JudikaturJustiz13Os76/06k

13Os76/06k – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. August 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Emrah I***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Emrah I***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 19. April 2006, GZ 37 Hv 13/06b-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Emrah I***** wurde des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 12. Jänner 2006 in T***** als Mittäter des Cengiz A***** dadurch, dass sie maskiert in die ESSO-Tankstelle A***** eindrangen, Emrah I***** den Franz L***** unter Vorhalt eines ca 20 cm langen Kreuzschraubenziehers hinter das Verkaufspult drängte, Cengiz A***** mit einem Stanley-Messer drohte und beide sodann mit der Forderung: „Bargeld, nur große Scheine!" die Öffnung der Kassenlade und eines Kastens verlangten, mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dem Genannten 631 Euro, Autobahnvignetten im Wert von 1.568, 80 Euro, Telefonwertkarten im Wert von 520 Euro und Rubbellose im Wert von 830 Euro unter Verwendung von Waffen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.

Der aus Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Für die Stellung einer Eventual- oder Zusatzfrage verlangen §§ 313, 314 Abs 1 und 316 StPO das "Vorbringen" von Tatsachen in der Hauptverhandung. Darunter ist nichts anderes zu verstehen als das Vorkommen einer erheblichen Tatsache in der Hauptverhandlung, einer Tatsache also, die, wäre sie im schöffengerichtlichen Verfahren vorgekommen, bei sonstiger Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO erörterungsbedürftig gewesen wäre. Die Erörterungsbedürftigkeit bestimmt sich unter dem Gesichtspunkt einer für den Prozessstandpunkt des Beschwerdeführers günstigeren Fallgestaltung (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42, 281 Rz 424). Die Fragenrüge (Z 6) macht jedoch nicht klar, weshalb die Einnahme von Substitutionsmitteln (Codidol in nicht genannter Menge und „drei bis vier Stück Somnobene") bei dem nach eigenen Angaben heroinabhängigen Angeklagten, statt - wie bei Drogensüchtigen üblich - die psychische Ausgeglichenheit wieder herzustellen, zur Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit führen hätte können, zumal der Angeklagte ohnehin zugestand, Cengiz A***** angerufen zu haben, weil er „Schmerzen habe und Tabletten brauche" (vgl S 333). Gleichermaßen unklar bleibt, weshalb es erforderlich gewesen wäre, nach unqualifiziertem Raub zu fragen, um es den Geschworenen zu ermöglichen, die Eigenschaft der beim Raub verwendeten Gegenstände als Waffe zu verneinen. Legt aber die gegen eine Verurteilung wegen einer gegenüber der angestrebten Fragestellung speziellen Norm gerichtete Fragenrüge nicht dar, warum durch die Unterlassung einer uneigentlichen Zusatzfrage (§ 316 StPO) trotz § 330 Abs 2 erster Satz StPO, welcher es den Geschworenen gestattet, eine Frage auch nur teilweise zu bejahen, und ungeachtet des dem Schwurgerichtshof nach § 317 Abs 2 StPO eingeräumten Ermessens eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden sein soll, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (13 Os 99/02 ua; vgl RIS-Justiz RS0116961).

Die Instruktionsrüge behauptet eine Vorsichtigkeit der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung, wonach als „Waffen im Sinn des § 143 Abs 1 StGB nicht nur Waffen im technischen Sinn, das heißt im Sinn des § 1 WaffG, sondern alle Gegenstände, die als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Raubdrohung geeignetes Instrument gebraucht werden und bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf den Ersteren gleichwertig sind", zu gelten haben, aufgrund der Richtlinie 91/477/EWG des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und Besitzes von Waffen und Art 7 MRK. Sie unterlässt jedoch mit dem bloßen Verweis auf „die Grundsätze der Freiheiten im Binnenmarkt" eine methodengerechte Ableitung ihrer These, wonach die Richtlinie den Mitgliedstaaten gebiete, den Waffenbegriff für alle innerstaatliches Rechtsbereiche abschließend und bindend zu definieren. Auf das weitere Vorbringen, wonach als entsprechendes, die Richtlinie ausführendes innerstaatliches Gesetz das WaffenG 1996 erlassen worden sei, dort aber weder das Stanley-Messer noch der Kreuzschraubenzieher erwähnt werden, war demgemäß nicht mehr einzugehen.

Bleibt klarzustellen, dass die Richtlinie Mindeststandards betreffend den (Handels- und Reise )Verkehr mit Waffen vorgibt. Die Ausgestaltung von Strafbestimmungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von (auch legal besessenen) Waffen ist von diesen Vorgaben in keiner Weise betroffen.

Nichts anderes gilt für das aus Z 12 unter vager Berufung auf diese Rechtsakte erfolgte Bestreiten der Eigenschaft des Stanley-Messers und des Kreuzschraubenziehers als Waffe im Sinn des § 143 Abs 1 erster Satz StGB.

Im Übrigen stimmen herrschende Lehre und ständige Rechtsprechung darin überein, dass die Verwendung einer Waffe im Sinn des WaffG 1996 für eine Subsumtion nach § 143 Abs 1 erster Satz (zweiter Fall) StGB zwar hinreicht, aber nicht notwendig ist, es für die Annahme dieser Qualifikation vielmehr auf eine spezifisch kriminologische Beurteilung, nämlich die objektive Gefährlichkeit und die Eignung ankommt, die Glaubwürdigkeit des Angriffs zu erhöhen und damit den Gewahrsamsbruch zu erleichtern (Lewisch BT I2 216, Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 143 Rz 15 f mwN, Eder-Rieder in WK2 § 143 [2006] Rz 19). Sowohl Stanley-Messer als auch Schraubenzieher aber wurden in der Rechtsprechung als einer Waffe im Sinn des WaffG 1996 gleichwertig beurteilt (Eder-Rieder in WK2 § 143 [2006] Rz 18; vgl auch Fabrizy StGB9 § 143 Rz 5).

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 344 zweiter Satz, 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§§ 344 zweiter Satz, 285i StPO). Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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