JudikaturJustiz14Os68/14b

14Os68/14b – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. August 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zillinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mohammad S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom 20. März 2014, GZ 13 Hv 168/13v 55, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Mohammad S***** soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Juli 2013 in M***** Abbas A***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm mit einem Messer mit einer Klingenlänge von zumindest zehn Zentimetern in den linken Unterbauch stach, wodurch dieser dort eine sieben Millimeter breite und sechs Zentimeter tiefe Stichverletzung erlitt, und, als A***** verwundet nach hinten taumelte und rücklings am Bett zu liegen kam, abermals auf ihn losging, wobei es beim Versuch blieb, weil es Reza H***** und Rajab Al***** gelang, den Angeklagten von A***** loszureißen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 9 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Indem die Undeutlichkeit und Widersprüchlichkeit des Wahrspruchs zur Hauptfrage 1 reklamierende Rüge - unter Bezugnahme auf die Streichung der Passage „(zu ergänzen: und ihm eine) sechs Zentimeter lange Schnittwunde im linken Halsbereich zufügte“ nach der Wendung „abermals auf ihn losging“ - bloß behauptet, es sei unklar, ob die Geschworenen von einem zweiten Angriff des Angeklagten ausgingen, und „jedenfalls denkunlogisch“, dass dem Opfer zwar keine weitere Verletzung zugefügt worden sei, aber ein zweiter Angriff stattgefunden habe, legt sie - mit Blick auf die von den Geschworenen unter einem bejahte Frage nach dem mit Tötungsvorsatz geführten Stich gegen den Unterbauch des Genannten - nicht prozessordnungskonform dar, weshalb ihre Einwände eine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache betreffen sollen (RIS-Justiz RS0120126, RS0127374, RS0122006; Ratz , WK StPO § 345 Rz 70 und § 281 Rz 443). Im Übrigen lässt die Beschwerde auch offen, warum die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen undeutlich sein oder nach den Denkgesetzen einander ausschließen und daher nicht nebeneinander bestehen können sollten (vgl RIS-Justiz RS0100971, RS0101003).

Soweit die Rüge einen Widerspruch zwischen der Beantwortung der Hauptfrage 1 und der in Richtung Notwehr (§ 3 Abs 1 erster Satz StGB) sowie Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB) gestellten - von den Geschworenen verneinten - Zusatzfrage behauptet und vermeint, letztere hätte nur „entsprechend der Streichung in der Hauptfrage 1“ beantwortet werden können, orientiert sie sich nicht am Gesetz, das eine teilweise Verneinung von Fragen nicht gestattet (§ 330 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0100786) und nur das Vorliegen der gesetzlichen Kriterien von Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründen,  nicht jedoch sachverhaltsbezogene Konkretisierungen oder gar wiederholte Feststellungen zu einer Hauptfrage zum - solcherart entscheidungswesentlichen - Gegenstand einer Zusatzfrage nach § 313 StPO macht (vgl RIS-Justiz RS0117501; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 619; Schindler , WK StPO § 313 Rz 23).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
7
  • RS0122006OGH Rechtssatz

    17. April 2024·3 Entscheidungen

    Soweit in früherer Rechtsprechung unter dem Begriff des „fortgesetzten Delikts" (nach Maßgabe zuweilen geforderter, indes uneinheitlich gehandhabter weiterer Erfordernisse) mehrere den gleichen Tatbestand (ob versucht oder vollendet) erfüllende, mit einem „Gesamtvorsatz" begangene Handlungen zu einer dem Gesetz nicht bekannten rechtlichen Handlungseinheit mit der Konsequenz zusammengefasst wurden, dass durch die je für sich selbständigen gleichartigen Straftaten doch nur eine einzige strafbare Handlung begründet würde, hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfigur der Sache nach bereits mit der Bejahung ihrer prozessualen Teilbarkeit durch die Grundsatzentscheidung SSt 56/88 = EvBl 1986/123 aufgegeben. Seither reduziert er deren Bedeutung auf den unverzichtbaren Kernbereich der der Rechtsfigur zugrunde liegenden Vorstellung, den er als tatbestandliche Handlungseinheit bezeichnet. In der Anerkennung des Fortsetzungszusammenhangs bloß nach Maßgabe tatbestandlicher Handlungseinheiten liegt gezielte Ablehnung einer absoluten Sicht des fortgesetzten Delikts und ein Bekenntnis zur deliktsspezifischen Konzeption. Denn der Unterschied zwischen der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts und der tatbestandlichen Handlungseinheit besteht darin, dass die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aus dem allgemeinen Teil des materiellen Strafrechts abgeleitet wird, die der tatbestandlichen Handlungseinheit aber gleichartige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammenfasst. Die Kriterien einer Zusammenfassung können demnach durchaus deliktsspezifisch verschieden sein, ohne dass daraus das ganze Strafrechtssystem erfassende Widersprüche auftreten. Von einer tatbestandlichen Handlungseinheit spricht man im Anschluss an Jescheck/Weigend5 (711ff) bei einfacher Tatbestandsverwirklichung, also der Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten (tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn) und dort, wo es nur um die Intensität der einheitlichen Tatausführung geht (SSt 56/88), demnach bei wiederholter Verwirklichung des gleichen Tatbestands in kurzer zeitlicher Abfolge, also bei nur quantitativer Steigerung (einheitliches Unrecht) und einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden, sowie bei fortlaufender Tatbestandsverwirklichung, also der Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, etwa beim Übergang vom Versuch zur Vollendung oder bei einem Einbruchsdiebstahl in zwei Etappen (tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn).