JudikaturJustiz14Os58/23w

14Os58/23w – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * E* wegen des Verbrechens nach § 3h VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 11. April 2023, GZ 613 Hv 10/22b 19, sowie die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, Urteil wurde * E* des Verbrechens nach § 3h VG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er öffentlich in einem Medium den nationalsozialistischen Völkermord geleugnet, indem er am 14. Jänner 2022 in W* in einem Gruppenchat mit dem Namen „OutoftheBoxTV_DerlrrsinnhatProgramm“ in der Applikation Telegram ein Video veröffentlichte, zeigend folgendes Zitat: „Der jüdische Oberrabbiner Arye Friedmann sagt: 'Der Holocaust ist eine gelungene historische Fiktion.', gefolgt von einem Interview mit dem Inhalt: Der jüdische Professor Robert DeMarco sagte: 'Ich weiß, dass auf dieser Konferenz der Holocaust komplett gefälscht wurde, weil es ein Märchen ist. Es handelt sich um ein einfaches technisches und arithmetisches Problem. Es könnte von einem Kind in einer Highschool gelöst werden. Nun, jeder Chemiker weiß, dass man Menschen nicht vergasen kann mit Zyanidsäure, aber? Und schon gar nicht mit Zyklon B, von 1.000 oder 2.000 Personen in so einer Zeit. Es ist bekannt und sogar, dass die bekannteste wichtige jüdisch amerikanische Zeitung 'Liner' im Jüdischen Jahrbuch schrieb, dass es drei Millionen dreitausend Juden im besetzten Europa 1942 gab. Ich verstehe also nicht, wie sie sechs Millionen Juden hätten umbringen sollen, wenn es vorher nur drei Millionen waren. Ich denke also, das kann jeder sehen. Ich war 1944 nicht gelistet. Ich wurde 1944 verwundet und 1945 war es beendet. Aber ich war nicht hier, ich weiß. Es ist eine Quote, die sie brauchen, um Hitler als grauenhaftes Monster darzustellen und alle sagten, er sei eins, aber da ich untersuchte, was da geschah und was Hitler tun wollte. Und haben sie seine Bücher gelesen, war da irgendjemand, der 'Mein Kampf' gelesen hat, oder den 'Mythos im 20.Jahrhundert'? Dem war nicht so und wissen sie, was genau genommen passiert ist? Die letzten 50 Jahre? Damit hatte Hitler absolut nichts zu tun, er hatte nicht den geringsten Einfluss, denn Hitler war seit 50 Jahren tot. Wenn wir also sehen, was passiert und was passiert ist, das habe ich in meinem Vortrag gezeigt, ist absolut unglaublich und oben auf allem, von dem was sie sehen können, die Juden. Ich sagte Ihnen, dass ich mit den Büchern begonnen habe. Wirklich ausdrucksstark, nichts was es zu bemängeln gäbe. 'Mein Kampf' und die 'Mythen des 20.Jahrhunderts'. Da steht alles drin, was passiert ist während dem Krieg und vor allem, was Hitler tatsächlich getan hat, was verschwiegen wird. Es wird uns vorenthalten, was er in Deutschland gemacht hat. Alle wissen nur, dass er angeblich sechs Millionen von uns getötet hat und von den Gaskammern, den Nummerierungen, das ist alles, das Einzigste, was die Menschen über Hitler wissen, aber wenn man wirklich weiß, dass es das ist, was er tat, was er in Deutschland gemacht hat. Nun, wenn sie alles studiert haben, werden sie sehen, dass wir vollständig..vollständig in die Irre geleitet wurden.“ beendet durch die Einblendung eines Zitats von Stephen F. Pinter, wonach dieser als Rechtsanwalt für das Kriegsministerium der Vereinigten Staaten nach dem Krieg in Dachau gewesen sei und bestätigen könne, dass es dort und in ganz Deutschland keine Gaskammern gegeben habe, sondern es sich in Dachau tatsächlich um ein Krematorium gehandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5, 6, 7, 8, 10a und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Der von der Verfahrensrüge (Z 4) behauptete nichtigkeitsbegründende Verstoß gegen § 221 Abs 2 StPO, weil der Verteidigerin eine „angemessene Vorbereitungsfrist“ nicht gewährt worden sei, liegt nicht vor. Die Ladung zur Hauptverhandlung wurde der Verteidigerin am 29. März 2023 zugestellt, sodass mit Blick auf die Hauptverhandlung am 11. April 2023 die in § 221 Abs 2 StPO gegenständlich maßgebliche Frist von zumindest acht Tagen gewahrt wurde. Mit dem Vorwurf, der Verteidigerin sei durch die geringe Vorbereitungszeit die Möglichkeit der Erstattung einer schriftlichen Gegenäußerung und der Stellung von Beweisanträgen (§ 222 Abs 1 und 3 StPO) genommen worden, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt (RIS Justiz RS0099118; vgl auch RS0097967 [ab T5]).

