JudikaturJustiz13Os144/14x

13Os144/14x – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. November 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing. Mag. Rudolf Fi***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Arno E***** und der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. November 2013, GZ 12 Hv 1/13x 439, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, des Angeklagten Arno E***** sowie seines Verteidigers Mag. Dohnal zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Arno E***** wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Genannte auf die Urteilsaufhebung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Arno E***** unter rechtlich verfehltem, prozessual unbeachtlichem Freispruch hinsichtlich einer Passage seiner Aussage (zu II/ des Ersturteils; vgl Lendl , WK StPO § 259 Rz 1 f, 6) des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 3 StGB idF BGBl I 2007/93 schuldig erkannt.

Demnach hat er am 14. Februar 2012 in W***** vor einem nach Art 53 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 eingesetzten Ausschuss, nämlich dem Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen, als Auskunftsperson bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er den Vorhalt „Haben Sie irgendwelche Wahrnehmungen, dass Herr W***** von der T***** AG Geld für den B***** Wahlkampf organisiert hat?“ mit „Nein“ beantwortete.

Hingegen wurde der Genannte gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf freigesprochen, er habe im September 2006 in W***** Vermögensbestandteile im Wert von mehr als 50.000 Euro, die aus einem Verbrechen, nämlich der im Urteil beschriebenen, von Mag. Gernot Sch***** und Mag. Wolfgang Fra***** begangenen Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB herrühren, wissentlich an sich gebracht, indem er als Geschäftsführer der O***** GmbH Kurt S***** anwies, am 26. September 2006 und am 29. September 2006 Rechnungen der O***** GmbH über insgesamt 320 .400 Euro zu bezahlen.

Der Angeklagte Arno E***** bekämpft den Schuld und den Sanktionsausspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit b und 11 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde.

Gegen den Freispruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt, kommt nur dem Rechtsmittel der Anklagebehörde Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Arno E*****:

Vorweg ist festzuhalten, dass dem Beschwerdevorbringen zuwider für das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen nicht die StPO, sondern die in der Anlage zum GOG enthaltene Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO UA) in der Fassung BGBl I 1997/131 anzuwenden war. Deren § 7 normiert, in welchen Fällen eine Auskunftsperson zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist. So sieht Z 1 des § 7 VO UA idF BGBl I 1997/131 unter anderem ein Entschlagungsrecht in Ansehung von Fragen vor, deren Beantwortung die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung für die Auskunftsperson nach sich ziehen würde.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet, dass „es bei den Geldern, nach den er befragt wurde, im Bewusstsein des Angeklagten, um solche illegaler Herkunft handeln muss“, weshalb die Feststellungen, „sofern sie das Bewusstsein das die Gelder von denen im U-Ausschuss die Rede ist nur solche legaler Herkunft behandeln, lebensfremd“ seien. Damit zeigt sie jedoch keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf, sondern wendet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert entschuldigenden Notstand nach „§ 290 StGB“, weil dem Nichtigkeitswerber eine richtige Beantwortung des Vorhalts „nicht zumutbar gewesen wäre, ohne sich einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen“.

Da die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen zu diesem Ausnahmesatz enthält, ist insoweit ein Feststellungsmangel geltend zu machen (RIS Justiz RS0122332; Ratz , WK StPO § 281 Rz 602). Dessen prozessordnungsgemäße Darlegung erfordert die auf Basis des Urteilssachverhalts vorzunehmende Argumentation, dass sich aus einem nicht durch Feststellungen geklärten, aber durch in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweise indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz ergebe, weil das Gericht soweit hier von Interesse einen Ausnahmesatz bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS Justiz RS0118580 [T15]).

Diesem Erfordernis wird die Beschwerde, die sich bloß in allgemeinen (Rechts )Ausführungen und der Behauptung erschöpft, das Eingeständnis des Wissens um die Zahlung wäre im Gesamtkontext ein Zugeständnis der Kenntnis von Schmiergeldzahlungen gewesen, nicht gerecht.

