JudikaturJustiz13Os69/92

13Os69/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Markel und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Schützenhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ludwig H***** und Johann Heinz H***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.April 1992, GZ 7 e Vr 11.485/91-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Raunig, und des Verteidigers Dr.Mayer, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch der beiden Angeklagten vom Anklagevorwurf nach dem § 229 Abs 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung sowie der Widerrufsbeschlüsse gemäß dem § 494 a StPO aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Ludwig H***** und Johann Heinz H***** sind überdies schuldig, sie haben am 18.Oktober 1991 in Mauerkirchen eine Urkunde, über die sie nicht verfügen durften, nämlich ihren Originalspielschein bezüglich der 42.Lottorunde des Jahres 1991 dadurch, daß sie ihn, nachdem sie die Trafikantin der Lottoannahmestelle abgelenkt hatten, an sich nahmen, unterdrückt, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, zu verhindern, daß die Urkunde zum Beweis einer Tatsache, daß die beiden Angeklagten nicht den richtigen Lottotip abgegeben haben, gebraucht werde.

Ludwig H***** und Johann Heinz H***** haben hiedurch das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB begangen und werden hiefür sowie für das ihnen nach dem unberührt bleibenden Schuldspruch weiterhin zur Last liegende Verbrechen des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB gemäß dem § 147 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen in der Dauer von jeweils

drei Jahre

verurteilt.

Gemäß dem § 43 a Abs 4 StGB wird bei Ludwig H***** ein 26 (in Worten: sechsundzwanzig) Monate betragender Teil der Strafe und bei Johann Heinz H***** ein solcher von 28 (in Worten: achtundzwanzig) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von jeweils drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung hierauf verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ludwig H***** und Johann Heinz H***** jeweils des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt, jedoch von dem weiteren gegen sie erhobenen Anklagevorwurf der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1 StGB) gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen versuchten die beiden Angeklagten im Oktober 1991 die Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H. durch die Vortäuschung eines Spielgewinnes im ersten Rang (mit sechs richtigen Zahlen) zur Auszahlung des darauf entfallenden Gewinnbetrages in der Höhe von 28,241.429 S zu veranlassen. Bei der Lotto-Annahmestelle, einer Trafik in Mauerkirchen, wurde damals noch das sogenannte "Offline"-Spielsystem angewendet, bei dem das Original des dreiteiligen Wettscheines von der Annahmestelle zum Zweck der Einsatz- und Rangermittlung an die Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H. zu übermitteln war, während eine "Blaupause" (Durchschlag) bei der Annahmestelle verblieb und der Spielteilnehmer einen weiteren Durchschlag als Quittung zur Geltendmachung eines allfälligen Gewinnes ausgefolgt erhielt. Die Besonderheiten dieses Spielsystems machten sich die Angeklagten ihrem Tatplan gemäß zunutze, indem Ludwig H***** zunächst - unter Freilassung eines (vierten) Feldes für spätere Manipulationen - einen Wettschein ausfüllte. Anschließend suchten die beiden Angeklagten die oben genannte Trafik auf, wo ihnen nach Registrierung ihre Spielteilnahme und vorläufiger Ablage des Originalscheines samt Blaupause zwecks späterer Weiterleitung an die Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H. die vorgesehene Quittung übergeben wurde. In weiterer Verfolgung ihres Tatplanes brachten sie hierauf das noch in der Trafik verwahrte Original des Spielscheins samt Blaupause wieder in ihren Besitz, weil das Gelingen des verabredeten Täuschungsvorhabens die Unterdrückung dieses Originalscheines voraussetzte. Die Entfremdung dieser Urkunden erfolgte in der Weise, daß Ludwig H***** die Verkäuferin ablenkte, während Johann Heinz H***** Original (samt Blaupause) an sich nahm. In der Folge gab letzterer die beiden Scheine an Ludwig H***** weiter, welcher das Original wegwarf, die Blaupause im Handschuhfach seines PKW's aber liegen ließ, wo sie im Zuge der polizeilichen Erhebungen schließlich sichergestellt wurde. Nach erfolgter Lottoziehung ergänzte Ludwig H***** auf dem in seinem Besitz befindlichen und als Quittung vorgesehenen Durchschlag des Lottoscheines das freigelassene Feld durch Ankreuzen der entsprechenden Gewinnzahlen, worauf beide Angeklagte ihren solcherart vorgetäuschten Gewinn bei der Annahmestelle und bei der Österreichischen Lotterien Gesellschaft m. b.H. geltend machten, in der Folge aber der Verfälschung ihrer vorgelegten Quittung überführt werden konnten.

Die hier aktuelle Unterdrückung des Originalspielscheines beurteilte das Erstgericht unter Hinweis darauf, daß sie für die Realisierung des Betrugsvorhabens unvermeidbar war, aber auch auf den erheblich geringeren Unrechtsgehalt einer solchen Urkundenunterdrückung gegenüber der (versuchten) Betrugstat als eine von letzterer mitumfaßte (bloße) Begleittat und gelangte insoweit zu einem Freispruch gemäß dem § 259 Z 3 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Staatsanwaltschaft der Sache nach zutreffend aufzeigt, kommt eine Konsumtion der Urkundenunterdrückung (die anklagekonform nur den Originalspielschein und nicht auch dessen - in der Beschwerde offenkundig versehentlich erwähnte - Durchschrift zum Gegenstand hat; vgl. AS 393 sowie 395 iVm AS 347 und US 3 sowie 15) nicht in Betracht.

