich mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 15 cm in dessen Brustkorb im Bereich zwischen der dritten und vierten Rippe brustbeinnahe links, der zu einer Stichverletzung mit Durchsetzung des linken Lungenoberlappens und einer Anstichverletzung des linken Lungenlappens führte, wodurch er nach innen und außen verblutete“, getötet.

Die Geschworenen haben die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes (§ 75 StGB) gestellte Hauptfrage bejaht und die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) verneint, die Eventualfragen nach den Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (§ 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB) und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86 Abs 2 StGB) sowie nach den Vergehen der fahrlässigen Tötung (§ 80 Abs 1 StGB) und der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) blieben demgemäß unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 6 und 9 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten; diese verfehlt ihr Ziel.

Die eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) vermissende Fragenrüge (Z 6) lässt die gebotene Ausrichtung am Verfahrensrecht vermissen. Zur prozessförmigen Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes hätte es nämlich des Hinweises auf ein die begehrte (hier: Eventual-)Frage indizierendes Sachverhaltssubstrat bedurft, wobei ein Sachverhalt der nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung als ernst zu nehmendes Indiz von vornherein ausscheidet, für die Zulässigkeit nicht genügt (RIS Justiz RS0100860 [T1]).

Diese Kriterien verfehlt das Rechtsmittel, indem es lediglich auf eine Aussage der gerichtspsychiatrischen Sachverständigen („Ein typisches Impulsdelikt kann auch vorsätzlich sein“; ON 51 S 35) verweist und die Verantwortung der Angeklagten, wonach sie am Tattag „erheblich Tabletten und Alkoholmissbrauch begangen“ habe, wiederholt. Denn damit wird kein Verfahrensergebnis bezeichnet, das einen allgemein begreiflichen tiefgreifenden Affekt zur Tatzeit (RIS Justiz RS0092271) und einem während dessen entstandenen Tötungsentschluss der Angeklagten indizieren würde (vgl 15 Os 64/14x).

Nichtigkeit aus Z 9 liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen – also der Wahrspruch – undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist, wenn also trotz undeutlicher oder widersprüchlicher Feststellungen oder fehlender Antworten zu entscheidenden Tatsachen den Geschworenen die Verbesserung des solcherart mangelhaften Wahrspruchs nicht aufgetragen wurde oder der Auftrag ohne Erfolg blieb (RIS Justiz RS0123182). Der Nichtigkeitsgrund kann ausschließlich aus dem Wahrspruch der Geschworenen selbst abgeleitet werden, nicht aber aus der vom Obmann der Geschworenen gemäß § 331 Abs 3 StPO zu verfassenden Niederschrift (RIS-Justiz RS0100945). Ein Widerspruch zwischen Niederschrift und Wahrspruch ohne Verbesserungsauftrag ist unter dem Aspekt der Nichtigkeitsgründe bedeutungslos (RIS-Justiz RS0118546).

Mit der Behauptung, die Erwägungen der Geschworenen in der Niederschrift seien nicht nachvollziehbar und nicht geeignet „zur äußeren Tatseite noch zur inneren Tatseite Bezug zu nehmen“, bezieht sich die Beschwerdeführerin der Sache nach gar nicht auf den Wahrspruch, sondern auf die – hier unanfechtbare – Beweiswürdigung der Geschworenen. Dass ihr deren – im Übrigen unbedenklichen – Überlegungen („Wucht und Tiefe des Stiches in den Brustkorb“; „Keine Abwehrverletzungen beim Opfer und Täter[in]“) nicht überzeugend erscheinen, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her.

Schließlich wird auch mit dem Vorbringen, der Verteidiger habe bereits „bei der Fragestellung darauf hingewiesen, dass die Frage zur inneren Tatseite von erheblicher Bedeutung“ sei (vgl ON 55 S 10), vom Schwurgerichtshof sei sie jedoch „nicht mit den Geschworenen ausreichend behandelt“ worden, kein Nichtigkeitsgrund prozessförmig zur Darstellung gebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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