Die Sanktionsrüge (Z 11) bringt mit ihrer Forderung nach Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 11 StGB nur einen Berufungsgrund zur Darstellung (RIS Justiz RS0116960, RS0100043, RS0099920; Ratz , WK StPO § 281 Rz 728).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Arno E***** war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Auf die im Urteil näher beschriebene Weise hat Arno E***** als Geschäftsführer der O***** GmbH im September 2006 durch Scheinrechnungen 320.400 Euro an sich gebracht. Diese Summe stellte den (nicht verbrauchten) Restbetrag von Überweisungen der T***** AG von insgesamt 960.000 Euro dar, die Mag. Gernot Sch***** und Mag. Wolfgang Fra*****, Prokuristen des genannten Unternehmens, unter wissentlichem Missbrauch ihrer Befugnis und mit Schädigungsvorsatz an die Beitragstäter Kurt S***** und Mag. Tina Ha***** als Bezahlung der jeweils zwischen den Letztgenannten und den Angeklagten Klaus W*****, MBA, und Christoph P***** geschlossenen „Werbeaufträge“ im Zusammenhang mit dem Nationalratswahlkampf des B***** 2006 veranlasst hatten (US 27 46).

Der Angeklagte E***** hatte, wie es im angefochtenen Urteil heißt, zum Zeitpunkt der Rechnungslegung keinen Verdacht, dass der Betrag von 960.000 Euro aus Untreuehandlungen zum Nachteil der T***** AG stammte. Er ging davon aus, dass es sich bei diesem Geld um eine Zuwendung der T***** AG an das B***** im Sinn von „Sponsoring“ handelte (US 46).

Die Rechnungen über 320.400 Euro dienten dem Urteil zufolge einzig dazu, Geld in die O***** GmbH und damit in die direkte Verfügungsgewalt des Arno E***** zu bringen, der zu diesem Zeitpunkt „nur daran dachte, Geld in die unmittelbare Verfügungsgewalt der O***** zu bringen, damit mit dem Geld der Wahlkampf des B***** bezahlt werden kann“ (US 83 f).

Das Erstgericht hat zu allen Tatbestandselementen des auf Grund des Günstigkeitsvergleichs nach § 61 StGB anzu wendenden § 165 Abs 2 und 3 StGB idF BGBl I 136/2004 Feststellungen getroffen.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Beweiswürdigung auf:

Die Negativfeststellung hinsichtlich der subjektiven Tatseite zum entsprechenden Anklagevorwurf (US 46) stützte das Erstgericht im Wesentlichen darauf, dass es keinen Grund gebe, dem Angeklagten E*****, der diesbezüglich „von keiner Seite belastet“ worden wäre, nicht zu glauben (US 82). Dieser habe zwar auf Grund seiner Stellung als (Bundes-)Geschäftsführer (des B*****) gewusst, dass die Zahlungen an die Werbeagenturen S***** und Ha***** in Wahrheit von der T***** AG kamen, dieser Umstand alleine sei aber ebenso wenig ein Indiz dafür, dass „E***** daran denken musste, dass das Geld aus einer strafbaren Handlung stammt“, wie die nur in Richtung eines „Wissen Müssens“ weisenden Aussagen des Angeklagten S***** und des Zeugen Lu***** (US 82 f).

Der dem Verfahren ua zum Thema Lobbying beigezogene (ON 266 S 35) Sachverständige Univ. Lekt. Dkkfm. Georg J***** hat ausgeführt, dass Sponsoring, Spenden und Werbeeinschaltungen in den Bereich des Lobbying in dem die Prinzipien der Wahrhaftigkeit, der Vermeidung von Irreführung und der Transparenz gelten fallen, Unterstützungsleistungen an eine Partei in der Größe des B***** nach Art und Höhe wie im vorliegenden Fall aber unüblich und höchst unwahrscheinlich seien (ON 394 S 67 ff, insbesondere S 81). Dies haben die Tatrichter, wie die Beschwerdeführerin zu Recht aufzeigt, in Nichtigkeit begründender Weise (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 425) nicht erörtert. Gleiches gilt für die in der Hauptverhandlung am 19. November 2013 verlesenen (ON 438 S 59) Rechenschaftsberichte der im Nationalrat vertretenen Parteien (ON 115), wonach im Zeitraum 2003 bis 2008 weder die F***** noch das B***** für die der Angeklagte E***** jeweils als Bundesgeschäftsführer tätig war (US 7) Spenden von mehr als 7.260 Euro von im Firmenbuch eingetragenen, natürlichen oder juristischen Personen im Sinn des (durch BGBl I 2012/56 aufgehobenen, von 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2012 in Geltung gestandenen) § 4 Abs 7 Z 2 PartG erhalten hatten.

Mit diesen, der konstatierten Annahme des Angeklagten E*****, es habe sich bei den Zahlungen der T***** AG um eine Zuwendung im Sinn von Sponsoring gehandelt, widersprechenden Verfahrensergebnissen hätten sich die Tatrichter beweiswürdigend auseinandersetzen müssen.

