JudikaturJustiz13Os68/82

13Os68/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Juli 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Faseth, Dr. Bernardini, Dr. Müller und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführers in der Strafsache gegen Bernhard A und Artur A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 sowie 15 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengerichts vom 15. Februar 1982, GZ. 4 Vr 3469/81-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Kodek, und der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten Artur A, Rechtsanwalts Dr. Hanslik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch, soweit er die Beschädigung von zwei von den Angeklagten in Gebrauch genommenen Fahrzeugen betrifft, sowie im Ausspruch nach § 13 Abs 1 JGG. aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 14.November 1966 geborene Bernhard A und sein am 4.Jänner 1966 geborener Bruder Artur A, beide Schüler, des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 sowie 15 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt. Von der weiter gegen sie erhobenen Anklage, im bewußten Zusammenwirken am 26.September 1981

in Graz fremde Sachen, nämlich abgestellte Personenkraftwagen der Marke Peugeot 604 (Kennzeichen G 125), Peugeot 505, Peugeot 604, Peugeot 305 sowie den Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen G 1.133 und einen Abschleppwagen vorsätzlich beschädigt zu haben, indem sie mit diesen Kraftfahrzeugen teilweise gegeneinander auffuhren, teilweise an eine Stahltrennwand stießen, wobei ein Schaden an den Personenkraftwagen, der Trennwand und den Wandscheiben von rund 258.000 S (richtig laut Anklagemodifikation in S. 133: 295.430,36 S) eintrat, wurden sie gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen, zum Freispruch getroffenen Feststellungen haben die Angeklagten am 26.September 1981

im Werkstättenhof der Firma C in Graz, in deren Räumlichkeiten sie auch die den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Straftaten verübten, nacheinander zwei nicht näher bezeichnete Fahrzeuge in Gebrauch genommen, wobei sie durch fahrtechnische Fehler an andere Fahrzeuge und die Werkstättenwände anstießen. Der dadurch angerichtete Sachschaden beträgt insgesamt 295.430,36 S. Sie handelten dabei wie das Gericht insbesonders daraus ableitete, daß sie den zweiten Personenkraftwagen in der Hoffnung, mit diesem ohne Unfall fahren zu können, in Betrieb nahmen, nachdem sie mit der Handhabung des ersten Fahrzeugs nicht zurecht gekommen waren und dabei bereits Schaden verursacht hatten, weder mit direktem (gemeint: mit unbedingtem) noch mit bedingtem Vorsatz. Ein Schuldspruch wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 StGB kam nach Ansicht des Erstgerichts deshalb nicht in Betracht, weil die Sachherrschaft der Eigentümer - die Wagen wurden im Werkstättenhof benützt - nicht aufgehoben worden war.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; sie vertritt den Standpunkt, daß - von den Urteilsfeststellungen ausgehend - jedenfalls hinsichtlich des Gebrauchs von zwei Fahrzeugen, an denen ein Schaden von 121.946,32 S eingetreten sei, mit Schuldspruch nach § 136 Abs 1 und 3 StGB vorzugehen gewesen wäre, weil hiezu alle Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale erfüllt seien. Eine Einwilligung der jeweils Berechtigten, die von ihnen der Firma C zur Reparatur übergebenen Kraftfahrzeuge in Gebrauch zu nehmen, sei für beide Angeklagte nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Zufügung von darüber hinausgehenden, an anderen Fahrzeugen und den Wänden herbeigeführten Schäden im Betrag von - ihrer Berechnung nach - 173.282,03 S strebt die Beschwerdeführerin einen Schuldspruch der beiden Angeklagten nach § 125, 126 Abs 2 StGB an. Sie stützt sich dabei auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO, sucht der Sache nach aber eine mangelhafte Begründung der zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen darzutun. Sie behauptet, das Erstgericht habe es aus irriger Rechtsmeinung unterlassen, jene tatsächlichen Umstände über den Tathergang (den Gebrauch eines zweiten Fahrzeugs ungeachtet der Zufügung eines hohen Sachschadens beim Gebrauch des ersten) und über die Verhältnisse am Tatort festzustellen, die auf einen entsprechenden Vorsatz der Angeklagten hinweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist, soweit sie die Anwendung des § 136 Abs 1 und 3 StGB anstrebt, aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO im Recht. Entgegen der verfehlten untergerichtlichen Ansicht ist der Gewahrsamsbruch (Aufhebung der Sachherrschaft) mit einer dieser Gesetzesstelle zu subsumierenden Tathandlung zwar häufig, nicht aber notwendig verbunden (Kienapfel BT. II § 136 RN. 17). Einem Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 136 StGB steht auch die Fassung der Anklage nicht entgegen. Das Gericht ist an die rechtliche Beurteilung der Tat durch den Ankläger überhaupt nicht und an dessen Anträge nur insoweit gebunden, als es den Angeklagten nicht einer Tat schuldig erklären darf, auf welche die Anklage nicht gerichtet ist (§ 262, 267 StPO).

