JudikaturJustiz14Os39/16s

14Os39/16s – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richters Mag. Einberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Gabriele H***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, AZ 28 U 689/04h des Bezirksgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 17. März 2005, GZ 28 U 689/04h 5, und einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Dr. Wallner, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 28 U 689/04h des Bezirksgerichts Salzburg verletzen die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung am 17. März 2005 in Abwesenheit der Beschuldigten § 459 StPO idF BGBl 1975/631.

Dieses Urteil wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 17. März 2005, GZ 28 U 689/04h 5, wurde Gabriele H***** in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bestrafung (vgl ON 3) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in ihrer Abwesenheit erfolgten (ON 4).

Die postalische Zustellung der Ladung der Beschuldigten zur Hauptverhandlung wurde mit Verfügung vom 3. Dezember 2004 (unter Anschluss des Antrags auf Bestrafung und einer Belehrung gemäß § 38 StPO [idF BGBl 1993/526]) an ihrer in der Anzeige vermerkten Wohnadresse in Deutschland mit internationalem Rückschein veranlasst (ON 1 S 1), wobei die Schriftstücke am 29. Dezember 2004 nicht der Beschuldigten, sondern einer anderen an der Abgabestelle anwesenden Person ausgefolgt wurden (siehe den Vermerk „Fam. Angeh.“ auf dem zu ON 4 angeschlossenen internationalen Zustellnachweis). Dass der Beschuldigten die Ladung samt Bestrafungsantrag und Rechtsbelehrung rechtzeitig vor dem Hauptverhandlungstermin zugekommen wären (vgl § 7 Abs 1 ZustG idF BGBl I 2004/10), ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Die mit dem Abwesenheitsurteil verhängte Freiheitsstrafe wurde bislang noch nicht vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Das Vorgehen des Bezirksgerichts Salzburg steht wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach dem im Zeitpunkt der Urteilsfällung in Geltung stehenden § 459 StPO (idF BGBl 1975/631) war in Verfahren vor den Bezirksgerichten die Verhandlung und Urteilsfällung in Abwesenheit des Beschuldigten möglich, wenn dieser (unter anderem) ungeachtet der gehörigen Vorladung nicht erschienen ist.

Die Vorladung des Beschuldigten zur Hauptverhandlung (vgl § 454 StPO idF BGBl 1975/631) war soweit gegenständlich von Bedeutung in jedem Fall (auch) an ihn selbst zu richten und ihm zu eigenen Handen zuzustellen (§ 79 Abs 1 und 4 StPO idF BGBl I 2000/26). Demnach durften solche Sendungen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden (§ 21 Abs 1 ZustG idF BGBl 1982/200 [iVm § 80 Abs 1 StPO idF BGBl 1996/762]).

Die vom Gericht von Amts wegen zu prüfende „gehörige Vorladung“ des Beschuldigten zur Hauptverhandlung lag somit vor, wenn sie (unter anderem) den Voraussetzungen des § 79 StPO (aF) entsprach (vgl RIS Justiz RS0117620).

Wenngleich im gegenständlichen Fall die Übersendung gerichtlicher Urkunden nach Deutschland durch die Post (hier: mit internationalem Rückschein) nach damaliger Rechtslage grundsätzlich zulässig war (Art 52 SDÜ), stellte die Ausfolgung der die Ladung zur Hauptverhandlung enthaltenden Sendung an eine andere Person als die angeführte Empfängerin keine gehörige Vorladung im Sinn des § 459 StPO idF BGBl 1975/631 dar.

Der Einzelrichter des Bezirksgerichts wäre daher verpflichtet gewesen, sich vor Durchführung der Hauptverhandlung und Fällung des Urteils davon zu überzeugen, dass der Beschuldigten die Sendung tatsächlich (rechtzeitig [§ 455 Abs 1 StPO idF BGBl 1993/526]) zugekommen ist, weshalb die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in Abwesenheit der zur Verhandlung nicht gehörig geladenen Beschuldigten § 459 StPO idF BGBl 1975/631 verletzt (vgl RIS Justiz RS0128226).

Nicht auszuschließen ist, dass die Gesetzesverletzung zum Nachteil der Verurteilten wirkte, weshalb sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).