JudikaturJustiz13Os26/23g

13Os26/23g – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Mag. Wunsch in der Strafsache gegen * T* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 9. Jänner 2023, GZ 18 Hv 86/22p 158, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * T* mehrerer („die“) Verbrechen des „versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, 130 Abs 2 erster und zweiter Deliktsfall StGB“ (I) und mehrerer Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Kraftfahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (II) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

(I) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert anderen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung derartiger Taten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen, welches nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung von anderen Mitgliedern dieser Vereinigung durch Einbruch wegzunehmen versucht, wobei er die Taten unter Einsatz besonderer Fähigkeiten und Mittel, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen, nämlich unter Einsatz von Radladern beging, und zwar

1) am 14. Juni 2019 in M* Gewahrsamsträgern der R* M* 161.430 Euro, indem sie mit einem Radlader die Glasfront der Bankfiliale durchbrachen und einen Geldausgabeautomaten mittels Spanngurt vor die Filiale zogen, wobei es aufgrund des nicht gelungenen Abtransportes des Geldausgabeautomaten beim Versuch blieb, und

2) am 26. Juni 2019 in L* Gewahrsamsträgern der R* L* 105.170 Euro, indem sie mit einem Radlader die Verglasung zum Foyer der Bankfiliale durchbrachen, einen Geldausgabeautomaten mit der Ladegabel des Radladers aus den Verankerungen brachen, ins Freie und dort auf die Ladefläche eines LKW hoben, mit dem sie ihn anschließend in ein Waldstück verbrachten (US 11 f), „wobei es aufgrund der misslungenen Öffnung des Geldausgabeautomatens bzw. Aufschneiden beim Versuch blieb“, weiters

II) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, und zwar

1) am 14. Juni 2019 in M* einen Radlader der Marke Komatsu und einen Klein-LKW der Type Mitsubishi L200 des Unternehmens E* H*, wobei sie sich die Gewalt über die Fahrzeuge jeweils mit einem zuvor durch Einbruch in die Geschäftsräumlichkeiten widerrechtlich erlangten Fahrzeugschlüssel (§ 129 Abs 1 Z 1 StGB) verschafften, sowie

2) am 26. Juni 2019

a) in B* einen LKW der Marke MAN des * F*, wobei sie sich die Gewalt über das Fahrzeug verschafften, indem sie eine kleine Seitenscheibe an der Beifahrertüre einschlugen, in das Fahrzeuginnere eindrangen und das Fahrzeug kurzschlossen (§ 129 Abs 1 Z 1 StGB), und

b) in L* einen Radlader mit Ladegabel der A* GmbH.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS-Justiz RS0115902).

[5] Der Verweis der Mängelrüge (Z 5) auf das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a) wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

[6] Die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten leitete der Schöffensenat aus den Angaben der Zeugin * Gh* ab, welche ihr Wissen nach ihrer vom Erstgericht als glaubwürdig erachteten Aussage von einem an der Tat Beteiligten, nämlich ihrem damaligen Ehemann, überliefert bekam (US 17 f). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung nicht zu beanstanden.

[7] Die damit im Widerspruch stehenden Angaben der Zeugen I*, M* und T* wurden von den Tatrichtern nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern mit eingehender Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 22 bis 24), wobei auch das zum Nachweis der Abwesenheit des Angeklagten vom Tatort zur Tatzeit vorgelegte Lichtbild nicht unberücksichtigt blieb (US 21 f).

[8] Die von der Mängelrüge im Zusammenhang mit einer Aussage der Zeugin * O* ausgemachte Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nicht vor. Eine solche begründet nur die – insoweit nicht behauptete – unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln, deren Wertung hingegen erfolgt im Rahmen des § 258 Abs 2 StPO (RIS Justiz RS0099431).

[9] Indem die Mängelrüge und die Tatsachenrüge darüber hinaus aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstigere Schlüsse ableiten als das Erstgericht, wenden sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[10] Soweit die Beschwerde die Feststellungen zur Begehung der vom Schuldspruch I umfassten Taten unter Einsatz besonderer Fähigkeiten (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB) kritisiert, die Begehung unter Einsatz je eines – jedenfalls ein besonderes Mittel im Sinn des § 70 Abs 1 Z 1 StGB darstellenden (vgl dazu RIS-Justiz RS0130766 und RS0132006) – Radladers aber zugesteht, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände, weil § 70 Abs 1 Z 1 StGB den Einsatz von „besonderen Fähigkeiten“ und jenen von „besonderen Mitteln“ als alternative Begehungsformen definiert (arg „oder“).

[11] Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht die Feststellung, der Angeklagte habe auch besondere Fähigkeiten (nämlich jene, einen Radlader zweckentsprechend zu bedienen,) eingesetzt, mängelfrei – jedoch von der Rüge prozessordnungswidrig übergangen (RIS-Justiz RS0119370) – aus der Aussage der Zeugin * Gh* abgeleitet hat.

[12] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt weder mit dem Hinweis auf die der Aussage der Zeugin * Gh* widersprechenden Zeugenangaben noch mit jenem auf das als angeblichen Alibinachweis vorgelegte Lichtbild beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[14] Hinzugefügt sei, dass die Annahme von Versuch statt Vollendung (dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 645) beim Schuldspruch I 2 auf der Basis der Feststellungen, wonach die Glasfront der Bank durchbrochen, der Geldausgabeautomat mit 105.170 Euro aus der Verankerung gerissen und sodann mit einem LKW in ein Waldstück verbracht worden ist (US 11 f), verfehlt ist (siehe dazu Stricker in WK 2 StGB § 127 Rz 130 ff). Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO (die im Übrigen gegebenenfalls nicht zum Nachteil des Angeklagten wirken würde) wird dadurch aber nicht bewirkt, weil der als mildernd angenommene Umstand, dass es „teilweise“ beim Versuch geblieben ist, durch die dargestellte Fehlannahme nicht tangiert wird.

[15] Rechtlich verfehlt ist zudem die Subsumtion der vom Schuldspruch I umfassten Taten (auch) nach § 129 Abs 1 Z 2 StGB, weil diese Qualifikationsnorm voraussetzt, dass sich ein diebischer Angriff auf eine Sache bezieht, die sich in einem (verschlossenen) „Behältnis“ befindet, welches vor der Sachwegnahme (RIS-Justiz RS0094099, RS0094013 und RS0093909) aufgebrochen oder mit einem der in § 129 Abs 1 Z 1 StGB genannten Mittel geöffnet wird, was hier gerade nicht festgestellt ist. Da dieser Rechtsfehler weder per se noch im Rahmen der erstgerichtlichen Strafbemessung (US 29) zum Nachteil des Angeklagten wirkt, gibt er aber keinen Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22).

[16] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[17] Dabei wird dieses zu beachten haben, dass der Strafausspruch an (nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO leidet ( Ratz , WK-StPO § 283 Rz 1), weil die – im Sinn des § 281 Abs 1 Z 10 StPO fehlerhafte – Aufspaltung der nach § 29 StGB im Schuldspruch I zu bildenden Subsumtionseinheit durch die aggravierende Wertung der Begehung mehrerer Verbrechen (US 29) bei der Strafbemessung zum Nachteil des Angeklagten veranschlagt worden ist ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 24).

[18] An die in Bezug auf die Qualifikationsnorm des § 129 Abs 1 Z 2 StGB und den Zusammenrechnungsgrundsatz des § 29 StGB gegebenen Rechtsfehler des Erstgerichts ist das Oberlandesgericht aufgrund der insoweit vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellungen nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

[19] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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