JudikaturJustiz14Os184/98

14Os184/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael Alexander P***** wegen des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, AZ 6 Vr 3.443/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 30. April 1998 (ON 20), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Dr. Fuchs, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. April 1998, GZ 6 Vr 3.443/97-20, verletzt in der Verurteilung des Michael P***** das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 262, 267 iVm dem XX. Hauptstück der StPO und in jener des § 31 Abs 1 StGB.

Es werden dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Verurteilung des Michael P***** sowie die darauf beruhenden Beschlüsse auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 21 U 341/97p des Bezirksgerichtes Favoriten, zu AZ U 806/97s des Bezirksgerichtes Liesing und zu AZ 7 U 340/95 des Strafbezirksgerichtes Wien (nunmehr AZ 21 U 330/98x des Bezirksgerichtes Favoriten) aufgehoben und Michael P***** von der wider ihn erhobenen Anklage, am 24. August 1997 in Graz (auch) das Vergehen des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 und Abs 2 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem - auch den Schuldspruch eines Mitangeklagten enthaltenden - rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 30. April 1998, GZ 6 Vr 3.443/97-20, wurde Michael P***** des Vergehens des Landfriedensbruchs nach § 274 Abs 1 und Abs 2 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 24. August 1997 in Graz wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge, nämlich von Fußballfans der Vereine Liebherr GAK und FK Austria Memphis, teilgenommen, die darauf abzielte, daß unter ihrem Einfluß „eine Körperverletzung (§§ 83, 87 StGB)" begangen werde, und als Teilnehmer Claus W***** durch einen Faustschlag gegen dessen Gesicht, der einen Nasenbeinbruch zur Folge hatte, verletzt.

Unter anderem aufgrund dieses Faustschlages war Michael P***** bereits zuvor mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 19. November 1997, GZ 21 U 341/97p-8, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

Unter Bedachtnahme auf diese Verurteilung und das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 5. März 1998, GZ U 806/97s-9, verhängte das Landesgericht für Strafsachen Graz über Michael P***** gemäß §§ 31, 40 StGB eine (Zusatz ) Freiheitsstrafe von einem Monat. Zugleich sprach es nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO den Widerruf der mit dem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 5. Jänner 1996, GZ 7 U 340/95-l6 (nunmehr AZ 21 U 330/98x des Bezirksgerichtes Favoriten), gewährten bedingten Strafnachsicht aus (§ 53 Abs 1 StGB) und faßte überdies - vom Generalprokurator ersichtlich im Hinblick auf EvBl 1990/166 ungerügt (§§ 292 erster Satz, 290 Abs 1 StPO) - entgegen der Zuständigkeitsnorm des § 495 Abs 2 StPO (siehe Einleitungssatz § 494a Abs 1 StPO) gemäß § 55 Abs 1 StGB den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht, welche in den erwähnten (Vor )Urteilen (§ 31 StGB) der Bezirksgerichte Favoriten und Liesing gewährt worden war.

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz steht, wie der Generalprokurator im Ergebnis zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Bei tateinheitlichem Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) können diese nämlich nicht - wie hier - Gegenstand verschiedener Schuldsprüche (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und - was über den durch die Beschwerde gezogenen Rahmen der Entscheidung angemerkt sei (§ 292 [§ 290 Abs 1] StPO) - verschiedener gegen den selben Beschuldigten (§ 38 Abs 3 StPO) geführter Verfahren sein (bezüglich Vorerhebungen vgl auch Harbich, Trennungsgrundsatz und Strafprozeß, Walter-FS, 189 [193]).

Im Fall von Tateinheit liegt stets auch nur eine Tat im Sinne des Prozeßrechtes vor, weshalb sich die Rechtskraft auf alle ideell konkurrierenden strafbaren Handlungen erstreckt (JBl 1983, 659 [661] mit insoweit zust Anm von Burgstaller; aM Bertel Grundriß6 Rz 29 ff; kritisch auch Höpfel, Staatsanwalt und Unschuldsvermutung, 94 ff mwN).

Weil die Anwendung des § 31 StGB nur bei Realkonkurrenz in Betracht kommt (arg "wegen einer anderen Tat"; vgl Abs 1 erster Satz), wurde durch das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz das Gesetz auch in dieser Bestimmung verletzt (§§ 292 erster Satz, 290 Abs 1 [281 Abs 1 Z 11 erster Fall] StPO).

Die Gesetzesverletzungen führen zur Aufhebung des Michael P***** betreffenden Teiles des angefochtenen Urteils einschließlich der darauf gründenden Widerrufsbeschlüsse und zum Freispruch des Angeklagten nach § 259 Z 3 StPO.

Zu beachten wird sein, daß die Wiederaufnahme des vom Bezirksgericht Favoriten wegen § 83 Abs 1 StGB geführten Verfahrens nach § 356 StPO schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil keine der Voraussetzungen der Z 1 bis Z 3 vorliegt.

Rechtssätze
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