JudikaturJustiz14Os38/02

14Os38/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Josef W***** wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Einzelrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30. und 31. August 2001, GZ 17 Hv 1.022/01x-36, 38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Holzleithner, sowie des Verteidigers Mag. Miklautz, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 17 Hv 1.022/01x des Landesgerichtes Klagenfurt verletzen die Beschlüsse des Einzelrichters dieses Gerichtes vom 30. und 31. August 2001, ON 36 und 38, das Gesetz in den gemäß § 90b StPO sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des § 90a Abs 1 und Abs 2 Z 2 StPO.

Text

Gründe:

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Juli 2000 (ON 2) brachte Karl Dieter K***** bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eine Sachverhaltsdarstellung betreffend Rechtsanwalt Dr. Josef W***** wegen des Verdachtes des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB ein. Dr. W***** habe am 22. Dezember 1998 den wegen des Verdachtes des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mord nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt in Untersuchungshaft angehaltenen Anzeiger aufgesucht und sei bei dieser Vorsprache (zusätzlich zu dem bereits als Verteidiger ausgewiesenen Rechtsanwalt Dr. E*****) mit der Verteidigung beauftragt worden. Unter einem sei eine schriftliche "Kostenvereinbarung" mit folgendem Inhalt abgeschlossen worden: "Ich anerkenne ein Honorar Dris. W***** von 500.000 S. Im Erfolgsfall (Freispruch) ein Erfolgshonorar in der Höhe von 2 Mio S" (Beilage ./A der Sachverhaltsdarstellung).

Dr. W***** habe jedoch in weiterer Folge für seine Tätigkeit bis zum 15. Feber 1999 einen Betrag von 1,177.609,60 S in Rechnung gestellt (Kostenverzeichnis S 13). Unter Abzug des dabei als "Akontozahlung" bezeichneten Eingangs von 500.000 S sei ein Betrag von 677.609,60 S eingefordert worden, wobei Kommissionen vom 21. und 28. Jänner sowie vom 15. Feber 1999 doppelt verrechnet worden seien, obwohl es weder notwendig noch im Auftrag beinhaltet gewesen sei, einen Konzipienten zu den Besuchen im Gefangenenhaus mitzubringen. In der Folge habe der Verdächtige auch Tätigkeiten vom 4. bis 25. März 1999 in Rechnung gestellt und insgesamt 1,481.289,60 S gefordert. Die Ehefrau des Anzeigers, Eveline K*****, habe Dr. W*****, der es unterlassen habe, sie über die am 22. Dezember 1998 getroffene Pauschalvereinbarung zu informieren, die geltend gemachten Beträge übergeben. Auf Grund dieser Anzeige beantragte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt am 16. August 2000 beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Klagenfurt Vorerhebungen gegen Dr. Josef W*****.

Karl Dieter K***** wurde im Jahr 2000 enthaftet, das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Der beigezogene Sachverständige für anwaltliches Honorarrecht Dr. Kurt D***** kam in seinem Gutachten vom 25. April 2001 (ON 22) ua zum Ergebnis, Dr. W***** hätte die am 21. und 28. Jänner sowie am 15. Feber 1999 von ihm und einem Rechtsanwaltsanwärter erbrachten Leistungen nicht doppelt, sondern nur einmal verrechnen dürfen, sodass sich ein ungerechtfertigt verrechneter Betrag von 331.233,60 S ergebe.

Mit Strafantrag vom 9. August 2001 legte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Rechtsanwalt Dr. Josef W***** zur Last, er habe "am 25. März 1999 in Klagenfurt mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Eveline K***** durch Vortäuschen eines erhöhten Honoraranspruchs, nämlich durch Doppelverrechnung von anwaltlichen Leistungen (Kommissionen am 21. Jänner, 28. Jänner und 15. Feber 1999), zur Bezahlung eines nicht zustehenden Mehrbetrages von 331.233,60 S, sohin zu einer Handlung zu verleiten versucht, die Karl Dieter K***** um diesen Betrag am Vermögen schädigen sollte", und hiedurch das Vergehen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB begangen (ON 31). Die Täuschung wird ersichtlich in Bezug auf die Tatsache erblickt, dass der Angezeigte und sein Konzipient Tätigkeiten im Interesse des Klienten verrichteten, während in Wahrheit nur eine Person anspruchsbegründend handelte. Die gegenteiligen Ausführungen in der Äußerung zur Wahrungsbeschwerde stellen nur unzulässig den von der Generalprokuratur nicht relevierten hinreichend geklärten Sachverhalt in Frage und zudem Neuerungen dar.

