JudikaturJustiz13Os21/86

13Os21/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. März 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Brustbauer (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans Peter W*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 f. StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 9.Dezember 1985, GZ. 27 Vr 2186/85-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Kommar, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. Oktober 1985, GZ. 27 E Vr 1911/85-29, nunmehr zu verhängende Zusatzfreiheitsstrafe auf 16 (sechzehn) Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 25.April 1962 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Hans Peter W*** wurde des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB (1) und des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Linz am 4.März 1985 ihm (als Kellner) anvertraute, an die Firma A*** UND A*** Ges.m.b.H. abzuführende Tageslosungen von insgesamt 16.508 S sich zugeeignet (1) und am 13.August 1985 den (in einer Tiefgarage abgestellten) Personenkraftwagen, Marke VW-Passat, im Wert von 125.000 S dem Georg B*** gestohlen (2). Nur gegen den Schuldspruch wegen des Diebstahls (2) wendet sich der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher er ausführt, der sich aus den getroffenen Tatsachenfeststellungen ergebende Vorsatz sei entgegen der Meinung des Erstgerichts kein "Bereicherungsvorsatz" im Sinn des § 127 StGB, sondern bloß der Vorsatz, das erwähnte Fahrzeug unbefugt in Gebrauch zu nehmen (§ 136 StGB), weshalb die Tat nur als Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 (Abs. 1 und) Abs. 3 StGB beurteilt werden könne.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts fand der Angeklagte, welcher zuletzt keiner Beschäftigung nachging, zeitweilig keinen Wohnsitz hatte, sich teilweise von verschiedenen Freundinnen aushalten ließ, keinen Führerschein besitzt und bisher sechsmal, davon dreimal wegen Straftaten gegen fremdes Vermögen strafgerichtlich verurteilt wurde, am 13.August 1985 bei einer Tiefgarage in Linz den Personenkraftwagen des Georg B*** mit steckendem Startschlüssel vor. Er setzte das Fahrzeug in Betrieb und fuhr damit in der Folge bis zum 26.August 1985, an welchem Tag er - nachdem der damalige Standort des inzwischen vom Eigentümer als gestohlen gemeldeten Autos in Linz auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung ausgeforscht werden konnte - festgenommen wurde. Er legte mit dem Wagen in dieser Zeit rund 1.000 km zurück, tankte mehrmals um Beträge von einigen hundert Schilling, lieh das Fahrzeug auch anderen Personen bzw. ließ sie damit fahren und beschädigte es durch Anfahren an einen Baum und an einen Gartenzaun, wobei der dadurch am Fahrzeug entstandene Sachschaden rund 16.000 S betrug (S 121, 122).

