JudikaturJustiz14Os59/21i

14Os59/21i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Csencsits in der Strafsache gegen ***** H***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 3. März 2021, GZ 12 Hv 29/20f 23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** H***** – soweit hier relevant – des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 erster Fall StGB (1) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 erster und (richtig) dritter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im Frühjahr oder Sommer 2012 in T*****

1/ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der 2001 geborenen, mithin zum Tatzeitpunkt unmündigen, ***** U***** vorgenommen und von dieser an sich vornehmen lassen, indem er sie aufforderte, sich die Hose hinunter zu ziehen, auf die Couch zu setzen und ihre Beine zu spreizen, in weiterer Folge ihre Knie auseinander schob, sich vor sie kniete und sie mit seiner Zunge an ihrer unbekleideten Scheide leckte, sich im Anschluss neben sie auf die Couch setzte und sie ihn über seine Aufforderung bis zum Samenerguss mit ihrer rechten Hand an seinem Penis befriedigte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung des Opfers, nämlich eine länger als 24 Tage andauernde posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte;

2/ durch die zu 1/ beschriebenen Handlungen mit U*****, die als Tochter seiner Lebensgefährtin seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die kritisierte Abweisung von Beweisanträgen Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

[5] Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen kommt ausschließlich dem Gericht zu (§ 258 Abs 2 StPO). Die vom Beschwerdeführer beantragte Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens ist nur in besonders gelagerten Fällen erforderlich, etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Sicht, bei in der Hauptverhandlung zutage getretenen Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten, die ein für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit erforderliches Fachwissen verlangen, das bei den Mitgliedern des erkennenden Senats nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann (RIS Justiz RS0097733). Mit der bloßen Behauptung von Ungereimtheiten in den Aussagen des Opfers (vgl ON 22 S 26) legte der Antrag eine solche Ausnahmekonstellation für eine sachverständige Hilfestellung bei der Glaubwürdigkeitsprüfung nicht dar. Auf in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Antragsfundierung nachgetragene Argumente war wegen des Neuerungsverbots nicht einzugehen (RIS Justiz RS0099618).

[6] Der Antrag auf „Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die aktenkundige posttraumatische Belastungsstörung bzw bipolare Störung nicht in Zusammenhang mit den dem Angeklagten vorgeworfenen Tathandlungen steht“, sondern darauf zurückzuführen sei, dass die Mutter des Opfers „nicht mit der Trennung vom Angeklagten fertig geworden ist und mit dem Haushalt und den Kindern überfordert war“ (ON 22 S 26), legte nicht dar, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erbringen sollen und war demnach auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet. Dies wäre umso eher geboten gewesen, als im Antragszeitpunkt in die Gegenrichtung weisende Beweisergebnisse vorlagen (Krankenunterlagen betreffend das Opfer [ON 5 S 87 und ON 7 S 3 ff] und Angaben des Zeugen ***** K***** zum Verhalten und zu Äußerungen des Opfers bei Alpträumen [ON 22 S 15 f]), bloße Mitkausalität des Täterverhaltens für die strafrechtliche Zurechnung der schweren Verletzungsfolge genügt (RIS Justiz RS0091997 [T2]) und für den Fall fehlender Zustimmung des Opfers zur Exploration (vgl RIS Justiz RS0108614) bloß „ein Sachverständigengutachten auf Basis der Aktenlage“ beantragt wurde (RIS Justiz RS0099453 [insbesondere T1 und T17]).

[7] Die begehrte zeugenschaftliche Vernehmung von ***** G***** „zum Beweis dafür, dass zu“ deren Kindern „stets ein gutes Verhältnis gegeben gewesen ist und es nie Anzeigen für allfällige Missbrauchshandlungen durch den Angeklagten gegeben“ habe (ON 22 S 26), betraf kein (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) erhebliches Thema, was Voraussetzung erfolgreicher Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO wäre (RIS-Justiz RS0118319).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[10] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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