Für die Annahme einer (nicht selbständig strafbaren) Begleittat als Fall der Konsumtion (scheinbare Idealkonkurrenz), die nicht dasselbe Rechtsgut wie die Haupttat betreffen muß, ist wesentlich, daß sich die Tatbestandsverwirklichung nach der Eigenart des Angriffs als eine typische, mit einer anderen Deliktsverwirklichung (Haupttat) regelmäßig verbundene Begleiterscheinung darstellt und ihr schon der Natur nach gegenüber der Haupttat erheblich geringerer Unrechtsgehalt nicht ins Gewicht fällt, sondern von deren Unwert mitumfaßt wird (vgl. insbesondere Pallin, WK, Vorbem. zu § 28 StGB Rz 17; Leukauf-Steininger, Komm3, § 28, RN 46-48; Burgstaller, "Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht", JBl 1978, S 459 ff; ebenso 13 Os 76/89 ua). Für die Annahme einer solchen Begleittat bleibt hier - abgesehen davon, daß die Unterdrückung des Originalspielscheines und der anschließend durch Benützung des verfälschten Quittungsscheines angestrebte Betrug zueinander gar nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen - schon infolge Fehlens der erforderlichen Typizität des Zusammentreffens beider Delikte kein Raum; ist eine Urkundenunterdrückung doch keineswegs eine typische oder gar unvermeidliche Begleiterscheinung eines mit der Qualifikation des § 147 Abs 1 Z 1 StGB beschwerten Betruges.

Bei der den Beschwerdeführern angelasteten Urkundenunterdrückung handelt es sich aber auch nicht um eine (als Fall einer scheinbaren Realkonkurrenz zu wertende) nachbestrafte Vortat. Unabdingbare Voraussetzung für die Konsumtion einer Vortat durch die spätere Haupttat ist nämlich, daß sich beide Taten gegen dasselbe Rechtsgut richten und der durch die Vortat herbeigeführte Schaden nicht über denjenigen der Haupttat hinausgeht (insbesondere Pallin, WK, Vorbem. zu § 28 StGB, Rz 20; Leukauf-Steininger Komm3, § 28 StGB, RN 49 und 50; 12 Os 76, 77/91 u.a.). Schon die Identität des Rechtsgutes ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil § 229 StGB den Bestandschutz der Beweisfunktion von Absichtsurkunden zum Gegenstand hat, der vom Betrugstatbestand nicht erfaßt wird (vgl. hiezu neuerlich 12 Os 76, 77/91 ferner SSt 54/38; ebenso Kienapfel, WK, Vorbem. zu § 223 StGB, Rz 19 ff und § 229 StGB, Rz 5).

Eine Verdrängung der (auch nach dem Wissen und Willen der beiden Angeklagten) für die Realisierung des inkriminierten Betrugsvorhabens erforderlichen Urkundenunterdrückung (in subjektiver Hinsicht genügt das nach den Urteilsannahmen jedenfalls gegebene Begleitwissen, daß mit der Entfremdung - hier Unterdrückung - der Urkunde auch eine Verhinderung ihres Gebrauches im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken einhergeht; vgl. insbesondere SSt 51/21, SSt 54/38 und 13 Os 165/88) ist demnach nicht eingetreten, sodaß sich der Freispruch als rechtsirrig erweist.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem die Angeklagten Ludwig H***** und Johann Heinz H***** vom Anklagevorwurf nach dem § 229 Abs 1 StGB freisprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung gemäß dem § 38 StGB) aufzuheben, gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst zu erkennen, die beiden Angeklagten auch des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB schuldig zu sprechen und eine Neubemessung der Strafen vorzunehmen.

Dabei ging der Oberste Gerichtshof von den vom Erstgericht zutreffend angeführten Strafzumessungsgründen aus, zu denen als weitere Erschwerungsgründe allerdings das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie der Umstand, daß der Betrug zweifach qualifiziert ist, hinzukommen.

Nach sorgfältiger Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erachtet der Oberste Gerichtshof, daß jeweils eine dreijährige Freiheitsstrafe dem Verschulden der Täter und dem Unrechtsgehalt der von ihnen begangenen strafbaren Handlungen entspricht.

Der Umstand, daß die zugegebenermaßen mehrfach einschlägig vorbestraften Angeklagten bis jetzt noch nie in Strafhaft angehalten wurden und sie seit dem 28.Oktober 1991 das Übel eines tatsächlichen Freiheitsentzuges verspüren, rechtfertigt die Annahme einer qualifiziert günstigen Prognose im Sinne des § 43 a Abs. 4 StGB, sodaß insgesamt wie im Spruch zu erkennen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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