[5] Entgegen der aus Z 5 erhobenen Verfahrensrüge wurden durch die Abweisung des vom Angeklagten gestellten Antrags auf Vertagung der Hauptverhandlung, weil der Verteidigerin die Anklageschrift samt Ladung „am 30.03 erstmals zugestellt“ worden sei, weshalb zur Vorbereitung der Verteidigung nur sechs Tage geblieben seien, die Verletzung des § 221 StPO behauptet werde und eine gute Vorbereitung mit dem Angeklagten sowie die schriftliche Stellung von Beweisanträgen nicht möglich gewesen sei (ON 18 S 4), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Unter Zugrundelegung der (zuvor dargestellten) Wahrung der Frist des § 221 Abs 2 StPO sowie der Zustellung einer Aktenkopie an die Verteidigerin am 30. März 2023 und mit Blick auf die geringe Komplexität des Verfahrens sowie das Erfordernis der Stellung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung (§ 238 StPO; RIS Justiz RS0099099), wurde nämlich durch das Antragsvorbringen ein Fehlen von ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung iSd Art 6 Abs 3 lit b MRK nicht aufgezeigt. Der (erstmals) in der Beschwerde erhobene Einwand des Fehlens „rechtzeitig ermöglichter Akteneinsicht“ ist mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

[6] Zu Recht abgewiesen (ON 18 S 15 f) wurde auch der vom Angeklagten gestellte Antrag auf „Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Frage der Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit“ (ON 18 S 4). Denn das Begehren legte (schon) auf objektiven Beweisergebnissen beruhende Zweifel über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht dar, weshalb es auf eine im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS Justiz RS0097641 [T15, T17]). Das ergänzende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Fundierung des Beweisantrags ist abermals unbeachtlich.

[7] Eine allfällige Zurechnungsunfähigkeit des Täters ist im geschworenengerichtlichen Verfahren nur dann zum Gegenstand einer Zusatzfrage zu machen, wenn Verfahrensergebnisse Anlass zu Zweifeln an der Schuldfähigkeit des Angeklagten, seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit im konkreten Fall, geben, wenn also im Beweisverfahren für das Vorliegen eines in § 11 StGB beschriebenen, die Dispositionsfähigkeit oder Diskretionsfähigkeit des Angeklagten ausschließenden Ausnahmezustands konkrete Anhaltspunkte hervorgekommen sind (RIS Justiz RS0100527). Mit dem Hinweis einerseits auf ein beim Angeklagten bestehendes Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom und andererseits auf aus Sicht der Verteidigerin bestehende „Auffälligkeiten im Sinne von seelischer Abartigkeit“ bei diesem, weiters eigenen Überlegungen zur Sinnhaftigkeit der Beiziehung eines Sachverständigen spricht die Fragenrüge (Z 6) (schon) keine Verfahrensergebnisse an, die (darüber hinaus) die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würden (vgl auch RIS Justiz RS0089865 [T1]).

[8] Warum in der Hauptfrage 1 „ein (zumindest bedingter) Vorsatz (…) ausdrücklich aufgenommen“ hätte werden sollen, obwohl § 3h VG auf der subjektiven Tatseite keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz (§ 7 Abs 1) StGB abweichenden Vorsatzformen oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangt (§ 7 Abs 1 StGB; vgl dazu RIS Justiz RS0113270), legt die weitere Rüge (Z 6) mit dem Hinweis auf 15 Os 20/06i nicht methodengerecht dar.

