JudikaturJustiz13Os55/23x

13Os55/23x – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. April 2023, GZ 51 Hv 11/23m-36.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (IV), demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* jeweils eines Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (I b) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1) StGB (III) sowie jeweils eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I a), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II) und des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs 1 (erster und zweiter Fall) SMG (IV) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er (soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung)

(III) fremde bewegliche Sachen folgenden Personen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

(a) am 20. Jänner 2023 in T* * F* Gegenstände im Gesamtwert von 1.367 Euro durch Einsteigen in dessen Wohnstätte sowie

(b) am 25. Jänner 2023 in G* * H* eine Jacke und 23,30 Euro Bargeld aus dem unversperrten PKW des Genannten, weiters

(IV) am 20. Jänner 2023 vorschriftswidrig psychotrope Stoffe, nämlich „30 Tabletten Rivotril mit nicht feststellbarem Reinheitsgehalt“, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Wie die Rechtsrüge zutreffend aufzeigt, ist das angefochtene Urteil im Schuldspruch IV mit Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO behaftet:

[5] Strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem Suchtmittelgesetz bezieht sich auf in der Suchtgiftverordnung oder in der Psychotropenverordnung angeführte Wirkstoffe. Ein Schuldspruch wegen einer strafbaren Handlung nach dem SMG (hier § 30 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG) setzt daher – vorliegend nicht getroffene – Urteilsfeststellungen voraus, wonach die tatverfangene Substanz einen dieser Wirkstoffe enthält. Die bloße Nennung des Marken- oder Handelsnamens von (allenfalls ein Suchtgift oder einen psychotropen Stoff enthaltenden) Tabletten (hier „Rivotril“, US 7) genügt diesem Erfordernis nicht (RIS Justiz RS0114428). Eine entsprechende Gerichtsnotorietät – etwa, dass „Rivotril“-Tabletten den in der Psychotropenverordnung angeführten Wirkstoff Clonazepam enthalten – würde daran nichts ändern, weil es in Betreff notorischer Tatsachen zwar keiner Beweisaufnahme, wohl aber deren Feststellung bedarf (RIS Justiz RS0124169 [insbesondere T1] und Ratz , WK StPO § 281 Rz 600).

[6] Die unter – solcherart zirkulärer (RIS-Justiz RS0119090) – Verwendung des Rechtsbegriffs „psychotrope Stoffe“ sowie des Marken- oder Handelsnamens „Rivotril“ mit „nicht mehr feststellbarem Reinheitsgehalt“ (eines jedoch ungenannt gebliebenen Wirkstoffs) getroffenen Urteilsfeststellungen (US 7) vermögen den Schuldspruch nach § 30 Abs 1 SMG somit nicht zu tragen.

[7] Schon der darin gelegene Rechtsfehler mangels Feststellungen (hier Z 9 lit a) führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

[8] Soweit sich die Subsumtionsrüge (Z 10) gegen den damit beseitigten Schuldspruch IV richtet, hat sie demnach auf sich zu beruhen.

[9] Die übrigen Einwände verfehlen ihr Ziel.

[10] Mit dem auf Z 3 und 11 gestützten Vorwurf, die Ausfertigung des Urteils würde (nicht in einem der in § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO angeführten Punkte, sondern) hinsichtlich der Entscheidungsbegründung vom Verkündeten abweichen, wird kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (RIS Justiz RS0123342 [insbesondere T1] sowie Ratz , WK StPO § 281 Rz 280).

[11] Die weitere Subsumtionsrüge (Z 10) bekämpft die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch III b umfassten Tat nach § 129 Abs 2 Z 1 StGB.

[12] Sie weist an sich zutreffend darauf hin, dass – auf der Basis der Urteilsfeststellungen – diese Tat (isoliert betrachtet) nicht die angesprochene Qualifikation, sondern bloß den Grundtatbestand (§ 127 StGB) erfüllt.

[13] Jedoch versäumt sie es, aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen (siehe aber RIS Justiz RS0116565), weshalb die Rechtsrichtigkeit der – hier vorgenommenen (Schuldspruch III a und b, US 3 und 6 f) – Zusammenfassung mehrerer Diebstähle zu einer Subsumtionseinheit sui generis (§ 29 StGB) voraussetzen sollte, dass jede einzelne dieser Taten sämtliche vom Gericht als begründet (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) erachteten Qualifikationsnormen erfüllt (zu nach § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheiten siehe im Übrigen RIS-Justiz RS0114927 sowie – eingehend – Ratz in WK 2 StGB § 29 Rz 1 ff).

[14] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – erneut im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Für den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

[15] Unter der Prämisse, die vom (aufgehobenen) Schuldspruch IV umfasste Tat sei in Bezug auf einen psychotropen Stoff begangen worden, wäre auf der Basis der weiteren diesbezüglichen Feststellungen des Ersturteils (US 7: „zum Eigenkonsum“) – worauf die Beschwerde (aus Z 10) im Übrigen mit Recht hinweist – (nicht nur § 30 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG, sondern auch) der privilegierende Tatbestand des § 30 Abs 2 SMG erfüllt.

[16] Sollte sich im zweiten Rechtsgang ebendies erweisen, wäre – weil die Tatbestandsvoraussetzung des § 30 Abs 2 SMG („ausschließlich zum persönlichen Gebrauch“) dem Diversionskriterium des § 35 Abs 1 SMG entspricht (RIS-Justiz RS0131952) – hinsichtlich dieser Tat ein Vorgehen nach §§ 35 Abs 1, 37 SMG geboten, sofern auch die weiteren Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl dazu 11 Os 21/18z mwN).

[17] Allerdings wäre diesbezüglich ein Freispruch zu fällen, sollte – nach der im zweiten Rechtsgang zu schaffenden Tatsachenbasis – der (nach dem Verfahrensergebnis allenfalls indizierte) Straflosigkeitsgrund nach § 30 Abs 3 Z 1 SMG verwirklicht sein.

[18] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

[19] Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
2