JudikaturJustiz13Os113/21y

13Os113/21y – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom 6. August 2021, GZ 703 Hv 1/21d 326, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * A* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 4. Juli 2020 in G* * B* vorsätzlich (vgl dazu die Darlegungen zur Fragenrüge) getötet, indem er mit einer Faustfeuerwaffe aus geringer Entfernung sechs Schüsse auf den Rumpf und den Kopf des Genannten abgab.

[3] Dagegen wendet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 6 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet ein, der Angeklagte habe weder der Hauptverhandlung folgen noch sich „geeignet zu seiner Verteidigung äußern“ können, weil die „beigezogene Dolmetscherin“ „lediglich Dolmetscherin für die russische Sprache“ sei, er selbst aber – als Tschetschene – der russischen ebenso wie der deutschen Sprache „kaum mächtig“ sei. Hiervon ausgehend wäre die Dolmetscherin mangels „ausreichende[r] Sachkunde der tschetschenischen Sprache“ gemäß § 126 Abs 4 StPO ihres Amtes zu entheben gewesen. Indem dies unterblieben sei, habe das Gericht die angeführte Bestimmung „missachtet bzw. verletzt“.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dass in der Hauptverhandlung eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden wäre, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, wird damit nicht behauptet (zu den von § 345 Abs 1 Z 4 StPO erfassten gesetzlichen Bestimmungen Ratz , WK StPO § 281 Rz 193). Mit ausdrücklicher Nichtigkeit bedroht § 126 Abs 4 StPO nämlich nur das Unterbleiben der Enthebung eines Dolmetschers trotz Vorliegens eines Befangenheitsgrundes gemäß § 47 Abs 1 Z 1 oder 2 StPO , was hier nicht in Rede steht.

[6] Auf eine – aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO geschützte – zweckentsprechende Antragstellung ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 195) des durch einen Verteidiger vertretenen Angeklagten in der Hauptverhandlung beruft sich das Rechtsmittel übrigens nicht (siehe zudem den Amtsvermerk des Vorsitzenden vom 30. September 2021, wonach es in der Hauptverhandlung „keine wie immer gearteten Anzeichen dafür“ gegeben habe, „dass der Angeklagte, der auch der dt. Sprache mächtig ist, die Russisch-Dolmetscherin nicht verstehen könnte“ [ON 1 S 109 verso]).

[7] Soweit die Rüge behauptet, in der Hauptverhandlung seien Ergebnisse (§ 134 Z 5 StPO) einer „Observation des vermeintlichen Mittäters“ trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 140 Abs 1 StPO vorgeführt worden, versäumt sie bereits die zur prozessförmigen Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erforderliche (RIS-Justiz RS0124172) Bezeichnung der Fundstelle des kritisierten Vorgangs in den – umfangreichen – Akten.

[8] Nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung, dessen Richtigkeit der Beschwerdeführer nicht infrage stellt, wurden die Geschworenen gemäß § 305 Abs 1 StPO vom Vorsitzenden beeidigt (ON 325 S 4). Soweit die Verfahrensrüge das Gegenteil behauptet, geht sie daher ins Leere.

[9] Die Fragenrüge (Z 6) legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb der „subjektive Vorsatz des § 75 StGB“ just deshalb in die Hauptfrage (§ 312 Abs 1 StPO) aufzunehmen gewesen wäre, weil „die Tötung auch fahrlässig begangen werden kann“.

[10] Hinzugefügt sei, dass § 75 StGB keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichenden Vorsatzformen oder zusätzlichen Vorsatzerfordernisse verlangt. Daher musste der in der zuletzt genannten Bestimmung umschriebene bedingte Vorsatz mit Blick auf § 7 Abs 1 StGB – an dessen Geltung auch die Existenz eines § 75 StGB auf der objektiven Tatseite entsprechenden Fahrlässigkeitstatbestands (§ 80 Abs 1 StGB) nichts ändert – nicht in die Hauptfrage aufgenommen werden (RIS Justiz RS0113270; Lässig , WK StPO § 312 Rz 10).

[11] Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 470 und 490).

[12] Das auf diesen Nichtigkeitsgrund gestützte Vorbringen verlässt – wie die Beschwerde selbst einräumt – den dargestellten Anfechtungsrahmen zur Gänze, indem es eine Mehrzahl von Beweisergebnissen als (je für sich allein) nicht ausreichend erachtet, die leugnende Verantwortung des Angeklagten zu widerlegen, und anhand seiner – losgelöst vom Akteninhalt entwickelten – eigenen Plausibilitätserwägungen vom Wahrspruch der Geschworenen abweichende Schlüsse gezogen wissen will.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 344, 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).

[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.