JudikaturJustiz13Os7/19g

13Os7/19g – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. April 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Mag. Markus V***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. Juni 2018, GZ 38 Hv 11/14y 413, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Markus V***** gemäß § 214 FinStrG von der Anklage freigesprochen, er habe im Bereich des Finanzamts Salzburg Stadt „als Einzelunternehmer vorsätzlich

1. unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe von unrichtigen Umsatz- und Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2004 bescheidmäßig festzusetzende Abgaben und zwar Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt EUR 508.245,76 (1999 EUR 3.633,64; 2000 EUR 66.799,42; 2001 EUR 66.512,87; 2002 EUR 75.213,03; 2003 EUR 128.803,22; 2004 EUR 119.019,41; 2005 EUR 48.264,17) und Einkommenssteuer in Höhe von EUR 799.791,31 (1999 EUR 6.518,75; 2000 EUR 71.231,73; 2001 EUR 62.837,30; 2002 EUR 89.622,25; 2003 EUR 252.470,21; 2004 EUR 226.825,27; 2005 EUR 90.285,80) insgesamt sohin EUR 1,324.603,73 verkürzt;

2. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem in § 21 des UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2006, eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in Höhe von EUR 16.666,67 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten;

3. durch Ausstellen von Scheinrechnungen betreffend Bauarbeiten am Einfamilienhaus von Susanne D***** dazu beigetragen, dass diese vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Umsatz- und Einkommenssteuererklärungen für das Jahr 2005, bescheidmäßig festzusetzende Abgaben und zwar Umsatzsteuer in Höhe von EUR 1.997,- und Einkommenssteuer in Höhe von EUR 4.992,50, insgesamt sohin EUR 6.989,50 verkürzte;

4. durch Ausstellen von Scheinrechnungen an die S***** GmbH Co KG betreffend der Errichtung eines Einfamilienhauses der Ehegatten S*****, dazu beigetragen, dass Christian S***** vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001, eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe und zur Umsatzsteuer in Höhe von EUR 10.682,81 verkürzte;

5. durch Ausstellen von Scheinrechnungen an die Rechtsanwaltskanzlei G***** betreffend Bauarbeiten am Einfamilienhaus von Dr. Silvia H***** dazu beigetragen, dass Dr. Silvia H***** vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Einkommenssteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2004 eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe und zwar Einkommenssteuer in Höhe von EUR 10.683,47 (2002 EUR 3.000,-; 2003 EUR 1.701,09; 2004 EUR 5.982,38) verkürzte,

wobei es ihm bei 1. und 2. jeweils darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.“

In tatsächlicher Hinsicht bejahte das Schöffengericht die Vorwürfe 3, 4 und 5 (US 16 f), die Vorwürfe 1 und 2 dagegen sah es als nicht erwiesen an (US 14 f). Ausgehend davon verneinte es die gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung der dem Angeklagten zur Last gelegten Finanzvergehen (§ 53 Abs 1 FinStrG), weil die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus ersteren (3 bis 5) – für sich genommen – 100.000 Euro nicht übersteigen würde (US 17).

Dagegen wenden sich die auf Z 4 und 5, von der Finanzstrafbehörde darüber hinaus auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Finanzstrafbehörde.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Gegen ein freisprechendes Urteil kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur zum Nachteil des Angeklagten ergriffen werden (§ 281 Abs 1 StPO). Dieser selbst aber kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur zu seinen Gunsten ergreifen (§ 282 Abs 1 StPO). Zur Bekämpfung seines Freispruchs ist der Angeklagte daher nicht legitimiert.

Im Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Finanzvergehen, das – nach nunmehr ständiger Rechtsprechung (14 Os 116/05y, SSt 2005/76; RIS-Justiz RS0120367 [insbesondere T1 und T2], zuletzt 13 Os 94/16x) und herrschender Lehre ( Lässig in WK 2 FinStrG § 214 Rz 1; Lendl , WK-StPO § 259 Rz 45 f; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 627 ff) – keine andere Art des Freispruchs durch die Gerichte als jenen nach § 214 FinStrG kennt, gilt nichts anderes (§ 195 Abs 1 FinStrG; RIS-Justiz RS0098988 [T3], vgl auch RS0086761 [T3] und RS0086772 [T1]; vereinzelt und solcherart überholt dagegen 11 Os 60/91).

Die – zudem nicht innerhalb der hiefür zur Verfügung stehenden Frist (§ 284 Abs 1 StPO) angemeldete – Nichtigkeitsbeschwerde wurde daher von einer Person eingebracht, der sie nicht zukommt (§ 285a Z 1 StPO).

