JudikaturJustiz14Ns56/14t

14Ns56/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Oktober 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Imad K***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach §§ 15 StGB, 114 Abs 1 und 3 Z 1 FPG im Zuständigkeitsstreit des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Landesgerichts Wels betreffend das Verfahren AZ 061 Hv 142/14v des Landesgerichts für Strafsachen Wien gemäß § 38 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die zur Entscheidung über einen Kompetenzkonflikt vorgelegten Akten werden dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur Vornahme der von § 485 Abs 1 StPO verlangten Prüfung des Strafantrags zurückgestellt.

Text

Gründe:

Soweit vorliegend von Bedeutung, brachte die Staatsanwaltschaft Wels am 6. und am 18. Juni 2014 bei der Einzelrichterin des Landesgerichts Wels zwei Strafanträge gegen Imad K***** ein, in denen sie diesem als Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG, des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG sowie des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB beurteilte Verhaltensweisen (Tatzeitpunkt jeweils 24. Februar 2014) zur Last legte (ON 6, 7).

Mit Strafantrag vom 24. September 2014 legte die Staatsanwaltschaft Wien diesem Angeklagten ein (in Wien gesetztes) als Verbrechen der Schlepperei nach §§ 15 StGB, 114 Abs 1 und 3 (zu ergänzen: Z 1) FPG qualifiziertes Handeln beim Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien zur Last (ON 8). Am 25. September 2014 übermittelte dieses Gericht den Akt mit Blick auf den in diesen Verfolgungsantrag angenommenen Tatzeitpunkt (20. September 2014) dem Landesgericht Wels und veranlasste zugleich die Überstellung des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten (ON 12).

Am 1. Oktober 2014 erkannte die Einzelrichterin des Landesgerichts Wels nach am selben Tag erfolgter Einbeziehung und Wiederausscheidung des letzterwähnten Verfahrens Imad K***** der Begehung der in den Verfolgungsanträgen der Staatsanwaltschaft Wels genannten strafbaren Handlungen schuldig. Am 2. Oktober 2014 teilte sie dem Landesgericht für Strafsachen Wien mit, dass das dortige Verfahren AZ 061 Hv 142/14v „einbezogen und gleichzeitig zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ausgeschieden“ worden sei, „zumal im einzubeziehenden Verfahren im Gegensatz zum hg anhängigen Verfahren notwendige Verteidigung“ vorliege. Da das Verfahren in Bezug auf die von der Staatsanwaltschaft Wels angeklagten Straftaten „am gestrigen Verhandlungstag mit Urteil abgeschlossen“ worden sei und Rechtskraft „vermutlich am 7. Oktober 2014 eintreten“ werde, komme „eine neuerliche Einbeziehung nicht in Betracht“. Zugleich verfügte die Einzelrichterin des Landesgerichts Wels die Rückübermittlung des Aktes sowie die Rücküberstellung des Angeklagten nach Wien (ON 16).

Die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien übermittelte den Akt sodann dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor (ON 17).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Eine Verbindung von Verfahren setzt im Fall sukzessiver Anklageerhebung nach der unmissverstänldichen Anordnung des § 37 Abs 3 StPO ein bereits anhängiges Hauptverfahren und Rechtswirksamkeit der späteren Anklage voraus (vgl RIS Justiz RS0123445).

Zwar sieht das Gesetz im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts anders als in jenem vor Kollegialgerichten (vgl § 213 Abs 4 StPO) keine förmliche Beschlussfassung über die Rechtswirksamkeit der Anklage (des Strafantrags) vor. Der Strafantrag ist jedoch vom Einzelrichter amtswegig nach den Kriterien des § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO zu überprüfen. Ergibt diese Überprüfung beispielsweise örtliche Unzuständigkeit, hat dies das angerufene Gericht mit (anfechtbarem) Beschluss auszusprechen (§ 485 Abs 1 Z 1 iVm § 450 StPO). Erwächst dieser Beschluss in Rechtskraft, hat die Staatsanwaltschaft nach § 485 Abs 2 StPO vorzugehen (also etwa den Strafantrag beim Einzelrichter des örtlich zuständigen Landesgerichts einzubringen).

