JudikaturJustiz13Os51/00

13Os51/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hildegard S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Dezember 1999, GZ 37 Vr 1218/98-126, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Hildegard S***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie zwischen 22. August 1995 und 24. März 1998 in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, anweisungsberechtigte Organwalter des Landes Tirol und anderer Rechtsträger durch Anbringen von unrichtigen Vermerken wie "Bankverbindung laut beiliegendem Erlagschein" auf den Rechnungen der Firma G***** GesmbH Co KG, sohin durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung verfälschter Urkunden, zu Überweisungen von insgesamt 18,4 Millionen S auf ihr Konto ***** bei der *****bank ***** AG, sohin zu Handlungen verleitet, die das Land Tirol, die Republik Österreich und weitere Rechtsträger im angeführten Betrag an ihrem Vermögen schädigten.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der vor dem Schöffengericht noch teilweise geständigen (S 281/VIII, US 22 ff) Angeklagten, die jedoch nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet aufgeschlüsselt in 23 Punkten, dass durch die Abweisung bzw mangelnde Berücksichtigung der darin genannten Beweismitteln Verteidigungsrechte verletzt worden wären. Dies trifft nicht zu.

Vorweg scheint es geboten, dem Beschwerdevorbringen hier aktuelle Rechtsgrundsätze voranzustellen, wodurch eine gesonderte und detaillierte Behandlung jedes einzelnen Beschwerdeargumentes bzw angebotenen Beweisantrages weitgehend entbehrlich wird:

Die erfolgreiche Geltendmachung formeller Nichtigkeitsgründe (hier: Z 4 und 5, 5a) setzt unabdingbar voraus, dass sich die Beschwerdeausführungen auf entscheidende, also entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende Umstände beziehen. Für Beweisanträge gilt zudem, dass Erkundungsbeweise, das sind solche, die nur die Frage erklären sollen, ob von bestimmten Beweisen eine Förderung der Wahrheitsfindung zu erwarten ist (unter anderem betreffend die Glaubwürdigkeit von Zeugen), oder ob überhaupt Beweismittel auffindbar sind, deren Heranziehung der Wahrheitsfindung dienlich sein könnten, grundsätzlich unzulässig sind; Gegenstand von Zeugenaussagen können nur wahrgenommene Tatsachen sein, nicht jedoch Meinungen oder Schlüsse.

Unter Zugrundelegung dieser Prinzipien ist zu erwägen:

Die in Punkt 1 der Verfahrensrüge genannten Beweismittel zielen teils - schon nach der Diktion des Antrages - auf bloße (persönliche) Meinungen von Zeugen ab, teils auf nicht erhebliche Tatsachen. Dass nämlich durch allfällige Fehlbetankungen bzw Fehler in der Buchhaltung der Firma G***** der Schadensbetrag von insgesamt 18,4 Millionen Schilling unter die angenommene Qualifikationsgrenze sinken würde, behauptet nicht einmal die Beschwerde.

Letzteres trifft auch für Punkt 2 der Beschwerde (iVm S 369/VIII) zu, welche unter Hinweis auf die seinerzeitige Abfertigungssumme, die der (geschädigte) Rechtsträger (Land Tirol) anlässlich der "einvernehmlichen" Dienstvertragsauflösung mit der Angeklagten dieser noch zugesagt hatte, bloß eine Minderung des Betrugsschadens, sohin lediglich einen allenfalls für die Strafbemessung (und somit die Berufung betreffenden) maßgeblichen Umstand behauptet.

Soweit Punkt 3 der Beschwerde unter Bezweiflung der Richtigkeit des ohnehin antragsgemäß ergänzten psychiatrischen Gutachtens (ON 100 und Seiten 423/VIII ff) die unterbliebene Einholung von ergänzenden Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Psychiatrie sowie der Buchprüfung und die Vernehmung zweier namentlich genannten Ärzte zum Beweis einer "schubweise" auftretenden Zurechnungsunfähigkeit samt "Kaufrausch" der Angeklagten moniert, ist zu entgegnen, dass die Meinung der im Antrag genannten psychiatrischen Fachärzte Dr. Pr***** und Univ. Prof. Dr. Bi***** vom Gerichtssachverständigen ohnedies berücksichtigt wurde (S 431/VIII, US 22), vom Sachverständigen auch Überlegungen über einen "Kaufrausch" angestellt wurden, die Voraussetzungen für die Aufhebung der Dispositionsfähigkeit der Angeklagten jedoch verneint wurden und die Beschwerde keine Umstände im Sinne der §§ 118, 125, 126 StPO über eine besondere Schwierigkeit bzw Mangelhaftigkeit des Gutachtens vorgebracht hat, die die nochmalige Befassung dieses Sachverständigen oder die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen erfordert hätte. In Ermangelung dessen zeigt sich, dass sich die Beschwerde insoweit wie ihr grundsätzlich das gleiche Thema ansprechende Punkt 7 im Kern gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter wendet.

