JudikaturJustiz13Os87/14i

13Os87/14i – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Spunda als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Yücel G***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG aF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 27. März 2014, GZ 35 Hv 10/14d 202, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Yücel G***** mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG (zu ergänzen) idF vor BGBl I 2010/104 schuldig erkannt.

Danach hat er in den Jahren 2006 bis 2009 im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts S***** gewerbsmäßig vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflichten im Ersturteil nach Veranlagungsjahren aufgegliederte Verkürzungen an Umsatzsteuer um insgesamt rund 374.000 Euro bewirkt, indem er Erlöse nicht in das Rechenwerk seines Einzelunternehmens aufnahm und in den Abgabenerklärungen für die Kalenderjahre 2003 bis 2007 verschwieg, wobei es hinsichtlich des letztgenannten Jahres beim Versuch geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Das unter dem Titel „Zur Vorgeschichte und Tatvorwurf“ erstattete Vorbringen lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) sind die Urteilsfeststellungen, wonach der Beschwerdeführer (zusammengefasst) im Tatzeitraum in seinen Abgabenerklärungen Umsätze verschwieg und dadurch vorsätzlich Verkürzungen an Umsatzsteuer bewirkte, wobei es ihm darauf ankam, sich durch diese Steuerersparnis mehrere Jahre hindurch eine Einnahme zu verschaffen (US 4 bis 6), keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall).

Mit dem Hinweis, dass sich das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) offenbar infolge eines Schreibfehlers (nicht auf § 33 Abs 1 FinStrG, sondern) auf § 31 Abs 1 FinStrG bezieht (US 12), und der Behauptung, in der angefochtenen Entscheidung wären wiederholt Namen „falsch geschrieben“, wird erneut kein Nichtigkeitsgrund zur Darstellung gebracht.

Hinzugefügt sei, dass die Richtigkeit der Subsumtion anhand des Vergleichs der Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) mit dem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) zu prüfen ist (RIS Justiz RS0099810) und dass Letzterer hier von der Beschwerde unbestritten nach § 33 Abs 1 (und § 38 Abs 1 lit a) FinStrG erfolgte (US 2).

Der Rüge zuwider widersprechen (Z 5 dritter Fall) einander die Konstatierungen, wonach der Beschwerdeführer einerseits hinsichtlich der Jahre 2003 bis 2007 Umsatzsteuer hinterzog (US 4 bis 6), andererseits aber (insoweit abweichend vom Anklagevorwurf [ON 69]) in Bezug auf denselben Zeitraum eine Hinterziehung von Einkommensteuer nicht feststellbar war (US 11), nicht.

Zwischen der Annahme gewerbsmäßigen Handelns und der Negativfeststellung zur Hinterziehung von Einkommensteuer besteht schon deswegen kein Widerspruch, weil die Qualifikationsnorm des § 38 Abs 1 FinStrG nicht den tatsächlichen Zufluss von Einnahmen, sondern bloß die darauf gerichtete Absicht voraussetzt (RIS Justiz RS0086627, Lässig in WK² FinStrG § 38 Rz 2).

Ergänzt sei, dass Einkommensteuer nur nach Maßgabe der in § 2 Abs 2 EStG umschriebenen Saldierung von Einkünften und Abzugsposten anfällt.

Der Einwand, durch „die Begründung im Urteil“ sei die subjektive Tatseite nicht „ausreichend begründet bzw. indiziert“ (gemeint wohl Z 5 vierter Fall), entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer sachbezogenen Erwiderung.

Entgegen der Beschwerde gibt das Erstgericht die im Übrigen nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung sehr wohl in dieser im Sinn des § 258 Abs 1 StPO vorgekommene (ON 201 S 9) Aussage der Zeugin Hertha M*****, wonach der Beschwerdeführer (zwecks Umsatzverschleierung) Waren über die A***** Kundenkarte des Unternehmens I***** bezogen und bar bezahlt hat, keineswegs aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) wieder (siehe ON 2 S 81).

Der Umstand, dass die Tatrichter dieser Aussage entsprechende Angaben des Zeugen Günther Mö***** (ON 201 S 9 iVm ON 6 S 33, ON 80 S 15 ff) offenbar irrtümlich ebenfalls jener Zeugin zuordnen (US 8), vermag hieran nichts zu ändern.

Soweit die Beschwerde die Feststellungen zum strafbestimmenden Wertbetrag mit dem Hinweis, dass sich das Erstgericht insoweit auf die bezughabenden Abgabenbescheide stützt, die ihrerseits auf Schätzungen basieren, als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, verkennt sie die Bedeutung abgabenbehördlicher Ermittlungsergebnisse für das Finanzstrafverfahren:

Zurückgehend auf ein Erkenntnis eines verstärkten Senats aus dem Jahr 1991 (EvBl 1992/16) judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem Abgabenbescheid als dem Resultat eines fachspezifischen Ermittlungsverfahrens die Bedeutung einer qualifizierten Vorprüfung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des im diesbezüglichen Finanzstrafverfahren aktuellen Finanzvergehens zukommt (RIS Justiz RS0087030).

