JudikaturJustiz13Os134/90

13Os134/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christine L*** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1, zweiter Fall, SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.September 1990, GZ 6 e Vr 12.537/89-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Hock jun, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Angeklagten wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe unter nunmehriger Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf die Entscheidung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 1.August 1990, AZ 17 U 796/90, auf 7 (sieben) Monate und 10 (zehn) Tage herabgesetzt wird. Im übrigen wird der Berufung der Angeklagten nicht Folge gegeben. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 3.Jänner 1961 geborene, zuletzt beschäftigungslose Christine L*** des Verbrechens nach den §§ 12 Abs. 1 (zu ergänzen ist: zweiter Fall) SGG (Punkt A/ des Urteilssatzes) und des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 (zu ergänzen ist: vierter und fünfter Fall) SGG (Punkt B/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Darnach hat sie gemeinsam mit ihrem abgesondert verfolgten Lebensgefährten Norbert M*** den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, und zwar

A/ Heroin in einer großen Menge in die R*** Ö***

eingeführt, indem sie im Frühjahr 1989 anläßlich zweier Reisen nach Amsterdam insgesamt zumindest 24 Gramm Heroin auf dem Postweg in das Inland schmuggelte;

B/ seit dem Jahr 1977 bis Juli 1990 wiederholt Haschisch, Morphium und Heroin erworben und besessen.

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 9 lit a und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Im Ergebnis verfehlt ist die ausschließlich den Schuldspruch zu Punkt A/ des Urteilssatzes betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) der Angeklagten, mit der sie vorbringt, daß nach den Urteilskonstatierungen weder eine Mittäterschaft vorliege, noch in dem ihr angelasteten Verhalten ein Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zur inkriminierten Suchtgifteinfuhr zu erblicken sei. Nach den Urteilsfeststellungen (S 220 ff) wurden im Frühjahr 1989 von Herwig R*** und Norbert M*** anläßlich von zwei gemeinsam mit der Beschwerdeführerin durchgeführten Fahrten nach Amsterdam in sechs Billets insgesamt 24 Gramm Heroin von Amsterdam an die Wohnanschrift der Angeklagten in Wien (und zwar auch unter Anführung ihrer Person als Empfängerin, siehe S 69, 71 und 79) übersandt. Die Beschwerdeführerin war in diesen Plan eingeweiht worden und war mit einer Übersendung des Suchtgifts an ihre Adresse einverstanden.

Der Rüge ist zwar einzuräumen, daß das Gericht diese Mitwirkung der Angeklagten irrig als Mittäterschaft nach § 12 erster Fall StGB beurteilt hat, was bei der vorliegenden Einfuhr von Suchgift im Sinne des § 12 Abs. 1, zweiter Fall, SGG ein (unmittelbares) Tätigwerden bei der Verbringung eines Suchtgiftes aus dem Ausland nach Österreich erfordert hätte (vgl dazu insbesondere Foregger-Litzka, SGG2, Erl V zu § 12 sowie Kodek, Suchtgiftgesetz, Rz 5.1.2. zu § 12). Derartige Tathandlungen hat die Angeklagte aber nicht vorgenommen, weil die Beförderung durch die Post nach Österreich jeweils von Norbert M*** veranlaßt worden ist, während die Mitwirkung der Angeklagten an der betreffenden Suchtgifteinfuhr auf die oben angeführte, die Einfuhr unterstützende Handlung beschränkt blieb. Demnach ist es aber auch ohne Bedeutung, daß Norbert M*** als der Lebensgefährte der Angeklagten die als Zustelladresse verwendete Wohnung mitbenützt hat, weil durch die Zustimmung der Angeklagten zur geplanten Tatausführung die von Norbert M*** bewirkte Suchtgifteinfuhr gefördert und damit jedenfalls erleichtert würde. Da das Gesetz nicht verlangt, daß die dem Täter geleistete Hilfe zur Vollbringung der Tat notwendig gewesen oder die Tatausführung ohne diese Hilfe nicht möglich gewesen wäre (Mayerhofer-Rieder, StGB3, § 12, ENr 78 und 87), kann auch von einer sogenannten wirkungslosen Beihilfe nicht die Rede sein. Entgegen der Auffassung der Angeklagten ist damit nach Lage des Falles die Kausalität zwischen ihrem Tatbeitrag und der schließlichen Deliktsvollendung durch unmittelbares Verbringen von Suchtgiften seitens ihres Lebensgefährten nach Österreich nicht zweifelhaft, zumal der gegenständliche Deliktseintritt ohne ihr Tatverhalten nicht so erfolgt wäre, wie dies tatsächlich geschehen ist (vgl dazu 15 Os 28/88 ua).

