JudikaturJustiz14Os141/04

14Os141/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Februar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Februar 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erna M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Erna M***** und Manfred Ma***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 2. Juni 2004, GZ 611 Hv 8/02d-58, sowie über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, der Angeklagten M***** und Ma***** sowie deren Verteidiger Dr. Wolf und Dr. Pfeifer als Verteidigerin des Angeklagten R***** zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden sowie teils aus deren Anlass gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der Angeklagten Erna M***** und Manfred Ma***** zu I. A., ferner im Freispruch der beiden Genannten vom weiteren Betrugsvorwurf sowie in der Unterstellung der den Angeklagten Manfred Ma*****, Angela B***** und Johann R***** zur Last liegenden Betrugshandlungen unter die Qualifikation des § 148 zweiter Fall StGB, demgemäß auch in den sämtliche vorangeführte Angeklagte treffenden Strafaussprüchen einschließlich des Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Angeklagten Maria M***** und Manfred Ma***** sowie die Staatsanwaltschaft, diese auch mit ihrer Beschwerde, werden auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch des Mitangeklagten Johann A***** enthält, wurden Erna M***** des Verbrechens des (gemeint:) schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB (I. A.) und des Vergehens nach § 114 Abs 1 ASVG (III.) sowie Manfred Ma***** (I. A. und B.), Angela B***** und Johann R***** (und zwar die beiden Letztgenannten als Beteiligte gemäß § 12 dritter Fall StGB; II.) des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach haben - soweit für das Rechtsmittelverfahren von Relevanz - in Untersiebenbrunn

I. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte diverser Nahversorger durch die Verpackung konventioneller Kartoffeln und Zwiebeln als Bioprodukte, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, nämlich zum Ankauf konventioneller Kartoffeln und Zwiebeln zum Preis von Bioprodukten, verleitet, die die Unternehmen um nachgenannte Beträge am Vermögen schädigten, wobei die Angeklagten in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung dieser Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

A. Erna M***** als Geschäftsführerin und Verantwortliche der Anton M***** GesmbH und Manfred Ma***** als tatsächlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft vom 1. Jänner 1999 bis 31. Mai 2000 zum Nachteil der RE***** AG und S***** AG bezüglich Kartoffeln und Zwiebeln in einer Menge von ca 100.000 kg, wobei der Schaden insgesamt ca 35.000 Euro beträgt;

B. Manfred Ma***** als tatsächlicher Geschäftsführer der Anton M***** GesmbH überdies im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten und rechtskräftig verurteilten Erna M***** als Geschäftsführerin und Verantwortliche der genannten Gesellschaft vom 6. Juni 2000 bis 1. September 2000 zum Nachteil der RE***** AG und S***** AG in Bezug auf 348.223 kg konventioneller Kartoffeln, wobei der Schaden insgesamt 86.878,05 Euro beträgt, und von 200.498 kg konventioneller Zwiebeln, wobei der Schaden insgesamt 94.234,06 Euro beträgt;

II. Angela B***** und Johann R***** als Angestellte der genannten Gesellschaft zu den in Punkt I. dargestellten Tathandlungen der Erna M***** und des Manfred Ma***** dadurch beigetragen, dass sie konventionelle Kartoffel und konventionelle Zwiebeln als „biologische Ware" für den Verkauf verpackten.

Vom (modifizierten; S 84 f/IV) Anklagevorwurf, weitere zu I. A. beschriebene Taten hinsichtlich einer die angenommene Gesamtmenge von ca 100.000 kg Kartoffeln und Zwiebeln übersteigenden Menge (Anklagevorwurf bezüglich RE***** AG 1,538.463 kg konventioneller Kartoffeln mit einem Schaden von 477.313,14 Euro und 960.740 kg konventioneller Zwiebeln mit einem Schaden von 451.547,80 Euro sowie bezüglich der S***** AG 135.265 kg konventioneller Kartoffeln mit einem Schaden von 52.806,39 Euro und 164.456 kg konventioneller Zwiebeln mit einem Schaden von 115.743 Euro) begangen zu haben, wurden Erna M***** und Manfred Ma***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen dieses Urteil richten sich die (gemeinschaftlich ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Erna M***** und Manfred Ma*****, welche die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 4, 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO geltend machen, sowie die auf die Z 5 und 10 leg cit gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Im Sinne des Beschwerdevorbringens der Staatsanwaltschaft trifft es zu, dass die Urteilsgründe zu für den bekämpften Freispruch entscheidenden tatrichterlichen Feststellungen infolge Vernachlässigung wesentlicher widerstreitender Verfahrensergebnisse unvollständig sind. Die erstgerichtliche Annahme, eine über ca 100.000 kg hinausgehende tatgegenständliche Menge von Kartoffeln und Zwiebeln nicht feststellen zu können, weil auch aus der Erörterung des Gutachtens des Buchsachverständigen Mag. G***** (ON 33) in der Hauptverhandlung (S 78 ff/IV) insoweit keine ausreichenden Schlüsse abzuleiten gewesen wären, vernachlässigt die durch diverse Einvernahmen und umfangreiche Berechnungen (vgl S 23, 273 ff/II) gestützten Erhebungsergebnisse der Sicherheitsbehörden (ON 8), welche auf eine Gesamtmenge an Kartoffeln und Zwiebeln von ca 2,780.000 kg weisen. Diese (in den Urteilsgründen jedoch mit Stillschweigen übergangenen) Verfahrensergebnisse wären daher von den Tatrichtern in jene Erwägungen miteinzubeziehen gewesen, die sie der Gesamtwürdigung der Verantwortung der Angeklagten zugrunde legten. Deren (nach der Aktenlage) wechselhafte Depositionen werden von der Staatsanwaltschaft zutreffend als unerörtert kritisiert. So hatten sowohl Johann R***** als auch Manfred Ma***** vor der Gendarmerie eingeräumt, die vorgeworfene Menge von insgesamt 2,900.000 kg könne stimmen (S 107, 121/II). Erna M***** wieder hatte sich in der Hauptverhandlung im vollen Umfang der Anklage schuldig bekannt (S 68/III).

