JudikaturJustiz13Os130/12k

13Os130/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erik J***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. September 2012, GZ 12 Hv 113/12d 67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erik J***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (I/1) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (I/2) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** und an anderen Orten

(I) vorschriftswidrig Suchtgift

1) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von Oktober 2010 bis zum 18. April 2011 zuvor vom abgesondert verfolgten Sejan D***** übernommenes Kokain (160 Gramm Reinsubstanz) sowie 20 Gramm „Mephedron“ (gemeint: „4 Methyl Methcathinon“ laut Anhang V.2. der Suchtgiftverordnung BGBl II 1997/374 idF BGBl II 2010/264) und ein Gramm Metamphetamin an im Urteil teils namentlich genannte Abnehmer mit Gewinnaufschlag verkaufte oder unentgeltlich weitergab, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftverkäufen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und schon einmal wegen einer Straftat „nach § 28a SMG“ verurteilt worden war;

2) von Sommer 2010 bis zum 18. April 2011 erworben und besessen, nämlich Cannabiskraut, „Mephedron“, Amphetamin und Kokain;

(II) seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber dem am 4. Juni 1995 geborenen Philipp H***** gröblich verletzt, indem er von Mai 2009 bis März 2011 keinerlei oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen leistete und dadurch bewirkte, dass der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre (Unterhaltsrückstand: 3.761,24 Euro).

Rechtliche Beurteilung

Der (inhaltlich ausschließlich gegen den Schuldspruch I/1 und den Strafausspruch) aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Angaben des Zeugen Manuel P***** hat das Erstgericht der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider sehr wohl erörtert (US 12 f und 18). Eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der Aussagepassage, wonach der Beschwerdeführer infolge gemeinsamen Drogenkonsums mit Bekannten „oft“ so beeinträchtigt gewesen sei, dass er nicht mehr „gewinnorientiert denken konnte“ (ON 62 S 12), war angesichts des Gebots zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht erforderlich (RIS Justiz RS0098377; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428). Weshalb im Übrigen eine von diesem Zeugen geschilderte Unfähigkeit des Beschwerdeführers, tatsächlich gewinnorientiert zu handeln, der kritisierten Feststellung zu dessen darauf gerichteter Intention (US 5), auf welche die Tatrichter die Nichtannahme der Privilegierung des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG stützten, erörterungsbedürftig entgegenstehen soll, erklärt die Mängelrüge nicht.

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) zur Feststellung der Menge überlassenen Suchtgifts wurde auf US 12, insbesondere mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen Manuel P*****, mängelfrei getroffen.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) bei Wiedergabe der Angaben des Zeugen Sejan D***** im Zusammenhang mit der Feststellung des Reinheitsgehalts des überlassenen Kokains (US 5 f iVm US 18) liegt nicht vor. Der Nichtigkeitsgrund wäre nur dann gegeben, wenn die Aussage im Urteil in ihren wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig referiert worden wäre ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 466 f). Der genannte Zeuge gab vor der Kriminalpolizei im Zusammenhang mit einem bestimmten Lieferanten tatsächlich einen Reinheitsgehalt in ungefähr dieser Höhe an (ON 20 S 47). Dass die Tatrichter von diesen Depositionen ausgehend Rückschlüsse auf den Reinheitsgehalt des gesamten (auch von anderen Personen gelieferten) verfahrensgegenständlichen Kokains zogen, begründet keine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0099431).

Weshalb die Tatrichter den Angaben dieses Zeugen zur Menge des dem Beschwerdeführer verkauften Suchtgifts keinen Glauben schenkten und sie den diesbezüglichen Feststellungen nicht zugrunde legten, haben sie mit mängelfreier Begründung dargelegt (US 16). Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) dessen ungeachtet aus dieser Aussage für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).

Gleiches gilt für den Hinweis auf die bereits im Rahmen der Mängelrüge ins Treffen geführten Angaben des Zeugen Manuel P***** zum Ausmaß des Suchtgiftkonsums des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Urteilsannahme, dieser habe Suchtgift nicht vorwiegend zur Finanzierung seiner (ohnehin festgestellten) Suchtgiftabhängigkeit, „sondern aus ökonomisch orientiertem Gewinnstreben“ verkauft (US 5). Erhebliche Bedenken dagegen ergeben sich auch nicht aus einem positiven Drogentest des Beschwerdeführers (ON 4 S 19) oder aus dem von mehreren Zeugen erwähnten Umstand, dass dieser Schulden gehabt habe (vgl etwa ON 2 S 30, ON 20 S 47 und ON 66 S 5).

Entgegen der Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 9 lit a) erschöpfen sich die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit (US 5 und 9) keineswegs im substanzlosen Gebrauch der verba legalia, sondern weisen ausreichend Sachverhaltsbezug auf (vgl US 17 f), was die Beschwerde prozessordnungswidrig übergeht.