Führt die amtswegige Überprüfung hingegen zu einem positiven Ergebnis (weist der Strafantrag also keinen der im Gesetz genannten Mängel auf), hat der Einzelrichter gemäß § 485 Abs 1 Z 4 StPO die Hauptverhandlung (nach den für das Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffengericht geltenden Bestimmungen) anzuordnen, womit die Rechtswirksamkeit der Anklage (des Strafantrags) als Voraussetzung der Einleitung des Hauptverfahrens (vgl § 4 Abs 2 StPO) zum Ausdruck gebracht wird ( Wiederin , WK StPO § 4 Rz 65 und 71 ff). Bei dieser Anordnung handelt es sich um einen das Gericht bindenden (vgl aber zur Möglichkeit späterer Abtretung infolge Änderung des maßgeblichen Sachverhalts und zur Geltendmachung örtlicher Unzuständigkeit als Nichtigkeitsgrund Ratz , WK StPO § 468 Rz 6 f) contrarius actus zu den Beschlüssen nach § 485 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO, der nicht notwendigerweise mit der Ausschreibung der Hauptverhandlung einhergehen muss ( Oshidari , WK StPO § 37 Rz 7). Schon wegen der mit ihr verbundenen rechtlichen Konsequenzen ist eine solche Anordnung, insbesondere wenn sie nicht mit der Ausschreibung der Hauptverhandlung einhergeht (vgl Danek , WK StPO § 221 Rz 1), im Akt unmissverständlich zu dokumentieren.

Erst nachdem der Einzelrichter nach amtswegiger Überprüfung eine der beiden vorgenannten Entscheidungen getroffen hat, kann es (mittelbar) zu einem Kompetenzkonflikt im Sinne des § 38 StPO kommen (RIS Justiz RS0125311; Philipp , WK StPO § 485 Rz 3a; Oshidari , WK StPO § 38 Rz 2).

Da im vorliegenden Fall die Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien weder eine Überprüfung des Strafantrags vorgenommen noch die Hauptverhandlung angeordnet hat (Beschlussfassung gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO kommt wegen des im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien [ON 8] genannten Tatorts in Wien nicht in Betracht), waren die Akten dem Landesgericht für Strafsachen Wien zur weiteren Vorgangsweise nach § 485 Abs 1 StPO zurückzustellen. Bleibt mit Blick auf das Vorgehen der Einzelrichterin des Landesgerichts Wels anzumerken, dass im Fall der (hier nicht gegeben) Rechtswirksamkeit der späteren, gemäß § 37 Abs 3 StPO zu verbindenden Anklage nachträgliche Verfahrensausscheidungen - mit Ausnahme der hier nicht vorliegenden Fälle des § 36 Abs 4 StPO keinen Einfluss auf die örtliche Zuständigkeit haben (vgl Oshidari , WK StPO § 36 Rz 9).

Rechtssätze
2
  • RS0125311OGH Rechtssatz

    21. März 2024·3 Entscheidungen

    Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es im Rahmen der von § 485 StPO angeordneten Prüfung der Zuständigkeit nur mittelbar zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen. Teilt nämlich das Oberlandesgericht die mit Beschluss des Einzelrichters ausgesprochene Einschätzung örtlicher Unzuständigkeit und hält es ein anderes Landesgericht seines Sprengels für örtlich zuständig, so überweist es die Sache dorthin (vgl auch §§ 215 Abs 4 erster Satz, 470 Z 3, 475 Abs 1 StPO). Hält es hingegen keines der in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte für örtlich zuständig, greift § 485 Abs 2 StPO. Zu einem von § 38 StPO erfassten Kompetenzkonflikt kommt es nachfolgend dann, wenn ein anderes Oberlandesgericht aufgrund einer Beschwerde gegen einen nach § 485 Abs 1 StPO gefassten Beschluss die örtliche Zuständigkeit aller in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte bezweifelt oder der Einzelrichter eines nachfolgend angerufenen, im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts gelegenen Landesgerichts seine örtliche Unzuständigkeit sonst rechtswirksam ausspricht. Nach Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen, wenn der Einzelrichter zur Ansicht gelangt, örtlich nicht (mehr) zuständig zu sein (SSt 61/14). In einem solchen Fall hat er nämlich, wie nach der bis 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage, die Hauptverhandlung abzubrechen und die Abtretung der Sache an das seiner Ansicht nach zuständige Landesgericht zu verfügen.