JudikaturJustiz13Os62/87

13Os62/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 1987

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred R*** wegen des Vergehens nach §§ 159 Abs. 1 Z. 1, 161 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Verfügungen des Einzelrichters des Landesgerichts Innsbruck vom 23. Juli 1986 und vom 8.Oktober 1986, AZ. 36 Vr 1655/86, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache 36 Vr 1655/86 des Landesgerichts Innsbruck gegen Alfred R*** wegen §§ 159 Abs. 1 Z. 1, 161 StGB. verletzen die Verfügungen des Einzelrichters vom 23.Juli 1986 und 8. Oktober 1986, den Beschuldigten zu den Hauptverhandlungen am 7. Oktober 1986 und am 16.Dezember 1986 vorführen zu lassen, die Bestimmungen der §§ 221 Abs. 1, 488 StPO.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren AZ. 36 Vr 1655/86 des Landesgerichts Innsbruck stellte die Staatsanwaltschaft am 5.Juni 1986 gegen den am 1. Februar 1935 geborenen, beschäftigungslosen und in Wien wohnhaften Alfred R*** den Strafantrag wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z. 1, 161 StGB. Einem Antrag des Beschuldigten, die Strafsache im Hinblick auf seinen Wohnort gemäß § 63 StPO. dem Landesgericht für Strafsachen Wien zuzuweisen, wurde vom Obersten Gerichtshof nicht Folge gegeben (ON. 10). Hierauf wurde vom Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck die Hauptverhandlung für den 7.Oktober 1986 anberaumt; die Vorladung wurde dem Beschuldigten am 15.Juli 1986 zu eigenen Handen zugestellt. In einem Schreiben vom 21.Juli 1986 an das Landesgericht Innsbruck, welches dort am 22.Juli 1986 einlangte, teilte R*** unter anderem mit, er sei außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten einer Fahrt nach Innsbruck selbst zu tragen, und ersuchte um Vorführung oder um Kostenersatz für die Fahrt oder (neuerlich) um "Delegierung der Hauptverhandlung" an seinen Wohnsitz (Bd. I S. 454, 455). In seinem Antwortschreiben vom 23.Juli 1986 (dem Beschuldigten zu eigenen Handen am 30.Juli 1986 zugestellt) wies der Einzelrichter unter anderem auf die abweisende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über den Delegierungsantrag hin und teilte mit, daß ein Fahrtkostenersatz für Beschuldigte im Gesetz nicht vorgesehen und daß die Vorführung eines Beschuldigten zur Hauptverhandlung nur zulässig sei, wenn dieser unentschuldigt zum Verhandlungstermin nicht erschienen ist. Er fügte aber bei, daß es dem Gericht im Hinblick auf die Ankündigung des Beschuldigten, die Kosten der Zureise nach Innsbruck nicht tragen zu können, die Abweisung seines Delegierungsantrags und den ausdrücklichen Antrag auf Vorführung zweckmäßig erscheine, nicht erst das Ausbleiben des Beschuldigten in der Hauptverhandlung am 7.Oktober 1986 abzuwarten, sondern sogleich dessen Vorführung zu diesem Termin zu veranlassen. Auf diese Weise könnten unverhältnismäßige Verzögerungen vermieden werden, was nicht zuletzt auch im Interesse des Beschuldigten gelegen sei. Gleichzeitig verfügte der Einzelrichter die Vorführung des Beschuldigten zum vorgenannten Termin im Weg der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres (Bd. I S. 457, 458). Dementsprechend wurde der Beschuldigte durch Polizeirevierinspektor Leopold P*** und Polizeibezirksinspektor Ferdinand H***-Z*** von der Bundespolizeidirektion Wien mit der Bahn von Wien nach Innsbruck gebracht und am 7.Oktober 1986 zur Hauptverhandlung vorgeführt. Die Kosten der Vorführung wurden anhand der vorgelegten Reiserechnungen mit 1.974 S und 1.404 S bestimmt und angewiesen.

Die Hauptverhandlung vom 7.Oktober 1986 wurde nach Vernehmung des Beschuldigten, der mehrere Beweisanträge stellte, auf den 16. Dezember 1986 zur Einvernahme der beantragten Zeugen mit der Bemerkung vertagt, daß späterhin noch ein Gutachten eingeholt werden würde. Der Beschuldigte ersuchte hierauf, (auch) zur nächsten Hauptverhandlung vorgeführt zu werden, weil er die Fahrtkosten wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht selbst bestreiten könne. Die Verkündung des Vertagungsbeschlusses (samt allen weiteren erwähnten Umständen) wurde der Vorschrift des § 77 Abs. 2 StPO. entsprechend protokolliert. In der bloß mündlichen Bekanntgabe des neuen Hauptverhandlungstermins kann noch kein Ladungsfehler zum Nachteil des Beschuldigten erblickt werden (Mayerhofer-Rieder 2 Nr. 25 und 26 zu § 221 StPO.; Bertel 2 Rz. 186 und die dort angeführte Judikatur).