Aus diesen auch unter Verwertung der Einlassungen des Angeklagten in freier Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen (S. 123, 124) folgerte das Gericht in rechtlicher Beziehung, daß Peter W*** bei der Sachwegnahme mit dem Vorsatz handelte, sich durch die Zueignung des Kraftfahrzeugs unrechtmäßig zu bereichern (S. 124, 125). Damit hat das Schöffengericht die für die rechtliche Beurteilung bindende Tatfrage (Leukauf-Steininger 2 , RN 16 zu § 136 StGB) entschieden; mangels Bekämpfung dieser Konstatierung mit Verfahrens- oder Mängelrüge hat die allein erhobene Rechtsrüge von dieser Grundlage auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der materielle Nichtigkeitsgrund dem Gesetz gemäß ausgeführt ist und die Beschwerde den normativen Begriff des (für den Diebstahl essentiellen) Bereicherungsvorsatzes mit dem Argument anders ausgelegt wissen will, daß einzelne vom Erstgericht für seine Feststellung herangezogene Indizien für sich allein nicht ausreichen, um den Diebstahlsvorsatz sinnfällig werden zu lassen, ist dem vorweg entgegenzuhalten, daß sich diese Beurteilung immer am Gesamtverhalten des Täters zu orientieren hat. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, ist für die Abgrenzungsfrage, ob die Entziehung eines Kraftfahrzeugs aus der Verfügungsgewalt des Berechtigten nach § 127 StGB oder aber nach § 136 StGB (allenfalls nach § 135 StGB) strafbar ist, die innere Tatseite von ausschlaggebender Bedeutung. Diese Beurteilung ist aber nach der beabsichtigten Dauer und Art der Benützung sowie dem Willen und der Möglichkeit des Täters, das Fahrzeug wieder zurückzustellen, unter Mitberücksichtigung aller Tatumstände vorzunehmen (Kienapfel, BT II, RN 164 zu § 127 StGB, LSK 1977/79 u.v.a.). Auf der Basis dieser vom Erstgericht erkannten Rechtslage haftet der bekämpften Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand des Diebstahls aber kein Rechtsirrtum an, zumal der Bereicherungsvorsatz nicht notwendigerweise die Vorstellung des Täters, sich das Fahrzeug für immer zuzueignen, voraussetzt, vielmehr die zeitweilige Überführung des Wirtschaftswerts des Fahrzeugs in das Vermögen des Täters oder eines Dritten genügt, wodurch nach außen hin ein eigentumsähnliches Verhältnis geschaffen werden soll (Leukauf-Steininger 2 , RN 18 zu § 136 StGB). Zu dem Vorbringen, das jeweilige Abstellen des mit dem Originalkennzeichen versehenen (dem Eigentümer aber nicht zugänglichen) Fahrzeugs auf öffentlichen Verkehrsflächen und dessen Verwendung nur im Stadtgebiet von Linz (dagegen Verantwortung, S. 112) habe die alsbaldige Rückerlangung des Personenkraftwagens durch den Berechtigten erwarten lassen, ist lediglich zu bemerken, daß bei der heutigen Verkehrsdichte - noch dazu in einer Stadt - darin kein allein ausschlaggebendes Indiz für einen mangelnden Diebstahlsvorsatz gesehen werden kann (12 Os 160/80, 10 Os 51/85).

Dem Urteil haftet somit der behauptete Subsumtionsirrtum nicht an, weshalb die Beschwerde zu verwerfen war.

Das Schöffengericht verurteilte Peter W*** nach §§ 28, 128 Abs. 2 StGB zu einer eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe und wertete als erschwerend drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd die teilweise Schadensgutmachung (durch Rückstellung des Autos).

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Wenn der Berufungswerber sowohl die Veruntreuung als auch den Diebstahl als Unbesonnenheit hinstellen will, kann ihm dies weder auf Grund seines (auch durch Seriendiebstähle gekennzeichneten) Vorlebens noch angesichts seines Verhaltens nach der Tat geglaubt werden. Auch von einer verlockenden Gelegenheit beim Autodiebstahl kann nicht gesprochen werden, weil er die Tatsache, daß das Fahrzeug (innerhalb einer ansonsten bewachten Garage) kurzfristig mit steckendem Startschlüssel abgestellt war, gezielt ausgenützt hat, um sich in den Besitz des Wagens zu setzen, ein Verhalten, das auch in anderen Vorstraftaten (§§ 108, 88 StGB) kriminologisch vorgezeichnet erscheint. Der Angeklagte vermag somit keine Umstände aufzuzeigen, die eine Strafermäßigung rechtfertigen könnten.

Allerdings konnte sich der Oberste Gerichtshof im Gerichtstag davon überzeugen, daß durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz vom 9.Jänner 1986, AZ 8 Bs 544/85, das im Spruch näher bezeichnete Urteil, mit dem nach der Zeit ihrer Begehung auch über die hier abgeurteilten Straftaten abgesprochen hätte werden können (§ 56 StPO), in Rechtskraft erwachsen ist, sodaß bei der Strafbemessung nach dem § 31 StGB auf die dort verhängte Sanktion (vier Monate Freiheitsstrafe) Bedacht zu nehmen ist. Da bei gemeinsamer Aburteilung eine Freiheitsstrafe von insgesamt 20 (zwanzig) Monaten angemessen gewesen wäre (§ 40 StGB), war die nunmehr zu verhängende Zusatzstrafe wie aus dem Spruch ersichtlich zu bemessen, sodaß insoweit der Berufung ein Erfolg beschieden ist.

Rechtssätze
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