Wenn das Erstgericht selbst kritisiert, dass es der Buchsachverständige unterlassen hat, „die Eingangsware mit der Ware, die hinausgeht, zu vergleichen" (US 14), bleibt unerfindlich, warum es diesbezügliche Beweisaufnahmen nicht in Auftrag gegeben hat. Im Übrigen wird gänzlich übergangen, dass B***** und R***** vor der Gendarmerie angaben, die der Mengenberechnung zugrunde liegenden Verpacklisten richtig ausgefüllt zu haben.

In diesem Sinne trifft auch das von M***** und Ma***** zum Nachweis einer geringeren Menge als der angenommenen von ca 100.000 kg unter der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erstattete Begehren um Ergänzung des Sachverständigengutachtens zu.

Im Übrigen zeigen die beiden Angeklagten in ihrer Mängelrüge (Z 5) zutreffend einen inneren Widerspruch auf. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs zu I. A. wird ihnen angelastet, durch den Vertrieb von „ca" 100.000 kg konventioneller statt biologischer Kartoffeln und Zwiebeln einen Schaden von „ca" 35.000 Euro herbeigeführt zu haben (US 2 f). In den Urteilsgründen wird hiezu festgestellt, seitens der Anton M***** GesmbH seien ca 100.000 kg konventionelle Feldfrüchte „in einem Wert von ca Euro 35.000" geliefert worden (US 9 2. Absatz). Weiters wird ausgeführt, der Preisunterschied zwischen konventioneller und biologischer Ware betrage - wenn auch im Zeitraum 6. Juni 2000 bis 1. September 2000 - bei Kartoffeln 0,28 Euro und bei Zwiebeln 0,11 Euro (US 11 4. Absatz; siehe dazu auch 14 Os 11/02 S 5) und könne (für den Zeitraum 1. Jänner 1999 bis 31. Mai 2000) nur ein „Mittelwert" festgestellt werden, weil eine klare Mengenabgrenzung nicht möglich sei, sodass unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo von einem Gesamtschaden für ca 100.000 kg an Zwiebel und Kartoffeln in der Höhe von Euro 35.000 ausgegangen werden muss" (US 11 f).

Im Recht sind auch die (inhaltlich gleichlautenden) Subsumtionsrügen (Z 10) der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Manfred Ma*****, die die Annahme der Qualifikation gewerbsmäßiger Begehung schwerer Betrügereien hinsichtlich dieses Angeklagten in Frage stellen. § 70 StGB fordert diesbezüglich für gewerbsmäßige Tatbegehung die Feststellung der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung jeweils qualifizierter strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Richtet sich die Absicht des Täters nur auf die wiederkehrende Begehung von (nicht qualifizierten) Betrügereien, die bloß durch Zusammenrechnung der Schadensbeträge (§ 29 StGB) einen schweren Betrug ergeben (§ 147 Abs 2 und Abs 3 StGB), stellt dies nur einen schweren und gewerbsmäßigen Betrug nach § 148 erster Fall StGB dar.

Dazu führt das Erstgericht lediglich aus, „die Angeklagten M*****, Ma*****, B***** und R***** haben auch in der Absicht gehandelt, letztlich sich 'dadurch' eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar in der Weise, dass einerseits die Firma M***** erhalten bleibt und andererseits in Bezug auf B***** und R*****, dass ihr Arbeitsplatz weiter gesichert ist" (US 11 3. Absatz). Da die Tatrichter somit die rechtlich erforderlichen Feststellungen nicht getroffen haben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 17), hatte dieser Mangel zur Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der Taten nach § 148 zweiter Satz StGB zu führen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO war dieser materiell-rechtliche Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO auch in Bezug auf die Angeklagten Angela B***** und Johann R***** aufzugreifen, welche das Urteil in Rechtskraft erwachsen ließen (und deren Beitragstäterschaft zu weiteren Mengen auch von der Staatsanwaltschaft nicht in Beschwerde gezogen wurde).

Die aufgezeigten Mängel gebieten eine Teilkassation der Betrugsschuldsprüche und des betreffenden Freispruchs der Angeklagten M***** und Ma*****.

M***** hat zwar die Aufhebung des gesamten Urteils beantragt, jedoch das Faktum nach § 114 Abs 1 ASVG (III.) betreffende Nichtigkeitsgründe weder deutlich noch bestimmt bezeichnet, sodass diesbezüglich auf das Rechtsmittel keine Rücksicht zu nehmen war. Im zweiten Rechtsgang wird Art 1 C. des Budgetbegleitgesetzes 2005, BGBl I 136/2004 zu beachten sein. Hinsichtlich B***** und R***** wird zu berücksichtigen sein, dass die bloße Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren, noch nicht ausreicht, um die Annahme zu rechtfertigen, sie wollten sich durch die wiederkehrende Begehung (schwerer) Betrügereien eine fortlaufende Einnahme verschaffen (vgl Jerabek in WK2 § 70 Rz 14).