JudikaturJustiz13Os9/19a

13Os9/19a – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Stanimir B***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Srdan P***** und die Berufung des Angeklagten Stanimir B***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Oktober 2018, GZ 231 Hv 12/18w 320, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Srdan P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Srdan P***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter (gemeint [vgl Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 8 und 34]) und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB (A/II), des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (C/I) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (C/II) schuldig erkannt.

Danach hat er

A/ in G***** und an anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Stanimir B*****

I/ vom April bis zum 2. August 2017 eine unbekannte Person dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 4.551,1 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 82,1 % (rund 3.753,4 Gramm Kokain Base) von Tschechien nach Österreich einzuführen,

II/ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem sie

1/ zwischen April und Juli 2017 in vier Angriffen insgesamt 541 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich 82,1 % (444,4 Gramm Kokain Base) an einen verdeckten Ermittler verkauften und

2/ am 2. August 2017 4.010,1 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 82,5 % (3.309 Gramm Kokain Base) an einen verdeckten Ermittler verkaufen wollten, wobei es nur aufgrund der Festnahme beim Versuch blieb,

C/ zwischen dem 28. April und dem 1. Mai 2017 in G*****

I/ Dimitrije V***** vorsätzlich am Körper verletzt und ihm dadurch eine an sich schwere Körperverletzung zugefügt, indem er ihm mehrere wuchtige Schläge mit der Hand ins Gesicht versetzte, wodurch dieser einen operativ zu versorgenden dreifachen Kieferbruch erlitt, sowie

II/ durch die zu C/I geschilderte Handlung Dimitrije V***** mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Rückzahlung seiner Schulden in Form der Überschreibung eines in Bosnien liegenden Grundstücks auf Srdan P*****, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, „9 a“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Srdan P*****.

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich ausschließlich gegen die Schuldsprüche A/I und A/II.

Als Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) macht die Rüge geltend, die Tatrichter hätten die Aussagen des Stanimir B***** nur insoweit berücksichtigt, als dieser den Beschwerdeführer belastete, nicht jedoch, soweit er dessen Beteiligung in Abrede stellte (ON 217 S 123, 135, 137). Demzuwider hat sich der Schöffensenat durch die im Zusammenhang mit dem Wechsel der Verantwortung des Stanimir B***** (vgl ON 294 S 8 und 13 ff, ON 298 S 11 ff) erfolgte eingehende Erörterung einer allfälligen Falschbelastung des Beschwerdeführers durch den Genannten (US 19 f) auch mit Zweiteren auseinandergesetzt. Solcherart war er dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht gehalten, den vollständigen Inhalt der Aussage des Stanimir B***** zu erörtern (vgl RIS Justiz RS0098717; Ratz , WK StPO § 281 Rz 428).

Gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO behauptet der Beschwerdeführer eine offenbar unzureichende Begründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zu einer von ihm veranlassten Einfuhr von insgesamt 4.551,1 Gramm Kokain von Tschechien nach Österreich (US 11). Diesem Einwand zuwider haben die Tatrichter die bekämpften Feststellungen ohne Verstoß gegen Gesetze folgerichtigen Denkens oder grundlegende Erfahrungssätze auf die Angaben des Angeklagten Stanimir B***** gestützt (US 19; RIS Justiz RS0099413, RS0116732).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810). Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die substratlose Behauptung des Beschwerdeführers, dass „auch die rechtliche Begründung des Erstgerichts [...] unrichtig [sei]“.

Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines Feststellungsmangels erfordert die auf der Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergäbe, weil das Gericht ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580 [T15]). Die Beschwerdebehauptung, „sekundäre Feststellungsmängel liegen vor“, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) beschränkt sich auf die Behauptung, die „der Entscheidung zugrunde liegende Tat [wäre] im Übrigen durch unrichtige Gesetzesauslegung auch einem Strafgesetz unterzogen [worden], das darauf nicht anzuwenden ist“. Solcherart geht sie schon daran vorbei, dass ihre prozessordnungsgemäße Darstellung die ausdrückliche Bezeichnung der angestrebten Subsumtion verlangt (RIS Justiz RS0118415 [T3]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass in Ansehung des Angeklagten Stanimir B***** die gesonderte Annahme je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I) und nach § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall SMG (B/I/1) sowie je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B/I/2) rechtlich verfehlt ist. Denn § 28a Abs 4 Z 3 SMG stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz – vergleichbar mit dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar, sodass gleichartige strafbare Handlungen nach § 28a Abs 1 SMG derart qualifiziert stets nur ein einziges Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (RIS Justiz RS0117464 [insbesondere T14]).

Aufgrund der zutreffend nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG erfolgten Strafrahmenbildung sowie des Umstands, dass die fehlerhafte Subsumtion (Z 10) die vom Erstgericht angenommenen besonderen Erschwerungsgründe nicht tangiert (vgl US 24), blieb sie für den Angeklagten Stanimir B***** jedoch ohne Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO, sodass kein Anlass zu amtswegiger Wahrnehmung bestand.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem – dabei an die aufgezeigte Fehlsubsumtion nicht gebundenen (RIS Justiz RS0118870) – Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
3
  • RS0118415OGH Rechtssatz

    08. November 2023·3 Entscheidungen

    Von Feststellungsmängeln abgesehen, liegen die Nichtigkeitsgründe der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, wenn angesichts der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen zu Unrecht ein Schuld- oder Freispruch ergangen ist (Z 9 lit a bis c) oder die festgestellten Tatsachen zwar zu Recht einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert wurden, aber bei der Subsumtion Fehler unterlaufen sind (Z 10). Mit diesen Rechtsfragen können zur Anfechtung des Urteils Berechtigte den Obersten Gerichtshof befassen. Da die §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO vom Beschwerdeführer verlangen, die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen, also darzulegen, warum das Erstgericht zu Unrecht freigesprochen oder die festgestellten Tatsachen einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert oder nicht subsumiert hat, also aufzuzeigen, warum das Gesetz unrichtig angewendet wurde, die bloße (= substratlose) Behauptung, der Angeklagte sei nicht oder nicht im Sinn der angezogenen Gesetzesstellen schuldig, aber nicht erkennen lässt, welchen konkreten Rechtsfehler der Beschwerdeführer geltend machen will und damit einer inhaltlichen Erörterung nicht zugänglich ist, sollen derartige Rügen, um kostenaufwändige Gerichtstage zu vermeiden, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen werden können. Verzichtet der Beschwerdeführer auf methodengerechte Argumentation (vgl §§ 6 f ABGB, § 1 StGB) zugunsten bloßer (Rechts-)Behauptungen, können diese zwar zu amtswegigem Einschreiten des Obersten Gerichtshofes nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (erster Fall) StPO zugunsten des Angeklagten - dann nämlich, wenn die Behauptung im Ergebnis zutrifft -, nicht aber zum Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde führen, sodass sich eine Behandlung im Gerichtstag erübrigt.