JudikaturJustiz13Os16/02

13Os16/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. März 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2002 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lauermann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Klaus Otto B***** ua wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18. April 2001, GZ 28 Vr 625/99-110, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, des Verteidigers Dr. Moringer und des Angeklagten Dr. Klaus Otto B*****, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dr. Klaus Otto B***** wurde mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch einer Mitangeklagten und unbekämpft gebliebene Freisprüche enthält, des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 6. oder 7. April 1999 in Traun als mit der Leitung der Abteilung V (Polizeiabteilung bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) betrauter Beamter (mit Aufgabenbereich Waffenwesen, Fremdenrecht, Passwesen und sonstige sicherheitspolizeiliche Angelegenheiten) mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen in seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis im Rahmen des Landes Oberösterreich als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht hat, indem er den Geschäftsführer des Etablissements "Annabella", Erich P***** von der für 9. April 1999 in seinem Lokal vorgesehenen Fremdenkontrolle informierte, wodurch mehrere Prostituierte, Animierdamen und Tänzerinnen an diesem Tag den Aufenthalt in dem angeführten Lokal bis nach Beendigung der ergebnislos verlaufenen Fremdenkontrolle mieden, wodurch der Staat an seinem Recht auf Feststellung von sich illegal im Staatsgebiet aufhaltenden Personen und Ergreifung entsprechender fremdenrechtlicher Maßnahmen einschließlich der Strafverfolgung geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich als nicht zielführend. Mit dem Einwand, das Ersturteil lasse die durch Verfahrensergebnisse indizierte Annahme vermissen, wonach die am Abend der Kontrolle (9. April 1999) der "Annabella"-Bar ferngebliebenen Animiermädchen Elli, Regina und Isabella (möglicherweise) keine fremdenpolizeilichen Beanstandungen zu erwarten hatten, wird kein Begründungsfehler im Sinne der Z 5, sondern eine - mangels Entscheidungswesentlichkeit - für die Tatbegehung allerdings unerheblicher Feststellung begehrt. Der Beschwerde zuwider hat sich das Erstgericht eingehend mit dem Inhalt der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde vom 27. Oktober 1999 auseinandergesetzt und auch berücksichtigt, dass der Angeklagte in diesem Schriftsatz die Richtigkeit seiner ursprünglich geständigen Verantwortung bestritten hat (US 27 f, 47). Von einer unvollständigen Begründung kann daher keine Rede sein.

Im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) trachtet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Ergebnisse der Telefonüberwachung sowie der Rufdatenrückerfassung und der persönlichen Observation den Beweiswert seiner ursprünglich geständigen Verantwortung in Zweifel zu ziehen, sowie unter Erörterung des Inhalts der erwähnten Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde und der Aussage seines ehemaligen Verteidigers Dr. Christian R***** (wonach er - entgegen der bezüglichen Urteilsannahmen - bereits wesentlich früher auf die Unrichtigkeit seines Geständnisses hingewiesen hat), weiters unter Hervorhebung einzelner unbedeutender Ungereimtheiten in der Aussage der Zeugin Mag. Gertrud S***** über Anlass und Beginn des Konfliktes mit dem Angeklagten, schließlich auch mit spekulativen Überlegungen über die Ursache des Fernbleibens der Animierdamen am Abend des 9. April 1999 die Plausibilität der tatrichterlichen Erwägungen in Zweifel zu ziehen, indem er diesen bloß andere (für ihn günstigere) Würdigungsvarianten gegenüberstellt. Dabei unternimmt er lediglich einen zur Darlegung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ungeeigneten Angriff auf die Lösung von Tatfragen nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen amtswegig zu veranlassender Beweisaufnahmen, nämlich der zeugenschaftlichen Vernehmung der Untersuchungsrichterin Mag. F***** und der die Observation durchführenden Gendarmeriebeamten, rügt, versäumt er darzulegen, wodurch er bzw sein Verteidiger an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert war (§§ 232 Abs 2, 254 StPO; vgl 13 Os 99/00, 13 Os 145/00, 14 Os 137/01).

Der Rechtsmittelwerber vermag daher weder schwerwiegende unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zu Stande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen menschlichen Erfahrung geeignet wären, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen zu lassen. Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet - insbesondere unter Bezugnahme auf Bertel in WK2 § 302 Rz 22 -, dass das inkriminierte Verhalten nicht als Vornahme eines Amtsgeschäftes im Sinne des § 302 StGB angesehen werden könne. Die dem Angeklagten angelastete Verständigung habe weder der unmittelbaren Erfüllung amtsspezifischer Aufgaben eines Rechtsträgers gedient noch könne sie als Hoheitsakt oder einem solchen gleichwertig beurteilt werden. Ein Geheimnisverrat - wie der vorliegende - könne daher lediglich dem - mit geringerer Strafe bedrohten - § 310 StGB unterstellt werden.