Über die allfällige Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung S 11 ist aber hier ebensowenig zu befinden wie darüber, ob nicht Vollendung der angeschuldigten Tat vorliegt.

Mit Schreiben vom 28. August 2001 teilte der nunmehr durch Rechtsanwalt Dr. P***** vertretene Dr. Josef W***** dem Landesgericht Klagenfurt mit, dass er mit Karl Dieter K***** einen Vergleich abgeschlossen habe, der "eine volle Schadensgutmachung und daher einen außergerichtlichen Tatausgleich gemäß § 90g StPO" beinhalte; damit sei auch ein zwischen ihm und Karl Dieter K***** anhängiger Zivilprozess verglichen und seien sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Streitteilen erledigt. Er verwies weiters darauf, dass er statt des im Strafantrag angeführten Betrages von 331.233,60 S einen weitaus größeren, nämlich (inklusive Zinsen und Kosten) 695.413,95 S an Karl Dieter K***** zur Anweisung gebracht habe. Letztlich erklärte Dr. W*****, "dass gegen die Vornahme von Diversionsmaßnahmen gemäß § 90a StPO (insbesondere Zahlung eines Geldbetrages gemäß § 90c StPO) keine Einwände erhoben" würden (ON 34).

Mit zustimmender Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (S 3c verso) fasste das Landesgericht Klagenfurt am 30. August 2001 den Beschluss auf Einstellung des Verfahrens gegen Dr. Josef W***** "bei Zahlung eines Geldbetrages von insgesamt 175.000 S gemäß § 90c StPO" (ON 36).

Nach Einlangen dieses (noch am 30. August 2001 zur Einzahlung gebrachten) Betrages auf dem Konto des Landesgerichtes Klagenfurt stellte der Einzelrichter am 31. August 2001 das Strafverfahren gegen Dr. Josef W***** gemäß § 90c Abs 5 iVm § 90b StPO endgültig ein (ON 38). Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft (vgl S 3d verso).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschlüsse des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30. und vom 31. August 2001 (ON 36 und 38) stehen - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Ein Vorgehen nach dem IX a. Hauptstück der StPO (Diversion) setzt gemäß dem (laut § 90b StPO vom Gericht sinngemäß anzuwendenden) § 90a StPO neben einem hinreichend geklärten Sachverhalt und dem Fehlen spezial- und generalpräventiver Erforderlichkeit der Bestrafung unter anderem voraus, dass die Schuld des Verdächtigen nicht als schwer anzusehen wäre (§ 90a Abs 2 Z 2 StPO).

Für den Begriff "schwere Schuld" ist jener Schuldbegriff maßgebend, der in §§ 32 ff StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe dient (Schroll in WK2 Nachbem zu § 42 Rz 17), wobei stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände vorzunehmen ist. Erreichen Handlungs- und Gesinnungsunrecht insgesamt eine Unwerthöhe, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist, ist vom Vorliegen schwerer Schuld auszugehen, wobei hiefür keineswegs ein Überwiegen der Erschwerungsumstände vorausgesetzt wird (13 Os 111/00, 15 Os 164/01, Schroll aaO Rz 21). Im vorliegenden Fall fehlt es beim gegebenen Tatverdacht bereits am Erfordernis einer als nicht schwer anzusehenden Schuld: Beim - von der Staatsanwaltschaft angenommenen - Versuch eines schweren Betruges (mit einem die Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB eklatant übersteigenden Schaden), der unter Bruch der besonderen Vertrauensstellung begangen wurde, die einem Rechtsanwalt (auch) als für das Strafverfahren bevollmächtigtem Verteidiger zukommt, kann keinesfalls mehr von bloß durchschnittlichem Handlungs- und Gesinnungsunwert bei der im Strafantrag inkriminierten Tat gesprochen werden.

Unter Abwägung der schuldrelevanten Strafzumessungsfaktoren wäre somit - von der bisherigen Aktenlage ausgehend - die Schuld des Verdächtigen als schwer einzustufen.

Die weiteren Beschwerdeausführungen zur (Ermessens )Frage der Generalprävention bedürfen mithin keiner Erörterung. Weil die aufgezeigte Gesetzesverletzung ohne Nachteil für den Verdächtigen war, hatte ihre Feststellung ohne konkrete Wirkung zu bleiben.

Rechtssätze
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