Prozessual betrachtet sind abgabenbehördliche Erhebungsergebnisse Beweismittel, aus welchem Grund sie in der Hauptverhandlung vorkommen müssen, um bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden zu können (§ 258 Abs 1 StPO). Sind sie wie hier in der Hauptverhandlung vorgekommen, muss sie das erkennende Gericht wie jedes andere Beweismittel auch auf ihre Beweiskraft prüfen (§ 258 Abs 2 erster Satz StPO), was für abgabenbehördliche Schätzungen (§ 184 BAO) ebenso gilt wie für alle anderen Arten abgabenbehördlicher Grundlagenermittlung ( Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 5).

Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit folgt daraus, dass der bloß pauschale Hinweis auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens nicht hinreicht, sondern die nachvollziehbare Bezugnahme auf konkret zu bezeichnende Aktenteile erforderlich ist (13 Os 50/09s, RIS Justiz RS0087030 [T1]), welchem Erfordernis die angefochtene Entscheidung entspricht (US 6 und 11).

Den abgabenbehördlichen Erhebungsergebnissen zum strafbestimmenden Wertbetrag entgegenstehende, gegebenenfalls unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall (allenfalls iVm Z 11 erster Fall [hiezu Lässig in WK² FinStrG Vorbem Rz 21]) erörterungsbedürftige, Verfahrensergebnisse zeigt die Beschwerde nicht auf.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich darin, aus den vom Erstgericht eingehend (US 6 bis 12) gewürdigten (in der Hauptverhandlung vorgekommenen) Verfahrensergebnissen anhand spekulativer, zum Teil aus keinen Bezug zu schuld oder subsumtionsrelevanten Umständen aufweisenden Aktenteilen entwickelten Überlegungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse abzuleiten, und wendet sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5 und 5a) in Bezug auf die subjektive Tatseite ein Konstatierungsdefizit behauptet, ohne darzulegen, welche über die vom Erstgericht getroffenen (US 6) hinausgehenden Feststellungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).

Das übrige unter nomineller Bezugnahme auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erstattete Vorbringen lässt keinen Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Indem die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a) das Fehlen der Sachverhaltsbasis für die Annahme steuerbarer Umsätze (§ 1 UStG) behauptet, ohne von den diesbezüglichen Urteilsfeststellungen (US 5 iVm US 6) auszugehen, ist sie einer meritorischen Erledigung ebenfalls nicht zugänglich (RIS Justiz RS0099810).

Auch mit dem aus der Behauptung, wonach die in Rede stehenden Waren „offensichtlich nach Deutschland gebracht worden sein sollen“, entwickelten Vorbringen orientiert sich die Nichtigkeitsbeschwerde nicht am Urteilssachverhalt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell verfehlt auch Z 5 und 5a), die Fehlen von Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit einwendet, argumentiert ebenso wenig auf der Basis der diesbezüglichen Konstatierungen (US 6; siehe erneut RIS Justiz RS0099810).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei ergänzt, dass die tatrichterlichen Feststellungen, nach welchen es dem Beschwerdeführer während des gesamten vier Jahre umfassenden Tatzeitraums „bei sämtlichen vom Schuldspruch umfassten“ Taten darauf ankam, sich durch die wiederholte Begehung „von Abgabenhinterziehungen“ eine fortlaufende, wiederkehrende Einnahme „im Sinne einer Steuerersparnis“ zu verschaffen (US 6, siehe auch US 12), die insoweit relevierte Subsumtion (nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG aF) sehr wohl tragen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Dieses wird zu beachten haben, dass das angefochtene Urteil an (vom Angeklagten nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall leidet (RIS Justiz RS0122140), weil das Erstgericht den (gemäß § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG auch im Finanzstrafverfahren zu berücksichtigenden) Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB nur hinsichtlich eines Teiles der vom Schuldspruch umfassten Taten annahm (US 12), aber in Bezug auf sämtliche Taten keine hinreichenden Feststellungen zur Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung traf (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS Justiz RS0122137 und RS0122138). Mit Blick auf den hier aktuellen Vorwurf, der Angeklagte habe Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, konkret die Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2007, hinterzogen, sind zur Beurteilung der allfälligen Tatvollendung (§ 33 Abs 3 lit a FinStrG) nämlich Konstatierungen dazu erforderlich, ob der Angeklagte Jahresumsatzsteuererklärungen abgegeben hat, gegebenenfalls, ob auf der Basis dieser Erklärungen Umsatzsteuerbescheide ergangen sind und ob (anders als nach der nunmehr geltenden Fassung des § 33 Abs 3 lit a FinStrG [BGBl I 2013/14]) allenfalls ergangene Bescheide in Rechtskraft erwachsen sind (zum Ganzen Lässig in WK² FinStrG § 33 Rz 31 sowie 33 bis 36 mwN). Die Feststellung, wonach „die Abgabenbescheide“ noch nicht in Rechtskraft erwachsen seien (US 6), reicht insoweit als Beurteilungsbasis schon deswegen nicht hin, weil sie nicht erkennen lässt, welche Bescheide damit angesprochen sind. In diesem Zusammenhang sei insbesonders darauf hingewiesen, dass Abgabenbescheiden, die nach Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 303 ff BAO) ergangen sind, für die hier aktuelle Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung (§ 33 Abs 3 lit a FinStrG) keine Relevanz zukommt.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.