JudikaturJustiz14Os115/97

14Os115/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Holzweber, Dr.Ratz und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Kunz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang M***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 6 d Vr 32/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 13.Mai 1997 (ON 26) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und des Verteidigers Dr.Wächter, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.Mai 1997, GZ 6 d Vr 32/97-26, verletzt, soweit damit gemäß § 22 Abs 1 StGB auch die Unterbringung des Wolfgang M***** in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 22 Abs 2 StGB.

Dieses Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird im erwähnten Ausspruch aufgehoben.

Die darauf beruhenden Anordnungen in der Endverfügung vom 13.Juni 1997 (ON 30) sind damit gegenstandslos und es wird dem Erstgericht insoweit das gesetzmäßige Vorgehen aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.Mai 1997, GZ 6 d Vr 32/97-26, wurde Wolfgang M***** zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Überdies wurde gemäß § 22 Abs 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher angeordnet. Die Freiheitsstrafe wird (als Anschlußvollzug ab 23.August 1998) bis 23. August 2000 zu verbüßen sein (ON 29 des Vr-Aktes).

Wolfgang M***** verbüßt seit 25.Juni 1996 eine mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25.Juni 1996, GZ 5 b E Vr 1.078/96-53, über ihn verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten, deren Ende unter Berücksichtigung der Vorhaften und der Nichteinrechnungszeiten auf den 12.Oktober 1997 fällt (Strafantrittsberichte vom 28.Juni 1996 und vom 5.Februar 1997, ON 56 und 66 des Vr-Aktes).

Nach Verbüßung dieser Strafe soll an Wolfgang M***** aufgrund des die bedingte Entlassung widerrufenden Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.Juli 1986, GZ 18 e BE 40/85-15, der erst seit 27. Februar 1997 rechtskräftig ist (ON 36), sodaß eine teilweise bedingte Nachsicht gemäß Amnestie 1995 nicht erfolgen konnte (§ 3 Abs 2 Z 2 leg. cit), ein Strafrest von 10 Monaten, 11 Tagen und 8 Stunden (bis zum 23.August 1998) vollzogen werden (Strafantrittsbericht ON 38 des BE-Aktes).

Rechtliche Beurteilung

Die im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.Mai 1997 angeordnete Einweisung des Wolfgang M***** in eine Anstalt für entwöhnungsbedüftige Rechtsbrecher steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 22 Abs 2 StGB ist von einer derartigen Unterbringung dann abzusehen, wenn der Rechtsbrecher mehr als zwei Jahre in Strafhaft zu verbüßen hat. Bei Prüfung der Frage, ob ein mehr als zweijähriger Strafvollzug bevorsteht, sind nicht nur die wegen der Anlaßtat verhängte Strafe, sondern sämtliche Freiheitsstrafen, die im Urteilszeitpunkt bereits in Vollzug gesetzt wurden oder gemäß § 397 StPO, § 3 Abs 1 StVG in Vollzug zu setzen wären, abzüglich der angerechneten Vorhaftzeiten zu berücksichtigen (Leukauf/Steininger Komm3 § 22 RN 11 f). Das Erstgericht hätte sich daher bei Prüfung der Unterbringungs- voraussetzungen nicht nur auf die im gegenständlichen Fall verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren beschränken, sondern auch beachten müssen, daß im Urteilszeitpunkt die Dauer des Strafvollzuges aus der Summe der noch unvollstreckten (restlichen) Freiheitsstrafen zwei Jahre überstieg. Die Unterbringungsanordnung war daher aus dem Grunde des § 22 Abs 2 (erster Fall) StGB unzulässig.

Die Anordnung der Maßnahme könnte dem Verurteilten zum Nachteil gereichen. Denn es handelt sich um eine gemäß § 3 Abs 2 Z 6 StRegG zusätzlich im Strafregister aufscheinende Unrechtsfolge, die selbst bei nachträglicher Milderung oder gnadenweiser Nachsicht der insgesamt zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafen einen Freiheitsentzug bis zur Höchstdauer von zwei Jahren ermöglicht (§ 25 Abs 1 StGB) und auch der Gewährung eines Strafaufschubs entgegensteht (§§ 5 Abs 3 Z 3, 6 Abs 1 StVG). Zudem bleibt der gemäß § 47 Abs 2 StGB nach Entwöhnung aus dem Maßnahmenvollzug bedingt entlassene und gemäß § 24 Abs 1 letzter Satz StGB in den (allgemeinen) Strafvollzug überstellte Rechtsbrecher selbst nach Verbüßung der vollen Strafdauer noch während eines ein- bis fünfjährigen Zeitraumes (§ 48 Abs 2 zweiter Satz StGB) ein Proband, für den Bewährungshilfe angeordnet und dem Weisungen erteilt werden können. Auch droht ihm für den Fall eines Widerrufs nach § 54 Abs 1 StGB ein weiterer Freiheitsentzug, welcher zu einer die Summe der Freiheitsstrafen übersteigenden Gesamtdauer der Anhaltung (in Haft und m Maßnahmenvollzug) führen kann, wogegen die für den Verurteilten vorteilhafte Entwöhnungsbehandlung nach § 68 a Abs 1 lit b StVG auch im allgemeinen Strafvollzug zu erfolgen hat (9 Os 3/84, 11 Os 110/84).

Der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und gemäß § 292 letzter Satz StPO der verfehlte Ausspruch zu beseitigen.

Rechtssätze
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