Deren Gegenstand (der inkriminierte Sachverhalt) ergibt sich hiebei aus dem Anklagesatz (siehe § 207 Abs 2 Z. 2 StPO) und der Anklagebegründung (siehe § 207 Abs 3 StPO) und umfaßt im vorliegenden Fall auch den unbefugten Gebrauch der Fahrzeuge. Die der Anklageschrift zugrundegelegte und in ihr beschriebene Tat bestand nämlich in der Herbeiführung eines Sachschadens durch Anstoßen an andere Fahrzeuge und die Werkstättenwände infolge Umherfahrens mit zwei Kraftfahrzeugen. Sieht man dieses Umherfahren, wie das Erstgericht, nicht als Ausführungshandlung einer vorsätzlichen Sachbeschädigung, so steht seiner strafrechtlichen Beurteilung (§ 262 StPO) als unbefugter Gebrauch der Fahrzeuge nichts im Weg.

Die Strafsache ist allerdings insofern nicht spruchreif, als aus den Urteilsfeststellungen weder zu entnehmen ist, welche Fahrzeuge die Angeklagten in Gebrauch nahmen, noch, welcher Schaden an diesen beiden Wagen entstanden ist. Der an den anderen Fahrzeugen und an den Werkstättenwänden angerichtete Schaden muß bei der strafrechtlichen Beurteilung nach § 136 Abs 3 StGB außer Betracht bleiben, weil diese Qualifikationsnorm ausdrücklich nur auf den Schaden 'am Fahrzeug' (womit das unbefugt gebrauchte gemeint ist) und an der Ladung sowie auf den Verbrauch von Betriebsmitteln abhebt.

Keine Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde zu, soweit sie einen Schuldspruch wegen schwerer Sachbeschädigung anstrebt. Alles, was insofern gegen die den Freispruch begründenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite vorgebracht wird, ist lediglich eine Bekämpfung der Beweiswürdigung und zielt darauf ab, aus den Verfahrensergebnissen andere Konstatierungen als die getroffenen abzuleiten oder aus den getroffenen Feststellungen andere Schlüsse als das Gericht zu ziehen. Damit wird aber weder der zitierte (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO) noch ein anderer Nichtigkeitsgrund gesetzmäßig dargestellt, insbesondere aber auch nicht ein Begründungsmangel des Urteils (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO) dargetan. Die mit den Denkgesetzen vereinbare Feststellung des Schöffengerichts, die Angeklagten hätten die von ihnen verursachten Beschädigungen weder als solche gewollt (beabsichtigt: § 5 Abs 2 StGB) noch bedacht und sich damit abgefunden (§ 5 Abs 1 StGB), ist im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpfbar. Es bedarf daher auch keiner Feststellung des Ausmaßes des sonach ohne Beschädigungsvorsatz herbeigeführten Schadens sowie der Größe der Gefahr des Schadenseintritts.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem freisprechenden Teil - jedoch nur insoweit, als der Freispruch die Beschädigung von zwei von den Angeklagten in Gebrauch genommenen Fahrzeugen betrifft - sowie im Ausspruch nach § 13 Abs 1

JGG.

aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im übrigen - soweit damit der Freispruch von der Anklage, weitere (nicht in Gebrauch genommene) Fahrzeuge sowie eine Trennwand und Wandscheiben vorsätzlich beschädigt zu haben, bekämpft wird - war die Beschwerde zu verwerfen.