JudikaturJustiz13Os136/09p

13Os136/09p – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer in der Strafsache gegen Davina D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. Mai 2009, GZ 5 Hv 36/09z-76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten Michael K***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde - soweit für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - Michael K***** der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B/1), der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (B/2) und der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (B/3) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz und Lieboch Davina D*****

B/1) zwei oder drei Tage vor dem 17. Dezember 2008 am Körper verletzt, indem er ihr durch heftiges Umklammern eines ihrer Beine Hämatome am linken Kniegelenk und am linken Unterschenkel zufügte;

2) am 16. Dezember 2008 durch die Äußerung, er werde sie umbringen bzw verschwinden lassen, sollte sie nicht Geld auftreiben, mithin durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich zur Beschaffung von Bargeld, zu nötigen versucht;

3) zwischen 23. Oktober 2008 und 15. Jänner 2009 mehrmals durch die Aufforderung, im Verfahren AZ 16 Hv 151/08s des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei mit „Fabienne" (H*****) nicht in Zusammenhang zu bringen, falsch auszusagen, mithin zu einer falschen Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michael K***** kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der Antrag auf „abgesonderte Einvernahme der (drei) Angeklagten aufgrund des Umstandes, dass der Zweitangeklagte (Michael K*****) ausschließlich infolge der Belastungen der beiden (übrigen) Angeklagten hier zur Anklage gekommen ist und Divergenzen in den Aussagen nur dadurch herausgearbeitet werden können, dass die Erstangeklagte und der Drittangeklagte nicht gegenseitig jeweils die Aussagen mithören" (ON 67 S 3) zu Recht der Abweisung. § 250 Abs 1 erster Satz StPO stellt es dem Ermessen des Vorsitzenden anheim, den Angeklagten zeitweilig abtreten zu lassen. Gegen willkürlich in diesem Sinn geübtes Ermessen steht, sachgerechte Antragstellung auf Unterlassen eines solchen Ausschlusses vorausgesetzt, Verfahrensrüge aus Z 4 offen (13 Os 178/03, SSt 2004/54). Keineswegs folgt daraus oder aus Art 6 Abs 1 MRK wie vom Beschwerdeführer behauptet, ein aus Z 4 geschütztes subjektives Recht eines Angeklagten auf zeitweiligen Ausschluss eines anderen.

Der im Rahmen der Mängelrüge zum Schuldspruch B/3 erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) geht schon deshalb fehl, weil das Erstgericht die Aussage der Zeugin Silke H***** (ON 67 S 51 f iVm ON 49 S 7) in den wesentlichen Teilen richtig wiedergegeben hat (US 27 iVm 37); die daraus gezogenen Schlussfolgerungen der Tatrichter sind hingegen nicht Gegenstand der gewählten Anfechtungskategorie (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467 f).

Die in diesem Zusammenhang monierte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wegen unterbliebener Berücksichtigung des Inhalts des Aktes AZ 16 Hv 151/08s des Landesgerichts für Strafsachen Graz, insbesondere einer darin erliegenden „Auflistung von SMS", liegt schon deshalb nicht vor, weil nach dem (ungerügten) Hauptverhandlungsprotokoll zwar die (nicht näher bezeichneten) beigeschafften Vorstrafakten (gemeint offenbar im Sinn des § 252 Abs 2a StPO) „dargestellt" wurden (ON 67 S 60); der in Rede stehende Akt konnte jedoch nicht beigeschafft werden, weshalb dem Erstgericht daraus bloß eine Kopie des Urteils erster Instanz zur Verfügung stand (ON 64). Dass gerade dieser Akt verlesen oder gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen wurde, behauptet die Rüge denn auch nicht. Solcherart in der Hauptverhandlung nicht Vorgekommenes durfte jedoch in den Entscheidungsgründen nicht erörtert werden (vgl § 258 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0099578). Davon abgesehen macht der Beschwerdeführer auch inhaltlich nicht deutlich, weshalb der - sich angeblich aus im Akt AZ 16 Hv 151/08s erliegenden SMS-Nachrichten ergebende - Umstand, dass Fabienne H***** den Beschwerdeführer „begehrt" habe, der hier entscheidenden Feststellung, dieser habe versucht, die Angeklagte Davina D***** zur wahrheitswidrigen Aussage, er habe mit Fabienne H***** nichts zu tun gehabt, sie sei nur in ihn verliebt gewesen (US 26), entgegenstehe und daher zu erörtern gewesen wäre (RIS-Justiz RS0099578). Gleiches gilt für einen inhaltlich nicht näher bezeichneten Aktenvermerk des in jenem Verfahren für den Beschwerdeführer tätigen Verteidigers, hinsichtlich dessen nicht einmal behauptet wird, eigene Wahrnehmungen über die zu B/3 inkriminierten Vorfälle gehabt zu haben (vgl US 27). Das Motiv des Beschwerdeführers dafür, die Angeklagte Davina D***** zur Beschaffung von Bargeld zu nötigen, stellt keine entscheidende Tatsache (zum Schuldspruch B/2) dar, weshalb damit im Zusammenhang zu sehende Depositionen der Zeugin Berta De*****, wonach diese den Beschwerdeführer finanziell unterstützt habe (ON 67 S 54 f), unter dem Aspekt mängelfreier Begründung (Z 5 zweiter Fall) nicht erörtert werden mussten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421). Drohung mit dem Tod wurde dem Angeklagten trotz der Ausdrücke „umbringen bzw verschwinden lassen" nicht unterstellt und damit eine milieubedingte Übertreibung, die vom Beschwerdeführer für sich reklamierte Vulgarität in der Ausdrucksweise demnach ohnehin angenommen. Warum eine solche Ausdrucksweise den festgestellten Bedeutungsinhalt der zu B/2 festgestellten Äußerung als gefährliche Drohung in Frage stellt, eine darauf hinweisende Depostition also gesondert erörterungsbedürftig gewesen sein soll, bleibt unerfindlich. Einen Zusammenhang der reklamierten Unvollständigkeit mit der Mittel-Zweck-Relation des § 105 Abs 2 StGB macht der Beschwerdeführer nicht deutlich. Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider (Z 5 zweiter Fall) hat sich das Erstgericht ausführlich genug (US 33 f) mit - nicht die gegenständlichen Schuldsprüche betreffenden - Falschbezichtigungen des Beschwerdeführers durch die Angeklagte Davina D***** und den daraus sich ergebenden Fragen deren (eingeschränkter) Glaubwürdigkeit auseinandergesetzt. Soweit die Rüge aus diesem Grund darüber hinaus im Ergebnis die auf die Angaben dieser Angeklagten gestützten tatrichterlichen Schlussfolgerungen bekämpft, überschreitet sie die Grenzen zur im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0106588).