Der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck ordnete jedoch am 8. Oktober 1986 an, zur Hauptverhandlung am 16.Dezember 1986 den Beschuldigten in gleicher Weise wie zur Hauptverhandlung vom 7. Oktober 1986 vorzuführen und fügte dem Vorführungsauftrag noch bei, daß ein Beamter für die Vorführung genüge (Bd. I S. 487). Die Vorführung des Beschuldigten wurde aber (insoweit entgegen dieser Anordnung) neuerlich von zwei Beamten der Bundespolizeidirektion Wien (Polizeigefangenenhaus), nämlich von Polizeibezirksinspektor Josef S*** und Polizeiinspektor Kurt F***, durchgeführt, wofür anhand der gelegten Reiserechnungen die Kosten mit 1.970 S und 1.400 S bestimmt und angewiesen wurden. Die Hauptverhandlung vom 16. Dezember 1986 wurde zur Einholung eines Gutachtens - diesmal auf unbestimmte Zeit - vertagt.

Am 21.Dezember 1986 übermittelte der Beschuldigte dem Obersten Gerichtshof wie auch dem Bundesministerium für Justiz gleichlautende, mit "Hilfeersuchen" überschriebene Schriftsätze, in denen er nicht nur gegen angebliche Unzukömmlichkeiten anläßlich der zweiten "einvernehmlichen" (von ihm selbst beantragten) Vorführung zur Hauptverhandlung nach Innsbruck Stellung nahm, sondern auch einen neuen Antrag auf Zuweisung der Strafsache an das Landesgericht für Strafsachen Wien stellte (ON. 31 und 34). Der Antrag wurde nach prozeßordnungsgemäßer Behandlung durch die Untergerichte mit dem gesamten Faszikel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den neuerlichen Delegierungsantrag des Beschuldigten vorgelegt. Die Anordnungen der Vorführung des Beschuldigten Alfred R*** zu den beim Landesgericht Innsbruck anberaumten Hauptverhandlungen vom 7.Oktober 1986 und 16.Dezember 1986 stehen im Widerspruch mit den §§ 221 Abs. 1, 488 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 221 Abs. 1 StPO. ist der Tag der Hauptverhandlung dem Angeklagten bekanntzugeben, wobei die Vorladung des Angeklagten die Androhung zu enthalten hat, daß er im Fall seines Ausbleibens zu gewärtigen habe, daß je nach den Umständen entweder die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit vorgenommen oder er durch einen Vorführungsbefehl zur Verhandlung gestellt oder, falls dies nicht zeitgerecht ausführbar sei, die Hauptverhandlung auf seine Kosten (welche sodann unabhängig vom Ausgang des Verfahrens nach den Grundsätzen des § 381 StPO. festzustellen sind und deren Zahlung dem Angeklagten beschlußmäßig aufzutragen ist: Foregger-Serini 3 Erl. II zu § 221 StPO.) vertagt und er zur Verhandlung vorgeführt werde.

Hieraus ergibt sich, daß es nicht im Ermessen des Gerichts steht, einen Angeklagten von vornherein und ohne Vorliegen der im § 221 Abs. 1 StPO. angeführten Voraussetzungen - selbst im Einvernehmen mit dem Angeklagten - zu einer Hauptverhandlung vorführen zu lassen, mögen auch im Einzelfall Erwägungen der Prozeßökonomie für eine solche Vorgangsweise sprechen. Das Gericht hat nach der zwingenden Vorschrift des § 221 Abs. 1 StPO. erst bei tatsächlichem Ausbleiben des Angeklagten "je nach Umständen" darüber zu befinden, welche (vorher anzudrohenden) Ausbleibensfolgen in Vollzug gesetzt werden, nämlich, ob in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt wird (§§ 427, 459 StPO.) oder ob der Angeklagte (wenn kurzfristig möglich) sofort vorgeführt oder aber die Hauptverhandlung vertagt und der Angeklagte zur neuen Hauptverhandlung vorgeführt werden soll.

Die Anordnungen des Einzelrichters des Landesgerichts Innsbruck, den Beschuldigten im gegenständlichen Verfahren zu den Hauptverhandlungen am 7.Oktober 1986 und am 16.Dezember 1986 jeweils ohne Vorliegen der im § 221 Abs. 1 StPO. normierten Voraussetzungen vorführen zu lassen, verletzen daher das Gesetz in der zitierten Bestimmung, welche gemäß § 488 StPO. auch auf das Verfahren vor dem Einzelrichter anzuwenden ist.

Über die von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO. erhobene Nichtigkeitsbeschwerde war daher wie eingangs zu erkennen.

Rechtssätze
4