JudikaturJustiz13Os6/94

13Os6/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Obergmeiner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner S***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Oktober 1993, GZ 8 Vr 2180/93-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Werner S***** wurde mit dem angefochtenen Urteil der Verbrechen der teils versuchten Verwaltigung nach §§ 201 Abs. 2 und 15 StGB (1.) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 und 3 StGB

(3.) sowie des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB (2.) schuldig erkannt.

Ihm wurde angelastet, seine Lebensgefährtin Gabriela K***** außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB gewaltsam und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er sie an den Händen ins Schlafzimmer zerrte, sie daran festhaltend auf dem Bett niederdrückte und durch die Drohung, sie umzubringen, am 17. und 18.Juli 1993 zur Duldung des Beischlafes genötigt und dies am 19.Juli 1993 versucht (1.), sie am 17. Juli 1993 durch die geschilderte Gewalt und gefährliche Drohung zur Duldung des Ausrasierens ihrer Scham genötigt (2.) und am 18.Juli 1993, indem er äußerte, er werde sich eine "Puffen" (Schußwaffe) kaufen und sie alle, womit er seine Lebensgefährtin und ihre vier Kinder meinte, erschießen, zur Unterlassung eines Besuches bei einem Frauenarzt genötigt zu haben, wodurch besonders wichtige Interessen von Gabriela K***** verletzt wurden (3.).

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs. 1 Z 3, 4, 5 a, 9 lit a und 10 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde; indes zu Unrecht.

Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Vorschrift des § 252 StPO sei verletzt worden, was vom Gesetz ausdrücklich mit Nichtigkeit des Verfahrens sanktioniert werde (Z 3). Diese gesetzliche Vorschrift wurde durch das StPÄG 1993, BGBl 526/1993, in den Katalog des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO jener Vorschriften aufgenommen, deren Verletzung in der Hauptverhandlung mit Nichtigkeit bedroht ist. Nach Art IV Abs. 2 StPÄG 1993 haben (unter anderem) Änderungen der Voraussetzungen für die Erhebung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen keinen Einfluß, wenn die betroffene Entscheidung des Gerichtes vor dem 1.Jänner 1994 ergangen ist. Das angefochtene Urteil wurde vor diesem Zeitpunkt (nämlich am 28.Oktober 1993) gefällt, es fehlt somit bereits an der Voraussetzung zur Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt, daß über einen Beweisantrag des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht entschieden worden sei. Der Verteidiger beantragte dort "die Einvernahme der Zeugen Karl K***** und Romana S***** zum Beweis für das Verhalten der Zeugin (gemeint Gabriela K*****) und zur Erschütterung ihrer Glaubwürdigkeit" (S 165). Das Schöffengericht hat über diesen Antrag entgegen den Beschwerdeausführungen abweislich entschieden (ohne dies gesondert zu begründen, S 166). Der Beweisantrag nennt keine Tatsache, die durch die angebotenen Mittel unter Beweis gestellt werden soll, sondern besagt nur, daß der Angeklagte die Erschütterung der Glaubwürdigkeit einer Zeugin erreichen möchte. Damit erhält der beantragte Beweis den Charakter eines Erkundungsbeweises, mit dem das Gericht lediglich zu Ermittlungen veranlaßt werden soll, um die Frage zu klären, ob von bestimmten Beweisen eine Förderung der Wahrheitsfindung zu erwarten ist. Ein konkretes Vorbringen, inwieweit das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchen Gründen erwartet werden kann, daß die Durchführung der beantragten Beweise tatsächlich das von ihm behauptete Ergebnis haben werde, enthält der Antrag ebensowenig. In diesem Zusammenhang behauptet erst die Beschwerde, daß damit eine "Abnormität" des Tatopfers dargetan werden soll. Da das Erstgericht über den Beweisantrag jedoch auf Grund des Vorbringens in der Hauptverhandlung entscheiden mußte, kann in der Abweisung dieses Antrages eine Verletzung von Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht erblickt werden (siehe auch Mayerhofer-Rieder StPO3, ENr 19 zu § 281 Z 4).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich nur im Sinn einer (unzulässigen) Bekämpfung der Beweiswürdigung insgesamt gegen von den Tatrichtern als glaubhaft angesehene Aussagen der Zeugin Gabriela K***** und stellt ihr andere Zeugenaussagen gegenüber (Zeugen Maria E***** und Maria P*****), die schon nach ihrem Inhalt keineswegs im Gegensatz dazu stehen. Damit werden aber keine aktenkundige Umstände vorgebracht, die erhebliche Bedenken an den Feststellungsgrundlagen entscheidungswesentlicher Tatsachen hervorrufen können. Das Beschwerdevorbringen, es seien überhaupt keine Tatzeugen vorhanden gewesen, ist aktenwidrig angesichts des als Zeugin vernommenen Tatopfers.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet unter Bestreitung der Richtigkeit der Aussage des Tatopfers, der vorgeworfene Verbrechenstatbestand nach §§ 201 Abs. 2 und 15 StGB sei nicht gegeben, weil er sich nicht beweisen lassen werde und versucht auch in bezug auf die sonst dem Angeklagten angelasteten Straftaten die Angaben dieser Zeugin als offensichtliche Phantasiegebilde abzuqualifizieren. Die Beschwerde läßt damit den gesamten Urteilsinhalt, der die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale feststellt (US 2, 3, 5, 6) außer Acht und entbehrt auf diese Weise der gesetzordnungsgemäßen Darstellung. Denn die prozeßmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz und den daraus abgeleiteten Nachweis, daß dem Erstgericht dabei ein Rechtsirrtum unterlaufen ist.

Daran mangelt es auch der nominell auf Z 10, inhaltlich jedoch auf den Nichtigkeitsgrund nach Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge mit dem (aktenwidrigen) Vorbringen, zur Verfolgung des Verbrechens nach § 201 Abs. 2 StGB fehle der vom Gesetz nach § 203 Abs. 1 StGB vorausgesetzte Antrag der Lebensgefährtin des Angeklagten, weil dieser Antrag gar wohl gestellt worden ist (S 71, 106).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzgemäß ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 iVm 285 a Z 2 StPO) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, weshalb über die zugleich erhobenen Berufungen der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben wird (§ 285 i StPO).

Rechtssätze
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