JudikaturJustiz13Os125/07t

13Os125/07t – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Auslieferungssache des Kakhaber I***** wegen Auslieferung zur Strafverfolgung an Georgien, AZ 401 Ur 31/07d des Landesgerichtes Korneuburg, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 17. Juli 2007, AZ 22 Bs 169/07z (ON 23 der Ur-Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Wachberger, und der Verteidigerin Dr. Weidinger zu Recht erkannt:

Spruch

In der Auslieferungssache AZ 401 Ur 31/07d des Landesgerichtes Korneuburg verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 17. Juli 2007 (ON 23), soweit er die Auslieferung des Kakhaber I***** zur Strafverfolgung an Georgien auch wegen des Verdachts, bis zum 26. November 2003 6,8 Gramm Marihuana rechtswidrig erworben und aufbewahrt zu haben, für zulässig erklärt, das Gesetz in der Bestimmung des § 114 Abs 4 erster Satz StPO. Der Beschluss, der im Übrigen unberührt bleibt, wird in diesem Umfang ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft von Georgien ersuchte am 4. Mai 2007 um Auslieferung des am 4. April 1967 geborenen georgischen Staatsangehörigen Kakhaber I***** zur Strafverfolgung wegen der in der Anklageschrift vom 28. November 2003 (S 153) und im - per Verordnung vom 11. September 2006 (S 159 f) korrigierten, hinsichtlich der angelasteten Taten identen - Haftbefehl vom 2. März 2004 (S 155 f) genannten Straftaten (S 141). Danach liegt dem Auszuliefernden zur Last, er habe bis zum 26. November 2003 in Georgien eine Schusswaffe der Type Kalashnikov, Kaliber 5,45 Millimeter, zwei Patronenstreifen und 39 Stück Munition, Kaliber 5,45 Millimeter, sowie 6,8 Gramm Marihuana rechtswidrig erworben und aufbewahrt. Dadurch seien in Bezug auf die Waffe und die Munitionsstücke Art 236 Abs 1 des georgischen Strafgesetzbuches (mit einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe), hinsichtlich der Suchtmittel Art 260 Abs 1 des georgischen Strafgesetzbuches (mit einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) verletzt worden.

Mit Beschluss vom 12. Juni 2007 erklärte der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Korneuburg die begehrte Auslieferung für unzulässig (ON 18). Begründend wurde dabei ausgeführt, dass § 11 Abs 1 ARHG eine vorsätzlich begangene Handlung voraussetzt, die nach österreichischem Recht mit einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist, wogegen die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Taten im Inland nur mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr (§ 50 Abs 1 Z 4 WaffG) bzw von bis zu sechs Monaten (§ 27 Abs 1 SMG) bedroht seien. Mit Beschwerde vom 14. Juni 2007 bekämpfte die Staatsanwaltschaft diesen Beschluss insoweit, als er die Auslieferung wegen des Verdachts, eine Waffe, zwei Patronenstreifen sowie 39 Stück Munition erworben und aufbewahrt zu haben, für unzulässig erklärte (ON 20). Das Oberlandesgericht Wien gab dieser Beschwerde mit Beschluss vom 17. Juli 2007 - im Hinblick auf Art 2 Abs 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, der eine inländische Strafdrohung von mindestens einem Jahr verlangt - dahin Folge, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Auslieferung wegen „der" dem Auslieferungsbegehren zugrundeliegenden Straftaten für zulässig erklärt wurde (ON 23).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht dieser Beschluss hinsichtlich des Verdachts, 6,8 Gramm Marihuana erworben und aufbewahrt zu haben, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach § 114 Abs 4 erster Satz StPO kann der Gerichtshof zweiter Instanz bei der Entscheidung über Beschwerden niemals zum Nachteil des Beschuldigten Verfügungen oder Beschlüsse ändern, gegen die nicht Beschwerde geführt wird.

Grundsätzlich umfasst eine gemäß § 114 StPO erhobene Beschwerde den angefochtenen Beschluss als Ganzes. Eine Beschwerdeausführung ist daher nicht nötig, in Offizialverfahren hat aber der Staatsanwalt auch die Richtung der Anfechtung anzugeben. Da der Beschwerdeführer somit nicht begründungspflichtig ist, kann eine allenfalls doch beigesetzte Begründung den Beschwerdegegenstand prinzipiell nicht beschränken. Anzunehmen ist eine solche Beschränkung nur dann, wenn der darauf gerichtete Wille eindeutig erkennbar ist (zum Ganzen Tipold, WK-StPO § 114 Rz 13 bis 15).

Da fallbezogen die Staatsanwaltschaft ausdrücklich erklärt hat, den Beschluss des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Korneuburg nur hinsichtlich des Verdachts, „Schusswaffen und Kriegsmaterialien" illegal erworben und aufbewahrt zu haben, zu bekämpfen (S 189), stand somit das hier nach § 114 Abs 4 StPO geltende Verbot der reformatio in peius der - wenngleich materiell richtigen (Art 2 Abs 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens) - Entscheidung, die Auslieferung auch bezüglich des Vorwurfs, Suchtmittel erworben und besessen zu haben, für zulässig zu erklären, entgegen. Da die Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil des Auszuliefernden zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

Rechtssätze
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