Gleiches gilt für die spekulativen Überlegungen zum Schuldspruch B/1, wonach die festgestellten Hämatome (US 20) Folge einer „besonderen Gewebebeschaffenheit von Frauen" sein könnten, was nach Ansicht des Beschwerdeführers in Anwendung des strafprozessualen Zweifelsgrundsatzes (§ 14 StPO) hätte berücksichtigt werden müssen (RIS-Justiz RS0102162).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) sofort zurückzuweisen. Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anzumerken bleibt, dass eine Bedachtnahme im Sinn der §§ 31, 40 StGB auf die erst nach dem angefochtenen Urteil (dem Beschwerdehinweis zufolge am 19. Oktober 2009) in Rechtskraft erwachsene Verurteilung zu AZ 16 Hv 151/08s des Landesgerichts für Strafsachen Graz - in Ermangelung einer Strafneubemessung oder einer noch ausstehenden Berufungsentscheidung - nur im Weg eines in § 410 StPO geregelten Verfahrens erfolgen kann (Ratz in WK2 § 31a Rz 11).

Rechtssätze
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  • RS0107405OGH Rechtssatz

    24. April 2013·3 Entscheidungen

    Nach der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl 1996/762, geänderten Rechtslage kann die gesetzwidrige Nichtanwendung der §§ 31, 40 StGB schon vom Erstgericht - auf Antrag oder von Amts wegen - im Wege über das in § 410 StPO neue Fassung geregelte Verfahren zur Vermeidung eines tilgungsrechtlichen Nachteils für den Verurteilten (§ 4 Abs 4 TilgG) saniert werden, und zwar auch dann, wenn nach Prüfung der Voraussetzungen des § 31 a StGB hervorkommt, dass zu einer nachträglichen Strafmilderung (letztlich doch) kein Anlass besteht. In einem solchen Fall hat das Gericht (im kollegialgerichtlichen Verfahren der Dreirichtersenat - siehe § 13 Abs 3 neue Fassung beziehungsweise § 14 Abs 2 StPO) auszusprechen, dass auch unter Bedacht auf die erst nachträglich bekannt gewordene (oder übersehene), im Verhältnis des § 31 StGB stehende Verurteilung zu einer nachträglichen Milderung der spruchmäßig nunmehr als Zusatzstrafe zu deklarierenden Strafe kein Anlass besteht. Diesen Beschluss hat das Gericht gemäß §§ 2 Abs 1 Z 4 lit k, 3 Abs 1 und Abs 3 StRegG dem Strafregisteramt mitzuteilen. Eine Berichtigung des Strafregisters durch eine formlose Mitteilung im Sinne des § 5 Abs 1 StRegG kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht. Eine Berichtigung hat zur Voraussetzung, dass die im Strafregister enthaltenen Angaben über eine Verurteilung unrichtig sind, also die Eintragung nicht mit dem Entscheidungsinhalt übereinstimmt. Ist aber der dokumentierte Entscheidungsinhalt selbst unrichtig, so bedarf es zunächst der prozessordnungsgemäßen korrigierenden Entscheidung eines zuständigen Richters (eben § 410 StPO; sonst §§ 33, 292; §§ 353 ff oder §§ 363a ff StPO).