Hinzugefügt sei, dass eine die Verwirklichung eines (nicht gerichtlich, sondern) finanzstrafbehördlich zu ahndenden Finanzvergehens bejahende Begründung eines Freispruchs nach § 214 FinStrG die Finanzstrafbehörde nicht bindet ( Lässig in WK 2 FinStrG § 214 Rz 1 und 3 sowie Ratz , WK-StPO § 281 Rz 628 ff, je mwN).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde:

Nach den zu 1 getroffenen Urteilskonstatierungen sei dem Angeklagten in Bezug auf sämtliche (US 14: „in diesem Umfang“; „im Zweifel insgesamt“) betreffenden Abgabenverkürzungen – die das Erstgericht in objektiver Hinsicht als der Höhe nach jeweils nicht feststellbar ansah (vgl US 3 bis 14) – jedenfalls die „subjektive Tatseite“ „nicht mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu unterstellen“ (US 14). Auch bei der ihm zu 2 angelasteten – von den Tatrichtern in objektiver Hinsicht bejahten (US 15) – Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen habe er jeweils „nicht vorsätzlich“ gehandelt (US 15).

Den Freispruch trägt (mit Blick auf die Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge) schon für sich allein die zu 1 getroffene Negativfeststellung zum subjektiven Handlungselement. Soweit sich die Beschwerde dagegen wendet, gelingt es ihr nicht, Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO (instruktiv dazu statt vieler: 13 Os 143/15a) prozessförmig aufzuzeigen:

Dass die tatrichterliche Begründung dieser Negativfeststellung „aktenwidrig“ (Z 5 letzter Fall) sei, wird nur substratlos behauptet.

Mit dem Einwand, eine beweiswürdigende Urteilserwägung widerspreche der (als solche keineswegs unter Nichtigkeitssanktion stehenden – RIS-Justiz RS0116749) Begründung für die Abweisung eines Beweisantrags, wird ein Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall nicht geltend gemacht (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 437).

Dem Vorwurf der „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die bekämpfte Negativfeststellung keineswegs allein damit begründet, dass sich der Angeklagte „als bloße Zahlstelle gesehen“ habe und „diese Vorgehensweise im Zuge der letzten Betriebsprüfung steuerlich nicht beanstandet“ worden sei. Vielmehr sah es die („vorsätzliches Handeln“ leugnende) Verantwortung des Angeklagten für nicht widerlegt an und ging auf dieser Basis – willkürfrei – davon aus, er habe die steuerrechtlichen „Konsequenzen“ seines Verhaltens nicht „auch nur ansatzweise im Blick“ gehabt (US 14 f).

Indem es teils beweiswürdigende, teils rechtliche Überlegungen zur Sinnhaftigkeit der „Vorgehensweise“ des Angeklagten anstellt und daraus jenen des Erstgerichts entgegengesetzte Schlüsse gezogen wissen will, erschöpft sich das Rechtsmittel in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

Gleiches gilt für die Kritik, aus „den vorgelesenen Akten“ und (nicht näher bezeichneten) „Aussagen“ mehrerer Kunden des Angeklagten gehe „unmissverständlich“ hervor, dass dieser „einen Tatplan hatte und mit System die malversiven Handlungen durchführte“, er ferner „die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer vorsätzlich verkürzt“ hätte und dabei „planmäßig und systematisch vorgegangen“ sei. Dass konkrete (in der Hauptverhandlung vorgekommene – § 258 Abs 1 StPO) Beweisergebnisse unerörtert (Z 5 zweiter Fall) geblieben wären, obwohl sie der betreffenden Negativfeststellung (zur subjektiven Tatseite) entgegenstünden, behauptet sie nicht.

Das weitere Vorbringen (Z 4, 5 und 9 lit a) versucht (im Kern), den abgabenbehördlichen Feststellungen zur Höhe der (aus vom Freispruch 1 umfassten steuerlichen Sachverhalten resultierenden) Verkürzungsbeträge zum Durchbruch zu verhelfen. Hierauf einzugehen erübrigt sich, weil

1. die – nicht erfolgreich mit Mängelrüge bekämpften – (Negativ-)Feststellungen zur (Freispruch 1 betreffenden) subjektiven Tatseite einem Schuldspruch jedenfalls entgegenstehen und

2. jene Beweisanträge (ON 412 S 12 ff), deren Abweisung (ON 412 S 16) aus Z 4 gerügt wird, nach der jeweiligen Antragsbegründung (RIS-Justiz RS0099618) keineswegs auf den Nachweis der subjektiven Tatseite zielten (vgl § 281 Abs 3 zweiter Satz StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).