JudikaturJustiz14Os74/04

14Os74/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juli 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang L***** wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 78 zweiter Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 22. April 2004, GZ 8 Hv 38/03p-42, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang L***** des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§ 78 zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er sich am 22. Juni 2002 in Braunau am Inn, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand dem Josef H***** dadurch Hilfe zum Selbstmord geleistet, dass er einen Kanister mit Benzin holte, womit sich Josef H***** übergoss und anzündete, somit im Rausch eine Handlung begangen, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen der Mitwirkung am Selbstmord nach § 78 zweiter Fall StGB zugerechnet würde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht. Als Undeutlichkeit bezeichnet die Mängelrüge (Z 5) die Tatsache, dass zwar beim Angeklagten, nicht jedoch bei Josef H***** ein "Vollrausch" angenommen wurde. Hätte das Erstgericht - argumentiert die Beschwerde - die eingeschränkte Willensfreiheit des Josef H***** berücksichtigt, läge mangels Freiwilligkeit kein Selbstmord vor.

In diesem Punkt ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zugunsten des Angeklagten ausgeführt, weil im Hinblick auf den festgestellten Vorsatz bei Nichtvorliegen einer selbstverantwortlichen Selbsttötung eine Haftung nach § 75 StGB zum Tragen käme (Moos in WK2 Rz 19; Leukauf/Steininger Komm3 RN 6 jeweils zu § 78), ihm vorliegend also weiterhin das Vergehen nach § 287 Abs 1 StGB, allerdings in Beziehung auf § 75 StGB anzulasten wäre.

Weder die weiter behauptete Undeutlichkeit noch eine Unvollständigkeit liegen vor, weil das Gericht - nach Meinung des Rechtsmittels - "sonstige Nebenumstände" der Aussage des Zeugen W***** nicht erörtert hat. Ein Begründungsfehler bewirkt nämlich nur dann Nichtigkeit, wenn er entscheidende Tatsachen betrifft. Dies ist aber bei dem Umstand, ob (auch) über das Anzünden eines Baumes gesprochen wurde, nicht der Fall.

Eine Aktenwidrigkeit hinwider ist nur dann gegeben, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467). Dass "im gesamten Akt von einem ernstzunehmenden Selbstmordbeschluss nicht die Rede sei", stellt demnach keine solche Aktenwidrigkeit dar. Keiner Erörterung durch die Tatrichter bedurfte die Tatsache, dass der Zeuge Johann W***** die Gespräche zwischen dem Angeklagten und Josef H***** über einen gemeinsamen Selbstmord nicht ernst nahm, weil es sich dabei um keine von ihm wahrgenommenen und wiedergegebenen objektiven Tatsachen, sondern nur um eine subjektive Schlussfolgerung handelte. Dasselbe gilt für die von den Zeugen Werner F***** und Michaela Fe***** bekundeten eigenen Schlüsse. Dass nämlich die am Tatort liegende Decke bereits von vornherein zum Ersticken der Flammen bestimmt war, ist lediglich eine durch keinen objektiv wahrgenommenen Umstand begründete Annahme.

Das Verhalten des Angeklagten nach dem Vorfall (Holen eines Kübels Wasser) betrifft keine entscheidungswesentliche Tatsache. Auch der behauptete innere Widerspruch liegt nicht vor. Das Fehlen des biologischen Schuldelements schließt nämlich den Vorsatz bei der Rauschtat nicht aus. Diesen hat das Erstgericht logisch einwandfrei in einem Umkehrschluss aus der Verantwortung des Angeklagten abgeleitet (US 5).

Ein Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) neuerlich die Dispositionsfähigkeit des verstorbenen Josef H***** bezweifelt, ist sie aus den eingangs dargelegten Gründen nicht zugunsten des Angeklagten ausgeführt. Im Übrigen behauptet sie bloß unter Hinweis auf die Ausführungen zu Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, ansonsten substanzlos, "in den Akten fänden sich erhebliche Bedenken" gegen die Überzeugung des Erstgerichtes. Durch den Verweis auf die Argumente der Mängelrüge versucht der Beschwerdeführer aber inhaltlich lediglich, aus den Beweisergebnissen andere Schlüsse zu ziehen als das Erstgericht, bekämpft damit die Beweiswürdigung unzulässig nach Art einer Schuldberufung, vermag aber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.