Kein einziges der in den weiteren Punkten 4 bis 6 und 8 bis 21 der Verfahrensrüge genannten Beweismittel betrifft eine für die Lösung der Schuldfrage erhebliche Tatsache, sondern allenfalls bloß unbedeutende Tatmodalitäten, wie den Umfang des persönlichen Kontaktes der Angeklagten zur Zeugin Katharina G*****, deren allfälliges Wissen um die Malversationen der Angeklagten und allfälliges eigenes strafbares Verhalten, auch solches anderer Mitarbeiter der Firma G***** sowie die Frage der Beteiligung Verantwortlicher der *****bank ***** AG, wobei auch spekulativ eine (ohnehin festgestellte) Schädigung des Landes Tirol in die Überlegungen einbezogen wird.

Schließlich lassen die den Punkten 22 und 23 zugrunde liegenden Anträge - für die Obiges ebenfalls gilt - auf Vernehmung weiterer Zeugen einen Beitrag zur Lösung der Schuldfrage schon im Ansatz nicht erkennen.

Sämtliche der von der Beschwerde vermissten Beweisaufnahmen unterblieben daher zu Recht und wurden auch vom Schöffengericht mit durchaus zutreffender Begründung (US 26) abgelehnt.

Eine Mängelrüge (Z 5) kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie - neben dem Erfordernis der Bezugnahme auf entscheidungswesentliche Tatsachen - die Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit berücksichtigt, weshalb Einwendungen, die nur auf einzelne, isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen, von vornherein kein Erfolg beschieden sein kann. So ist die Frage, ob (bloße) Zahlungsverzögerungen ausschließlich auf den Privatkonsum der Angeklagten zurückzuführen sind (Punkt 1. dieser Rüge) ohne Relevanz, weil die, wenn auch verzögert geleisteten Zahlungen, gar nicht dem Betrugsschaden zugeschlagen wurden. Was an der Feststellung, spätestens im August 1995 sei der Angeklagten klar gewesen, dass sie zur Weiterleitung der in Hinkunft einlangenden Gelder an die Firma G***** nicht mehr in der Lage sein werde, undeutlich sein soll, ist unerfindlich. Dies trifft auch für den behaupteten inneren Widerspruch zwischen der zuvor genannten Konstatierung und dem Umstand zu, dass sich die Verhaltensweise der Angeklagten zwischen 1990 und März/April 1998 in keiner Weise verändert habe, lässt die Beschwerde doch die unterschiedlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite vor und nach dem Beginn der Tatzeit unberücksichtigt.

Im Kern bekämpft die Mängelrüge sohin unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung, was auch für die Tatsachenrüge (Z 5a) zutrifft, die mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen W***** keine sich aus den Akten ergebende Bedenken aufzeigen kann: Die Urteilsfeststellung, dass Katharina G***** nicht bekannt war, dass die Angeklagte die Gelder auf ihr eigenes Konto umleitete und (daher) auch nicht wollte, dass die Zahlungen des Landees Tirol mit schuldbefreiender Wirkung auf dieses Konto geleistet werden können, stützt sich nämlich auf die Aussage der Zeugin G***** selbst und die dazu vom Erstgericht ausführlich genannten Umstände für die Richtigkeit dieser Aussage.

Die Rechtsrügen, welche einerseits (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) einen anklagekonformen Schuldspruch wegen Untreue nach § 153 StGB, andererseits (9 lit b) den Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) anstreben, ignorieren den Urteilssachverhalt, wonach die Angeklagte keine durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis über die von den Rechtsträgern bezahlten Kaufpreise (für Öllieferungen) hatte, sondern die Anweisungsberechtigten mit Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz durch Täuschung zu den verfahrensgegenständlichen Überweisungen auf ihr Privatkonto verleitete (US 9 f, 25 f) und bestreiten die klaren Tatsachenfeststellungen zur Zurechnungsfähigkeit (US 21 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d), sodass über die Berufungen das hiefür zuständige Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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