JudikaturJustiz13Os45/13m

13Os45/13m – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael F***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. September 2012, GZ 14 Hv 14/12f 43, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil sowie demzufolge der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung von Probezeiten aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte, Letzterer auch mit seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael F***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens (richtig:) der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er am 2. Oktober 2011 in Klagenfurt

(A) Sabrina Fr*****, die aufgrund einer schweren Berauschung, sohin einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, unfähig war, die Bedeutung der Vorgänge einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er

I) an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er den Bereich ihrer Vagina berührte und mit seinem Finger in diese eindrang;

II) von ihr an sich eine geschlechtliche Handlung vornehmen ließ, indem er ihr sein Glied in den Mund steckte und sich von ihr sowohl oral als auch mit der Hand befriedigen ließ, wobei er gleichzeitig an ihr eine geschlechtliche Handlung vornahm, indem er sie erneut im Bereich der Vagina berührte und seinen Finger in diese einführte;

(B) öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, die oben unter (A) geschilderten geschlechtlichen Handlungen an und mit Sabrina Fr***** vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die ausschließlich gegen den Schuldspruch A vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass dem bekämpften Schuldspruch ein Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite anhaftet.

Nach den tatrichterlichen Konstatierungen war dem bei den Taten alkoholisierten (zirka 1,2 Promille Alkohol; US 5) Angeklagten zwar „der schlechte Zustand von Fr***** klar und unzweideutig erkennbar“ und hatte Sabrina Fr***** „zum Zeitpunkt der sexuellen Handlungen zumindest einen Alkoholisierungsgrad von 2,28 Promille und war während der gesamten sexuellen Handlungen auch im Zustande dieser schweren Berauschung(en) völlig unfähig, die Bedeutung dieser sexuellen Handlungen einzusehen, während dieser Zustand wie auch für das diese dabei umgebende Publikum auch für den Angeklagten unzweifelhaft als solches einschätzbar war und erkannt wurde“ (US 5 f).

Feststellungen, wonach der Angeklagte es aber auch zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, dass die von ihm bei Sabrina Fr***** wahrgenommene tiefgreifende Bewusstseinsstörung ein Fehlen der partiellen Diskretions oder Dispositionsfähigkeit bewirkt hat, sind der angefochtenen Entscheidung wie die Rüge zutreffend aufzeigt jedoch ebenso wenig zu entnehmen, wie Konstatierungen, wonach sich sein Vorsatz auf die Vornahme geschlechtlicher Handlungen erstreckte (vgl Philipp in WK² StGB § 205 Rz 20).

Da der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen eine Aufhebung des Schuldspruchs A bereits bei der nichtöffentlichen Beratung erfordert (§ 285e StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur davon, dass auch dem Schuldspruch B von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeit aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO zum Nachteil des Angeklagten mangels Feststellungen zur öffentlichen Begehung sowie zur subjektiven Tatseite anhaftet.

Es hätte nämlich eindeutiger Feststellungen bedurft, dass die geschlechtlichen Handlungen unmittelbar von einem größeren Personenkreis, mithin von etwa zehn Personen, wahrgenommen wurden (vgl Philipp in WK² StGB § 218 Rz 18; vgl demgegenüber US 5 f, wonach der Angeklagte und Sabrina Fr***** „umringt von Leuten“ waren, „die mehr und mehr auf diese Aktionen aufmerksam wurden“, eine „Menschenmenge mehrerer Personen“ „das Treiben“ beobachtete und „das sexuell öffentliche Treiben“ erst „im Rahmen einer polizeilichen Intervention“ ein Ende fand) und dass der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten die Art der geschlechtlichen Handlung, die dadurch bewirkte Belästigung und deren konkrete unmittelbare Wahrnehmung durch einen größeren Personenkreis sowie die Gefahr eines berechtigten Ärgernisses wenigstens einzelner dieser Personen umfasste ( Philipp in WK² StGB § 218 Rz 20).

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte waren mit ihren Berufungen auf die Aufhebung des Urteils, Letzterer zudem mit seiner Beschwerde auf die Aufhebung des zugleich mit dem Urteil ergangenen Beschlusses auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung von Probezeiten zu verweisen.