Soweit die weitere Subsumtionsrüge (abermals verfehlt Z 9 lit a) das Überlassen einer 30 Gramm übersteigenden Kokainmenge bestreitet, entfernt sie sich erneut vom Urteilssachverhalt (US 6) und spricht im Übrigen keine für die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (vgl §§ 28a Abs 1 und 2 Z 1, 28b SMG iVm Anhang 1 der SGV).

Weder bestimmt die Länge des Tatzeitraums noch die Begehung jeweils mehrerer Verbrechen und Vergehen die Strafdrohung im Sinn des § 32 Abs 2 erster Satz StGB, weshalb die erschwerende Wertung dieser Umstände im Rahmen der Strafbemessung der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider nicht gegen das Doppelverwertungsverbot verstößt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenso wie die (bloß angemeldete) im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Schuldberufung schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass der Beschwerdeführer die vom Schuldspruch I/2 erfassten Suchtgifte nach den Feststellungen erworben und besessen hat, um sie in weiterer Folge (selbst) zu konsumieren (US 4 f). Da in Bezug auf das nach dem Schuldspruch I/1 überlassene Suchtgift echte Konkurrenz hinsichtlich dessen Erwerbs und Besitzes nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0113820), hat der Beschwerdeführer demnach die § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG subsumierten Taten (ersichtlich nur im Zusammenhang mit anderen Suchtgiftmengen) ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen, weshalb die Annahme der Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG rechtsfehlerhaft unterblieb. Da allein dieser Umstand keinen konkreten Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO darstellt, sah sich der Oberste Gerichtshof insoweit zu einem amtswegigen Vorgehen nicht veranlasst (13 Os 25/11t; vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Das Oberlandesgericht hat dies aber aufgrund der vorgenommenen Klarstellung ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung bei der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
2
  • RS0113820OGH Rechtssatz

    14. März 2023·3 Entscheidungen

    1. Ein Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG hat zur Voraussetzung, dass der Täter ein Suchtgift in einer großen Menge (Abs 6) mit dem Vorsatz erwirbt, dass es in Verkehr gesetzt werde. Dies stellt eine zum Inverkehrsetzen des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG selbständig vertypte Vorbereitungshandlung dar. Versucht der Täter das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG, indem er beginnt, diesen Suchtgiftvorrat tatsächlich in Verkehr zu setzen, ist das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG hinsichtlich derselben Suchtgiftmenge nicht selbständig strafbar, weil es gegenüber dem Verbrechen nach Abs 2 subsidiär ist. 2. Überlässt (verkauft) der Täter, der eine große Suchtgiftmenge mit dem Vorsatz erworben hat oder besitzt, dass diese in Verkehr gesetzt werde, davon kleine Mengen einem anderen, stellt dies keine straflose "typische Begleittat" dar. 3. Beschließt der Täter, nachdem er eine große Menge Suchtgift mit dem Vorsatz erworben hat und besitzt, dass es in Verkehr gesetzt werde, nur einen die große Menge nach § 28 Abs 6 SMG nicht erreichenden Teil hievon anderen zu überlassen (zu veräußern), den Rest aber selbst zu konsumieren oder zu vernichten, hat er ab diesem Zeitpunkt für den Besitz (auch einer großen Menge) nur das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG zu vertreten. Da nämlich durch den fortgesetzten Besitz kein weiteres Rechtsgut verletzt wird und die dadurch bewirkte Rechtsgutverletzung über jene des Vergehens nach § 28 Abs 1 SMG nicht hinausgeht, stellt diesfalls das Vergehen nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG eine straflose Nachtat zum Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG dar. 4. Überlässt der Täter ab dem Zeitpunkt des geänderten Vorsatzes kleine Mengen von Suchtgiftstoffen anderen Personen, wird die zunächst auf den Erwerb oder Besitz beschränkte Rechtsgutverletzung erweitert. Die Grenzen von straflosen (besser "mitbestraften") Nachtaten sind eng zu ziehen. Durch das Privileg der Nachtat werden nur durch die Vortaten bereits persönlich und sachlich individualisierte Rechtsgüter gedeckt. Nur dann, wenn das Angriffsobjekt der Nachtat mit dem der Vortat entweder übereinstimmt oder diesem gegenüber ein quantitatives Minus darstellt, und wenn durch die Nachtat nicht neue Träger des individualisierten Rechtsgutes, also neue Inhaber des konkreten Angriffsobjektes, in Mitleidenschaft gezogen werden, liegt eine mitbestrafte Nachtat vor. Wird somit zunächst eine große Suchtgiftmenge mit auf deren Inverkehrsetzen gerichtetem Vorsatz erworben oder besessen, werden danach aber unter Änderung des Vorsatzes kleine Mengen davon anderen Personen überlassen, ändert sich auch das Angriffsobjekt der konkreten Nachtat. Der Täter hat daher unter diesen Prämissen das Vergehen nach § 27 SMG (in allen seinen Formen) zusätzlich zu vertreten.