JudikaturJustiz14Ns4/22g

14Ns4/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafvollzugssache des * T*, AZ 184 BE 248/21t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, im Kompetenzkonflikt zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht Innsbruck nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Strafvollzugssache ist vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu führen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 15. September 2021, GZ 38 BE 33/21x 5, wurde * T* mit 7. November 2021 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung von Bewährungshilfe bedingt entlassen.

[2] Nachdem dieser noch während seines Vollzugs einen in Wien gelegenen künftigen Wohnsitz bekanntgegeben hatte (ON 1 S 3), informierte NEUSTART Wien das Landesgericht Innsbruck am 5. November 2021 über die „Aktabtretung“ an die Geschäftsstelle in Wien, weil T* tatsächlich diesen Wohnsitz nehmen werde (ON 8). Das Landesgericht Innsbruck trat daraufhin das Verfahren dem Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht ab (ON 8 S 1).

[3] Nach Einlangen eines Postfehlberichts hinsichtlich dieser Adresse (ON 11) lehnte dieses die Übernahme mit Verweis auf die Auskunft aus dem Zentralen Melderegister, die keine aktuelle Meldeadresse des Verurteilten auswies, ab und verfügte die „Rückabtretung an das LG Innsbruck“ (ON 9).

[4] Nach Rückmittlung der Akten durch das Landesgericht Innsbruck unter sinngemäßem Hinweis auf § 38 dritter Satz StPO (ON 12 S 2) legte das Landesgericht für Strafsachen Wien diese dem Obersten Gerichtshof – zunächst erneut verfehlt über das Oberlandesgericht Wien ( Oshidari , WK StPO § 38 Rz 13) – zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts vor (§ 38 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 und § 180 Abs 1 StVG).

[5] Wird im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung (wie hier) Bewährungshilfe angeordnet und nimmt der Verurteilte unmittelbar nach seiner (tatsächlichen) Entlassung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel eines Landesgerichts, das nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, so ist jenes Landesgericht zur weiteren Führung der Vollzugssache zuständig, auch wenn – wie hier – die Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit im Zusammenhang stehenden Anordnungen bereits vor der tatsächlichen Entlassung eingetreten ist. Ein späterer Wohnsitzwechsel berührt die Zuständigkeit dagegen nicht (§ 179 Abs 1 StVG analog; RIS Justiz RS0088481 [T2]; Drexler/Weger , StVG 4 § 179 Rz 1).

[6] Der Akteninhalt enthält bloß Hinweise für einen in Wien gelegenen Wohnsitz des Verurteilten nach der Haftentlassung. Indizien für einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck finden sich nicht. Davon ausgehend kommt dem Umstand fehlender (polizeilicher) Meldung in Wien oder einem Postfehlbericht keine entscheidende Bedeutung zu (vgl 11 Ns 30/21g; 14 Ns 67/17i; Nordmeyer , WK StPO § 25 Rz 4; Pieber in WK 2 StVG § 179 Rz 5), zumal den Akten auch nicht zu entnehmen ist, dass T* für NEUSTART Wien nicht auffindbar wäre (vgl Schroll in WK 2 StGB § 52 Rz 18).