[9] Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS Justiz RS0119549).

[10] Die bloße Behauptung, die Rechtsbelehrung sei mangelhaft gewesen, weil „das Gericht keine Rechtsbelehrung (…) über die 'Relevanz der inneren Tatseite'“ gegeben habe, wird diesen Kriterien nicht gerecht. Die damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen über eine „absichtliche Zufügung der Veröffentlichung“ sind nicht verständlich und daher einer Erwiderung nicht zugänglich .

[11] Mit dem pauschalen Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten weckt die Tatsachenrüge (Z 10a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zum Ausdruck kommenden Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0119583 [T5], RS0118780 [insb T16 und T17]).

[12] Soweit die Gesinnung und der Gesundheitszustand des Angeklagten sowie die Glaubwürdigkeit des Zeugen * M* thematisiert werden, übt die Beschwerde bloß in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik. Der von ihr geltend gemachte Zweifelsgrundsatz „in dubio pro reo“ ist im Übrigen nicht Gegenstand der Z 10a (RIS Justiz RS0102162).

[13] Warum der Tatbestand des § 3h VG schon in objektiver Hinsicht nicht erfüllt sein soll, macht die Rechtsrüge (Z 11 lit a) mit dem Vorbringen, dem inkriminierten Video sei kein Leugnen im Sinn eines direkten oder indirekten Abstreitens oder Verneinens des nationalsozialistischen Völkermordes zu entnehmen, nicht klar (vgl dazu aber RIS Justiz RS0090007). Die Behauptung, gegenständlich läge nur der Verwaltungsstraftatbestand des Art III Abs 1 Z 4 EGVG vor, orientiert sich nicht am im Wahrspruch festgestellten Sachverhalt (RIS Justiz RS0101016 [T5]).

[14] Soweit die Rüge (Z 11 lit a) einen Tatvorsatz in Abrede stellt, nimmt sie nicht am Wahrspruch Maß, der die erforderliche subjektive Tatseite unmissverständlich zum Ausdruck bringt, weil zufolge § 7 Abs 1 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, und § 3h VG keine von den Mindesterfordernissen des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichende Vorsatzform verlangt (RIS Justiz RS0113270, RS0089093 [T10, T13]). Die übrigen in diesem Zusammenhang getätigten Ausführungen zum Wesen und zur Verantwortung des Angeklagten erschöpfen sich in Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StGB) Schuldberufung.

[15] Bleibt mit Blick auf die Behauptung, es sei unmöglich, dass der Angeklagte das Video „mit einem spezifischen nationalsozialistischen Vorsatz“ verbreitet habe, anzumerken, dass § 3h VG verwirklicht, wer ohne auf nationalsozialistische Betätigung zielenden Vorsatz dort beschriebene Verhaltensweisen setzt, sodass der dazu im Verhältnis der Exklusivität stehende § 3g VG also gerade nicht erfüllt ist (13 Os 121/21z; Lässig in WK 2 VerbotsG § 3h Rz 5).

[16] Die Behauptung (nominell Z 13), die Freiheitsstrafe sei „unwirksam“, weil die Frage einer möglichen Strafmilderung wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit infolge des beim Angeklagten bestehenden Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndroms mangels Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht geprüft werden könne, zeigt einen Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt auf und ist daher einer Erwiderung nicht zugänglich. Soweit der Nichtigkeitswerber damit eingeschränkte Dispositions- und Diskretionsfähigkeit anspricht, erstattet er bloß ein Berufungsvorbringen (vgl § 34 Abs 1 Z 1 StGB).

[17] Mit dem als „I./ Sachverhalt“ betitelten Vorbringen werden ebenso wenig Nichtigkeitsgründe prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht wie mit der zu VII./ erstatteten Zusammenfassung.

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§§ 344, 285i, 498 Abs 3 StPO).

[19] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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