Bei der hier aktuellen Subsumtionsfrage kommt es darauf an, ob der Angeklagte bei Tatbegehung in Ausübung einer ihm zustehenden Befugnis, namens des Rechtsträgers (hier des Landes Oberösterreich) als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte im Sinne des § 302 Abs 1 StGB vorzunehmen, gehandelt hat, sein Tatverhalten also in einem (engeren) Zusammenhang mit den von ihm als Organ des Rechtsträgers zu besorgenden Aufgaben stand. Unter den Begriff "Rechtsgeschäfte" fallen aber nicht nur Rechtshandlungen, sondern auch Verrichtungen tatsächlicher Art, die einem Hoheitsakt qualitativ annähernd gleichwertig sind (SSt 59/68 = JBl 1989, 260, EvBl 1990/5 = RZ 1990/35; 11 Os 113/98 und die dort zitierten Entscheidungen). Der Angeklagte war seit 1992 Leiter der Abteilung V der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, die unter anderem auch mit den Aufgaben der Fremdenpolizei (Vollziehung des Fremdengesetzes 1997) betraut war. In Erfüllung dieser Aufgaben hatte er auch - insbesondere bei Vorliegen entsprechender Verdachtsgründe - die Vornahme von (unangekündigten) Personenkontrollen in "Rotlichtlokalen" anzuordnen, um solcherart die Einhaltung der Bestimmungen des Fremdengesetzes zu überprüfen und gegen Personen, die sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, entsprechende fremdenpolizeiliche Maßnahmen (§ 33 FrG) zu ergreifen. Ein Beamter, der ungeachtet seiner Amtspflichten den Geschäftsführer eines Nachtclubs über eine bevorstehende (in seinen Verantwortungsbereich fallende) fremdenpolizeiliche Kontrolle informiert, setzt damit - ausgehend von den angeführten Prämissen - eine einem Hoheitsakt gleichwertige Handlung, weil auf diese Weise der Zweck der Maßnahme völlig vereitelt wird, und missbraucht damit seine Amtsbefugnis (JBl 1989, 595; 12 Os 116/88).

Die Weitergabe amtlicher Geheimnisse ist zwar grundsätzlich § 310 StGB zu unterstellen, wenn aber der Täter nicht bloß das Recht des Betroffenen auf Geheimhaltung, sondern weitergehend konkrete Rechte des Staates oder Einzelner beeinträchtigen will, dann ist der Geheimnisverrat als Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 StGB) zu

beurteilen (Leukauf/Steininger Komm3 § 310 RN 21, EvBl 1980/89 = JBl

1980, 554 = RZ 1980/7). Da vorliegendenfalls die dem Angeklagten

angelastete Warnung vom Schädigungsvorsatz zum Nachteil des konkreten staatlichen Überwachungsrechtes nach dem Fremdengesetz getragen war, haftet der Beurteilung der vom Schuldspruch erfassten Tat als Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB kein Rechtsirrtum an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 302 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Dabei wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd den bisherigen ordentlichen Wandel sowie den Umstand, dass das im Vorverfahren abgelegte Geständnis zum Verrat der Fremdenkontrolle wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Im Übrigen erachtete es unter Berücksichtigung der erheblichen beruflichen Nachteile der gegenständlichen Verurteilung für den Angeklagten und die relativ große Publizitätswirkung die Gewährung bedingter Strafnachsicht als vertretbar.

Dagegen richten sich die Berufungen des Angeklagten, der zum einen die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 37 StGB, zum andern eine Herabsetzung der Strafe unter Orientierung an § 41 Abs 1 Z 5 StGB begehrt und der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung der Freiheitsstrafe anstrebt.

Beide Berufungen sind nicht berechtigt.

Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe im Wesentlichen richtig erfasst und zutreffend gewichtet. Dabei hat es der Suspendierung des Angeklagten und der bereits erfolgten Versetzung zur Agrarbezirksbehörde Linz - somit Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters im Sinn des § 32 Abs 2 StGB - ausreichend Gewicht beigemessen. Dass es zwischen Mag. S*****, die die Abteilungen strukturieren wollte, und dem Angeklagten zu Spannungen über die Gestaltung der Arbeit gekommen ist, vermag keinen zusätzlichen Umstand mildernder Natur darzustellen.

Insgesamt hat das Erstgericht - entgegen dem Vorbringen beider Berufungen - der personalen Täterschuld und dem Tatunwert mit der verhängten Freiheitsstrafe gebührend Rechnung getragen, sodass kein Bedarf an deren Korrektur besteht. Die Verhängung einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe scheitert schon an der zutreffend über sechs Monate bemessenen Freiheitsstrafe (§ 37 Abs 1 StGB). Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.