Der aufgezeigte Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) erforderte die Aufhebung des angefochtenen Freispruchs (vgl III/A/ und B/ der Anklageschrift vom 21. Jänner 2013, ON 190), womit sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt.

Zum amtswegigen Vorgehen:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Der von Amts wegen wahrzunehmende ( Fabrizy , StGB 11 § 290 Rz 2; SSt 49/49) Entschuldigungsgrund des Aussagenotstands nach § 290 Abs 1a StGB kommt dem Täter zu Gute, wenn sich die Untersuchung des Ausschusses gemäß Art 53 B VG gegen ihn gerichtet und er eine falsche Beweisaussage abgelegt hat, um die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung von sich abzuwenden, ohne dass dabei die strengeren Voraussetzungen des § 290 Abs 1 StGB vorliegen müssten. Auch die in Abs 3 des § 290 StGB vorgesehene Abwägung der Interessen des durch das wahrheitswidrige Zeugnis Betroffenen mit jenen des Täters ist nicht erforderlich (vgl Plöchl/Seidl in WK 2 StGB § 290 Rz 18 und 23). Es exkulpiert also schon allein die Absicht, die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung abzuwenden ( Fabrizy , StGB 11 § 290 Rz 10). Solcherart wird dem Umstand Rechnung getragen, dass vor einem Untersuchungsausschuss ausschließlich Auskunftspersonen einvernommen werden, die der Wahrheitspflicht unterliegen, und schon die Entschlagung einer Person, die selbst von der Untersuchung betroffen ist, als Schuldeingeständnis interpretiert werden könnte (AB 871 BlgNR 20. GP 7).

Der Begriff der „strafrechtlichen Verfolgung“ in diesem Sinn umfasst eine bereits stattfindende ebenso wie eine bloß mögliche (vgl Kirchbacher , WK StPO § 157 Rz 3). Die genannte Gefahr besteht, wenn es wahrscheinlich ist, dass auf Grund der wahrheitsgemäßen Aussage eine zur Strafverfolgung berufene Behörde (§ 151 Abs 3 StGB) den Aussagenden verfolgen, dh gegen ihn zumindest Ermittlungen zwecks Aufklärung des entstandenen Verdachts der Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung veranlassen oder vornehmen werde ( Plöchl/Seidl in WK 2 StGB § 290 Rz 8).

Dass sich die Untersuchung des Ausschusses gemäß Art 53 B VG im oben dargestellten Sinn (auch) gegen den Rechtsmittelwerber richtete, ist schon den an ihn gestellten, von den Tatrichtern konstatierten Fragen im Untersuchungsausschuss hinreichend deutlich zu entnehmen (US 47 f).

In seiner in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 438 S 59) Aussage als Auskunftsperson im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss bestritt der Beschwerdeführer durchgehend die Kenntnis von im Weg der O***** GmbH dem B***** zugekommenen Zahlungen der T***** AG, und zwar unabhängig davon, ob diese in der jeweiligen Formulierung ausdrücklich als „Schmiergelder“ bezeichnet wurden oder nicht (ON 108 S 281 ff). Gerade konträr dazu brachte die Staatsanwaltschaft in der Folge Anklage gegen Arno E***** in Richtung des Verbrechens der Geldwäsche ein (Punkt III/ der Anklageschrift vom 21. Jänner 2013, ON 190) und legte ihm zur Last, er habe als Geschäftsführer der O***** GmbH Vermögenswerte der T***** AG, die aus einer Untreuehandlung von Befugnisträgern des genannten Unternehmens herrührten, für die weitere Führung des Wahlkampfs des B***** an sich gebracht (insbes ON 190 S 22 f). Vor dem Erstgericht verantwortete sich der Angeklagte erneut wie bereits vor dem Untersuchungsausschuss damit, dass er „wirklich von der Herkunft dieser Gelder keine Ahnung gehabt, mit niemandem darüber gesprochen“ habe (ON 438 S 55). Der angesprochene Vorwurf ist Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

In Anbetracht dieser in der Hauptverhandlung hervorgekommenen, von der Generalprokuratur aufgezeigten Konfliktsituation des Beschwerdeführers war das Erstgericht ungeachtet der gewählten Verantwortung verpflichtet, auch Feststellungen darüber zu treffen, ob er die falsche Beweisaussage in der Absicht abgelegt hat, strafrechtliche Verfolgung von sich abzuwenden (vgl auch SSt 48/80; 15 Os 113/96), sodass dem Urteil in Ansehung des Schuldspruchs ein Feststellungsmangel anhaftet.

Rechtssätze
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