JudikaturJustiz13Os3/91

13Os3/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Januar 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Winge als Schriftführer

1. in der Strafsache gegen Gerald S***** wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach den §§ 15, 141 Abs. 1 StGB, AZ 10 U 221/90 des Bezirksgerichtes Hernals, sowie

2. in der Strafvollzugssache betreffend Gerald S***** wegen bedingter Entlassung, AZ 23 BE 2089/88 des Jugendgerichtshofes Wien,

über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes

(zu 1.) gegen den Vorgang der Verzögerung einer Verständigung gemäß dem § 494 a Abs. 8 StPO und

(zu 2.) gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 7. August 1990, GZ 23 BE 2089/88-17,

nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Das Gesetz wurde verletzt

1. durch den Vorgang, daß das Bezirksgericht Hernals von seiner gemeinsam mit der Strafverfügung vom 22.März 1990, GZ 10 U 221/90-3, getroffenen Entscheidung, vom Widerruf der bedingten Entlassung des Gerald S***** zu AZ 23 BE 2089/88 des Jugendgerichtshofes Wien abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, nicht unverzüglich den Jugendgerichtshof Wien verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 8 StPO;

2. durch den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 7. August 1990, GZ 23 BE 2089/88-17, womit die bedingte Entlassung des Gerald S***** für endgültig erklärt wurde, obwohl infolge der unter 1. erwähnten Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre noch nicht feststand, daß die bedingte Nachsicht des Strafrestes nicht widerrufen wird, in der Bestimmung des § 48 Abs. 3 StGB. Der gemeinsam mit der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hernals vom 22.März 1990, GZ 10 U 221/90-3, gefaßte Beschluß dieses Gerichtes wird insoweit, als damit die dem Gerald S***** bei seiner bedingten Entlassung zu AZ 23 BE 2089/88 des Jugendgerichtshofes Wien gewährte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, aufgehoben.

Dem Jugendgerichtshof Wien wird aufgetragen, die Bundespolizeidirektion Wien-Strafregisteramt hievon zu verständigen.

Text

Gründe:

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 23.Juni 1988, GZ BE 689/88-8, wurde der am 22.September 1969 geborene Gerald S***** mit Wirkung vom 29.Juni 1988 aus der Strafhaft bedingt entlassen, wobei ihm ein Strafrest von vier Monaten für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen und ein Bewährungshelfer bestellt wurde. Gemäß dem § 179 StVG wurde diese Strafvollzugssache vom Jugendgerichtshof Wien weitergeführt.

Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Hernals vom 22.März 1990 (rechtskräftig seit 26.April 1990), GZ 10 U 221/90-3, wurde Gerald S***** wegen des Vergehens der versuchten Entwendung nach den §§ 15, 141 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Vom Widerruf der oberwähnten bedingten Entlassung sah das Bezirksgericht Hernals gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO zwar ab, verlängerte jedoch gemäß dem § 494 a Abs. 7 StPO die Probezeit auf fünf Jahre. Die im § 494 a Abs. 8 StPO vorgeschriebene Verständigung des Jugendgerichtshofes Wien hievon wurde erst am 26. Juni 1990 verfügt und langte nach einer weiteren Verzögerung bei ihrer Abfertigung dort erst am 10.September 1990 ein.

Mittlerweile hatte allerdings der Jugendgerichtshof Wien mit rechtskräftigem Beschluß vom 7.August 1990, GZ 23 BE 2089/88-17, die bedingte Entlassung des Gerald S***** bereits für endgültig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß verletzt - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - das Gesetz, und zwar in der Bestimmung des § 48 Abs. 3 StGB. Denn Voraussetzung für die Endgültigerklärung einer bedingten Entlassung ist darnach, daß die bedingte Nachsicht des Strafrestes nicht widerrufen wird. Diese Voraussetzung lag aber - was freilich für den Jugendgerichtshof Wien aus seinen Akten nicht erkennbar war - zum Zeitpunkt der Beschlußfassung infolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit und der damit gegebenen Möglichkeit des späteren Eintrittes eines Widerrufsgrundes noch nicht vor.

Ursache dieser Gesetzesverletzung war die ihrerseits gesetzwidrige Säumnis im Bereich des Bezirksgerichtes Hernals, das gemäß dem § 494 a Abs. 8 StPO den Jugendgerichtshof Wien unverzüglich, d.h. sogleich nach seiner Entscheidung und ohne Rücksicht darauf, ob diese in Rechtskraft erwachsen ist oder nicht (EvBl. 1989/64), zu verständigen gehabt hätte, zumal das Ende der ursprünglichen Probezeit bereits heranstand.

Da sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Vorteil des Gerald S***** ausgewirkt haben, hatte es mit deren Feststellung sein Bewenden. Eine Bindungswirkung der früheren Entscheidung des Bezirksgerichtes Hernals bestand im vorliegenden Fall mangels Identität des Entscheidungsgegenstandes (vgl. abermals EvBl. 1989/64) nicht.

Somit bleibt der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien, womit die bedingte Entlassung des Gerald S***** für endgültig erklärt wurde, rechtswirksam. Dem Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals über die Probezeitverlängerung ist damit allerdings (nachträglich) der Boden entzogen worden, weshalb er aus Gründen der Rechtsklarheit auch formell zu beseitigen war.

Die darnach erforderliche Verständigung des Strafregisteramtes wurde dem Jugendgerichtshof Wien im Hinblick auf die an ihn gerichtete Anfrage (ON 19 im Strafvollzugsakt) aufgetragen.