JudikaturJustiz13Os93/96

13Os93/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. August 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. August 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klotzberg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Andreas G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 28. März 1996, GZ 14 Vr 952/95-80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Ersten Generalanwaltes Dr. Hauptmann, des Angeklagten Andreas G***** und der Verteidiger Dr. Eduard Klingsbigl, Dr. Jürgen Kronberger, Dr. Romana Zeh-Gindl und Dr. Peter Kaliwoda jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Markus P*****, Josef P***** und Thomas S***** zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andreas G***** wird teilweise Folge gegeben und auch aus ihrem Anlaß gemäß § 290 Abs 1 StPO in Ansehung der Angeklagten Markus P*****, Josef P***** und Thomas S***** das Urteil - das im übrigen unberührt bleibt - im Schuldspruch zu C und demgemäß auch in den diese Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben. In diesem Umfang wird gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Markus P*****, Josef P*****, Andreas G***** und Thomas S***** werden von der wider sie erhobenen Anklage, am 22. Mai 1995 es unterlassen zu haben, dem Franz G*****, dessen Verletzungen sie verursacht hatten, die erforderliche Hilfe zu leisten, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Andreas G***** verworfen und dessen Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld zurückgewiesen.

Hinsichtlich der nach dem unberührt bleibenden Teil der Schuldsprüche den Genannten weiter zur Last liegenden strafbaren Handlungen werden die Angeklagten zu folgenden Freiheitsstrafen verurteilt:

Markus P***** nach § 142 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu 22 (zweiundzwanzig) Monaten;

Andreas G***** nach § 84 Abs 1 StGB zu 8 (acht) Monaten;

Josef P***** nach § 142 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 StGB zu 16 (sechzehn) Monaten;

Thomas S***** nach § 87 Abs 1 StGB unter Anwendung von § 28 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 30.August 1995, AZ 17 EVr 549/95, zu 12 (zwölf) Monaten als Zusatzstrafe;

gemäß § 43 a Abs 3 StGB wird bei Josef P***** ein Teil der Strafe im Ausmaß von 12 (zwölf) Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung werden aus der erstgerichtlichen Entscheidung übernommen.

Mit seiner Berufung wird Andreas G***** auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen diesem auch die Kosten des ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas G***** der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB (B/I.; richtig: II.) und des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Die Schuldsprüche des Urteils gegen Markus P***** (unter anderem wegen Vergehens der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB iVm §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2; 94 Abs 1 StGB; B/II. und C), Josef P***** (unter anderem wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 2 Z 2 und des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB; B/II. und C), Waltraud G***** (wegen Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen) und Thomas S***** (unter anderem wegen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB; B/I. und C) blieben unbekämpft. Auch Freisprüche der Angeklagten Markus P*****, Josef P***** und Andreas G***** gemäß § 259 Z 3 StPO erwuchsen in Rechtskraft.

Soweit dies für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren von Bedeutung ist, wird den Angeklagten angelastet, folgende Personen vorsätzlich Körperverletzungen zugefügt zu haben, wobei Markus P***** mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlaß und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat (B) und zwar

Thomas S***** am 22. Mai 1995 Franz G***** mit einem glühenden Holzstück absichtlich schwere Verbrennungen (eine an sich schwere Verletzung; I.) sowie Markus P*****, Josef P***** und Andreas G***** am selben Tage in verabredeter Verbindung demselben Opfer durch Schläge, Fußtritte und Würgen, wodurch dieses Blutunterlaufungen im Gesicht und Prellungen erlitt, wobei sich Markus P*****, wenn auch nur fahrlässig, vor der Tat durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte

(II.).

Ferner wird Markus P*****, Josef P*****, Andreas G***** und Thomas S***** angelastet, es am 22. Mai 1995 unterlassen zu haben, Franz G*****, dessen Verletzungen sie durch die zu B I. und II. geschilderten Handlungen verursacht hatten, die erforderliche Hilfe zu leisten, wobei sich Markus P*****, wenn auch nur fahrlässig, vor der Tat durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte (C).

Rechtliche Beurteilung

Andreas G***** bekämpft den ihn treffenden Schuldspruch zu B/II. und C mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO. Diese ist insoweit berechtigt, als sie unter Hinweis auf § 94 Abs 4 StGB den Schuldspruch wegen Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB (C) bekämpft.

