JudikaturJustiz14Os12/13s

14Os12/13s – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. April 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef O***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 15. November 2012, GZ 13 Hv 86/12k-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef O***** eines Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und mehrerer dieser Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB jeweils idF BGBl 1974/60 (I), je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1989/242 (II/1) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 erster Fall StGB (II/2), des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (II/3) sowie je mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl 1974/60 (III) und der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster, zweiter, dritter und vierter Fall StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant in B*****

(I) von Anfang 1992 bis 1. Oktober 1998 in zumindest vier Angriffen monatlich seine am 27. April 1985 geborene Tochter Manuela Ob***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er sie an ihrem entblößten Brust- und Genitalbereich betastete, sich dabei teilweise selbst befriedigte und auf ihren nackten Bauch ejakulierte, weiters ihre Hand erfasste, diese zu seinem Penis führte und die Genannte zur Durchführung einer Handonanie anleitete sowie wiederholt einen Finger in ihre Scheide einführte, wobei eine dieser Tathandlungen eine schwere Körperverletzung im Sinn einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich eine schwere posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte;

(II) zwischen 27. April 1998 und 26. April 1999 dadurch, dass er Manuela Ob***** auf dem Bett festhielt, sich auf sie legte, sie mit seinem Körpergewicht fixierte und mit ihr gegen ihren Willen und Widerstand den Geschlechtsverkehr vollzog

1) außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt,

2) mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen und

3) mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen;

(III) von Anfang 1992 bis 26. April 1999 durch die zu I und II geschilderten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Schuldsprüche I und III gerichtete, aus den Gründen der Z 5 und „Z 9“ des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) und Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall) des „Ausspruchs des Erstgerichts“, wonach eine der vom Schuldspruch I umfassten Tathandlungen die konstatierte schwere Körperverletzung des Tatopfers zur Folge hatte (US 5), liegt entgegen dem insoweit unsubstantiierten Beschwerdevorbringen (vgl §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Abs 1 Z 2 StPO) nicht vor.

Dem weiteren Einwand offenbar unzureichender Begründung dieser Feststellung durch bloße Verwendung einer „Leerfloskel“ (Z 5 vierter Fall) zuwider ist deren Ableitung (im Wesentlichen) aus dem (als verlässlich beurteilten) Gutachten der psychologischen Sachverständigen Mag. Michaela L***** (US 11) unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Diese hat nämlich insoweit von der Beschwerde übergangen (Mit-)Kausalität des vorgeworfenen Verhaltens für die eingetretene (schwere) Verletzungsfolge sowohl in der schriftlichen Expertise als auch anlässlich deren mündlicher Erörterung in der Hauptverhandlung (auch nach der Überzeugung der Tatrichter) unmissverständlich bejaht (ON 16 S 28; ON 28 S 24 f, 26, 29). Indem die Beschwerde der Expertin unter Hinweis auf einzelne isoliert und sinnentstellt zitierte Passagen ihrer Ausführungen eine andere Aussage unterstellt, macht sie weder Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) noch Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geltend. Sie wendet sich vielmehr nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung.

Der Vorwurf unterlassener Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von Details der Stellungnahme der Sachverständigen dazu, welchen Einfluss ein angeblich durch einen anderen (abgesondert verfolgten) Täter begangener (weiterer) sexueller Missbrauch der Manuela Ob***** auf deren psychischen Zustand hatte (etwa zur Frage, ob dieser Vorfall die hier verfahrensgegenständlichen Taten „weggedacht“ alleine geeignet gewesen wäre, die konstatierte Verletzungsfolge zu verursachen, sowie dazu, durch die Tathandlungen welchen Täters diese „mehr begründet ist“; ON 28 S 23 ff, 28 ff), bezieht sich nicht auf einen für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen Umstand. Die Rüge übersieht nämlich, dass für die Zurechnung einer Erfolgsqualifikation (hier: § 207 Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60) zu einer Tat grundsätzlich deren hier nach dem Vorgesagten konstatierte Mitursächlichkeit (neben anderen Ursachen) genügt (SSt 61/1; 12 Os 190/10y; 15 Os 9/11d; RIS-Justiz RS0092036; Kienapfel/Höpfel AT 13 Z 10 Rz 5; Burgstaller in WK² StGB § 80 Rz 68).

Mit der die Schuldsprüche I und III betreffenden Kritik am konstatierten Beginn des Tatzeitraums und der vorliegend gar nicht konkret bestimmten Anzahl der Tathandlungen spricht die Rüge gleichermaßen keine entscheidende Tatsache an, weil hier weder Verjährung noch das Schutzalter des Opfers fraglich sind (RIS-Justiz RS0098557) und die angesprochenen Schuldsprüche jeweils eine gleichartige Verbrechensmenge pauschal individualisierter Taten erfassen. Davon ausgehend würde die Annahme eines kürzeren Tatzeitraums oder generell eine Reduktion der Anzahl der deliktischen Übergriffe weder den Schuldspruch noch die Subsumtion in Frage stellen (RIS Justiz RS0116736; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 33; zur Unbedenklichkeit aus Z 3 vgl im Übrigen Lendl , WK-StPO § 260 Rz 24; RIS-Justiz RS0119552, RS0098795; Ratz , WK StPO § 281 Rz 291), womit dazu getroffene Aussagen als Gegenstand einer Mängelrüge nicht in Betracht kommen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398 und 406).

Im Übrigen haben die Tatrichter die Feststellungen zum Beginn der inkriminierten Handlungen Anfang 1992 und deren Häufigkeit im Einklang mit Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS Justiz RS0118317) auf die für glaubwürdig befundene Aussage des Tatopfers gestützt (US 11 f iVm ON 7 S 10 f), aus der die Beschwerde erneut bloß einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Passagen isoliert zitiert.

Soweit das Vorbringen undifferenziert auch auf 'Z 9' des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird, entzieht sich die Beschwerde einer meritorischen Erledigung, weil dem Erstgericht (vermeintlich) unterlaufene Rechtsfehler (mangels Feststellungen) oder Feststellungsmängel nicht deutlich und bestimmt bezeichnet werden (vgl erneut §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Abs 1 Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.