Der Beschwerde zuwider sind sohin nach den Urteilsfeststellungen zum Faktum A/ alle rechtlichen Kriterien eines sonstigen Tatbeitrages im Sinne des § 12, dritter Fall, StGB erfüllt. Angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der drei Täterschaftsformen des § 12 StGB gereicht der Angeklagten aber die ersichtlich irrige Beurteilung ihres Verhaltens (als unmittelbare Mittäterschaft anstatt als Beitragstäterschaft) nicht zum Nachteil; diese begründet demnach auch keine Urteilsnichtigkeit (SSt 53/57, SSt 50/2 ua).

Gleichfalls nicht im Recht ist die Angeklagte schließlich auch insoweit, als sie die Nichtgewährung der bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) durch das Erstgericht als einen unvertretbaren Verstoß gegen die Bestimmungen über die Strafzumessung (Z 11 dritter Fall) wertet.

Der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten Falles des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO stellt nämlich nicht darauf ab, ob eine vom erkennenden Gericht ausgesprochene Unrechtsfolge tat- und tätergerecht ist, sondern darauf, ob das Gericht nach dem Inhalt des Urteils zu der - ohne Überschreitung seiner

Strafbefugnis - ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungsvorschriften widersprechen (11 Os 64/88, 13 Os 74/90 ua). Aus der Entscheidung selbst ist nicht erkennbar, daß ein mit der in Frage kommenden Bestimmung des § 43 StGB nicht zu vereinbarender Strafzumessungsvorgang im oben dargestellten Sinne vorliegt. Mit dem Vorbringen, daß die Angeklagte nur in untergeordneter Weise an der Tat beteiligt gewesen sei und daß im Hinblick auf ihre Entzugsbehandlung die Androhung der Strafe genügen werde, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, wird lediglich ein nicht sachgerechter Ermessensgebrauch geltend gemacht, der bloß der Anfechtung mit Berufung unterliegt. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach dem § 12 Abs. 1 SGG unter Anwendung des § 28 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe. Es wertete dabei als erschwerend das Zusammentreffen von einem Vergehen mit einem Verbrechen, als mildernd hingegen die Schuldeinsicht und die schwere Süchtigkeit der Angeklagten.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagte eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht an, die Staatsanwaltschaft hingegen eine schuldangemessene Erhöhung der Strafe.

Nur die Berufung der Angeklagten ist - teilweise - berechtigt. Richtig ist zwar, daß die Angeklagte an der Tat nur in untergeordneter Weise beteiligt war und ihr daher auch noch der Milderungsgrund des § 34 Z 6 StGB zugute kommt. Demgegenüber wäre aber - wie der öffentliche Ankläger mit Recht ausführt - auch die Wiederholung der Straftaten und der lange Tatzeitraum zum Faktum B/ als erschwerend (§ 33 Z 1 StGB) zu werten gewesen, sodaß bei der Gewichtung der Strafzumessungsgründe im Ergebnis keine Änderung eintritt. Entgegen dem weiteren Berufungsvorbringen der Angeklagten kann auch der Umstand, daß sie nicht einschlägig vorbestraft ist (sogenannte relative Unbescholtenheit) nicht als mildernd berücksichtigt werden (Leukauf-Steininger, StGB2, § 34 Rdz 7; Kunst in WK, § 34 Rz 14).

Es war aber auf die Entscheidung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 1.August 1990, GZ 17 U 796/90, mit welcher über die Angeklagte wegen Vergehens nach §§ 15, 141 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu S 50, für den Fall der Uneinbringlichkeit 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wurde, gemäß den §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen. Da bei gemeinsamer Aburteilung sämtlicher der Angeklagten zur Last liegenden Straftaten bei den gegebenen Strafzumessungsgründen keine strengere als eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verhängt worden wäre, war in teilweiser Stattgebung der Berufung der Angeklagten die Strafe wie aus dem Spruch ersichtlich herabzusetzen.

Im Hinblick auf die Art der Tat, die Persönlichkeit der Angeklagten und ihr Vorleben bedarf es des Vollzuges der gesamten über sie verhängten Freiheitsstrafe, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Es stehen daher der Anwendung der §§ 43 und 43 a StGB spezialpräventive Erwägungen entgegen. In diesem Umfang ist die Berufung der Angeklagten daher unbegründet. Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer allein gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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