Nach der erstgenannten Bestimmung ist der Täter nicht nach den Absätzen 1 und 2 des § 94 StGB zu bestrafen, wenn er schon wegen der Verletzung mit der gleichen oder einer strengeren Strafe bedroht ist. Die dem Beschwerdeführer angelastete Verletzung ist als mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedrohtes Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 2 Z 2 StGB qualifiziert. Das ihm realkonkurrierend damit angelastete Vergehen nach § 94 Abs 1 StGB ist hingegen lediglich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht. § 94 Abs 1 StGB tritt daher vorliegendenfalls gegenüber der schweren Körperverletzung als subsidiär zurück. Der Schuldspruch deswegen ist somit mit dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet und war zu kassieren. Es erübrigen sich daher Erwägungen zu den übrigen Beschwerdeausführungen betreffend dieses Faktums.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt (§ 290 Abs 1 StPO), daß das angefochtene Urteil insoweit auch zum Nachteil der Angeklagten Markus P*****, Josef P***** und Thomas S***** mit derselben, von ihnen jedoch nicht geltend gemachten Nichtigkeit behaftet ist. Die Verletzungstat des Thomas S***** (B/I.) wurde als das mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bedrohte Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB eingestuft, während Josef P***** das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1 und 84 Abs 2 Z 2 StGB angelastet wurde. Markus P***** hat die Anlaßtaten (und jene nach § 94 Abs 1 StGB) im Zustand voller Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) begangen. Da die Strafe nach Art und Maß auch diesfalls nicht strenger sein darf, als sie das Gesetz für die Rauschtaten androht (§ 287 Abs 1 letzter Satz StGB), die Strafdrohung nach § 287 StGB gegenständlich aber gleich ist wie jene nach § 94 Abs 1 StGB, war auch hier nach § 94 Abs 4 StGB vorzugehen.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB (B/II.) wendet, ist sie verfehlt.

Die Mängelrüge (Z 5) versagt. Die Annahme gemeinschaftlicher Mißhandlung des Franz G*****, wenn auch erst nach einem anfänglichen erfolglosen Schlichtungsversuch, durch unmittelbare Mitwirkung infolge eigener Handanlegung des Beschwerdeführers ist durch die Aussage der Zeugin Sabine G***** (S 198 ff iVm 8 f/II) begründet. Für eine verabredete Verbindung im Sinne des § 84 Abs 2 Z 2 StGB genügt die stillschweigende, durch entsprechendes Tatverhalten schlüssig zum Ausdruck gebrachte Willensübereinstimmung der Täter. Das Erstgericht konnte somit aus der zitierten Zeugenaussage denkrichtig auf das Vorliegen einer solchen ernstlichen Willensübereinstimmung zwischen den erwähnten Angeklagten schließen. Der behauptete formale Begründungsmangel liegt nicht vor, für eine Beurteilung der betreffenden Taten nach § 83 Abs 1 StGB bleibt somit kein Raum.

Die Beschwerde geht aber auch insoweit fehl, als sie die Ausführungen zur Mängelrüge den Aspekten einer Tatsachenrüge (Z 5 a) unterstellt. Damit können auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsfeststellungen hervorgerufen werden.

Unzulässig und daher zurückzuweisen war schließlich die angemeldete Schuldberufung des Beschwerdeführers, weil den strafprozessualen Vorschriften ein derartiges Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten fremd ist.

Aufgrund der teilweisen Kassation der Schuldsprüche war bezüglich der davon betroffenen Angeklagten mit Strafneubemessung vorzugehen. Diese war nach den im Spruch bezeichneten Bestimmungen für die jeweils aufrecht bleibenden Schuldsprüche, nämlich bei Markus P***** (A) wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1, 15 StGB und der Vergehen (B II) der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2) StGB, (B III) der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB, (B IV) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB, (D II) des Diebstahls nach § 127 StGB und (I) der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB, bei Josef P***** wegen (A) des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und (B II) der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB, (E) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und (I) der Hehlerei nach § 164 Abs 2 StGB, bei Andreas G***** wegen (B I) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB und bei Thomas S***** wegen (B I) des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und der Vergehen (D I) des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 StGB und (G) der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB, vorzunehmen.

Der Strafneubemessung konnten die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe mit der Ausnahme zugrunde gelegt werden, daß bei Andreas G***** der Erschwerungsumstand des Zusammentreffens zweier Delikte entfällt. Die tat- und tätergerechte Gewichtung verlangt infolge Wegfallens eines angelasteten Tatbestandes die im Spruche ersichtlichen Freiheitsstrafen, wobei hinsichtlich Thomas S***** - wie schon vom Erstgericht - gemäß §§ 31, 40 StGB auf die dort bezeichnete Vorverurteilung zu zehn Monaten Freiheitsstrafe Bedacht zu nehmen und hinsichtlich Josef P***** mit einer den spezial- und generalpräventiven Erfordernissen entsprechenden bedingten Teilnachsicht wie im Spruch vorzugehen war.

Die Vorhaftanrechnung war aus dem Ersturteil zu übernehmen.

Andreas G***** war mit seiner Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung basiert auf der angeführten Gesetzesstelle.