JudikaturJustiz13Os100/19h

13Os100/19h – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Finanzstrafsache gegen Eduard A***** wegen Verbrechen der als Mitglied einer Bande begangenen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38a Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. März 2019, GZ 123 Hv 27/18v 206, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreter der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter Longitsch und der Finanzstrafbehörde, Mag. Kühtreiber, sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Schillhammer zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen über die Geldstrafe und über die Freiheitsstrafe aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Eduard A***** wird für die ihm zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich mehrere Verbrechen der als Mitglied einer Bande begangenen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38a Abs 1 lit a und 11 dritter Fall FinStrG (A/I und B/II), mehrere Finanzvergehen der vorsätzlichen Eingriffe in Monopolrechte nach §§ 13, 44 Abs 1 und 11 dritter Fall FinStrG (A/II und B/III) sowie das Finanzvergehen der verbotenen Herstellung von Tabakwaren nach § 43 Abs 1 FinStrG (B/I) unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG sowie unter Bedachtnahme auf § 23 Abs 4 FinStrG

nach § 38a Abs 2 lit a FinStrG zu einer

Freiheitsstrafe von zwei Jahren

und nach § 44 Abs 2 FinStrG zu einer

Geldstrafe von 650.000 Euro ,

für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 20 FinStrG zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eduard A***** (richtig) mehrerer Verbrechen der als Mitglied einer Bande begangenen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38a Abs 1 lit a und 11 dritter Fall FinStrG (A/I und B/II), mehrerer Finanzvergehen der vorsätzlichen Eingriffe in Monopolrechte nach §§ 13, 44 Abs 1 und 11 dritter Fall FinStrG (A/II und B/III) sowie des Finanzvergehens der verbotenen Herstellung von Tabakwaren nach § 43 Abs 1 FinStrG (B/I) schuldig erkannt.

Danach hat er

A) vom Jahr 2011 bis zum 25. April 2013 durch die gewerbliche Herstellung von Zigaretten ohne Bewilligung in H***** (Slowakei) sowie in V***** und in L***** (Niederlande), und die Organisation ihres grenzüberschreitenden Vertriebs, insbesondere der Lieferung von zumindest 15.072.980 Stück dieser Zigaretten nach Österreich, vorsätzlich (US 9 und 10) und zu A/I als Mitglied einer Bande von mindestens drei Personen, die sich zur Tatbegehung verbunden haben, unter Mitwirkung (§ 11 FinStrG) eines anderen Bandenmitglieds zur Ausführung von Finanzvergehen der – jeweils abgesondert verfolgten – Nachgenannten beigetragen (§ 11 dritter Fall

FinStrG), die vorsätzlich

I) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Tabaksteuer um insgesamt 1.840.384,15 Euro bewirkten, indem sie in Ansehung im Ersturteil näher bezeichneter Zigaretten die Anzeige des Bezugs zu gewerblichen Zwecken und die Gewahrsame sowie die Abgabe einer Steueranmeldung und die Berechnung und Entrichtung der Steuer unterließen, und zwar

1) aus der Produktion in H*****

a) Petru C***** am 10. Februar 2011 im Bereich des Zollamts St. Pölten Krems Wiener Neustadt um 28.164,16 Euro und

b) Dmitrij B***** am 27. März 2012 im Bereich des Zollamts Wien um 619.557,19 Euro sowie

2) aus der Produktion in V***** und L***** im Bereich des Zollamts Wien

a) Dragisa R***** am 16. September 2012 um 392,15 Euro,

b) Razi T***** am 19. September 2012 um 8.813 Euro,

c) Badri Ta***** am 11. Oktober 2012 um 5.989,61 Euro,

d) Christian Th***** am 20. Oktober 2012 um 74.438,84 Euro,

e) Mirjana Ab***** am 21. November 2012 um 1.295 Euro,

f) Akhyad S***** am 8. Februar 2013 um 402.745 Euro sowie

g) Igali D***** am 7. März 2013 um 698.989,20 Euro

(strafbestimmender Wertbetrag 1.840.384,15 Euro) und

II) zu ihres oder eines anderen Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen zu verletzen versuchten, indem sie die unter A/I angeführten Zigaretten zum unmittelbaren Verkauf im Monopolgebiet bereithielten und mit diesen Handel treiben wollten (strafbestimmender Wertbetrag 3.127.929 Euro), weiters

B) im Bereich des Zollamts St. Pölten Krems Wiener Neustadt vorsätzlich

I) vom Jahr 2015 bis zum 21. September 2016 ohne die nach dem TabStG erforderliche Bewilligung gewerblich im Steuergebiet Tabakwaren hergestellt, und zwar in W***** zumindest 7.230.800 Stück Zigaretten,

II) als Mitglied einer Bande von mindestens drei Personen, die sich zur Tatbegehung verbunden haben, unter Mitwirkung (§ 11 FinStrG) eines anderen Bandenmitglieds unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Tabaksteuer um insgesamt 2.299.543 Euro bewirkt, und zwar

1) spätestens am 28. September 2016 um 1.066.543 Euro, indem er die Anmeldung der Tabakwarenmengen binnen einer Woche nach Herstellung der unter B/I angeführten Zigaretten sowie die Berechnung und Entrichtung der auf diese entfallenden Tabaksteuer bis zum Ablauf der Anmeldefrist unterließ, und

2) spätestens am 21. September 2016 um 1.233.000 Euro, indem er die unverzügliche Anzeige des Bezugs zu gewerblichen Zwecken und der Gewahrsame von Tabakwaren, und zwar 13.700 Kilogramm Rauchtabak, sowie die Abgabe einer Steueranmeldung und die Berechnung und Entrichtung der Steuer unterließ

(strafbestimmender Wertbetrag 2.299.543 Euro), sowie

III) zu seinem oder eines anderen Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen zu verletzen versucht, indem er 5.008.000 Stück Zigaretten und 13.700 Kilogramm Feinschnitt zum unmittelbaren Verkauf im Monopolgebiet bereithielt (strafbestimmender Wertbetrag 3.297.410 Euro).

Das Schöffengericht verhängte hiefür unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG nach § 38a Abs 2 lit a FinStrG eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und nach § 44 Abs 2 FinStrG eine Geldstrafe von 400.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Letzterer eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 20 FinStrG) von acht Monaten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Ausspruch über die Geldstrafe aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist im Recht.

Sie zeigt zutreffend auf, dass das Schöffengericht – wie dieses selbst einräumt (US 21) – seine Strafbefugnis überschritten hat (Z 11 erster Fall), indem es bei einer Strafdrohung von bis zu 6.425.339 Euro (§ 44 Abs 2 erster Satz FinStrG) eine Geldstrafe von nur 400.000 Euro aussprach. Damit hat es die in § 23 Abs 4 erster Satz FinStrG für gerichtlich zu ahndende Finanzvergehen normierte Untergrenze von einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe unterschritten (RIS Justiz RS0125615, jüngst 13 Os 23/18h).

Demgemäß waren in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur der Ausspruch über die Geldstrafe und – zufolge des untrennbaren Zusammenhangs (vgl RIS-Justiz RS0099856) – auch jener über die Freiheitsstrafe aufzuheben und insoweit in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

Bei der Strafneubemessung waren gemäß § 23 Abs 2 letzter Satz FinStrG die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden.

Solcherart waren das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen nach dem FinStrG mit mehreren Finanzvergehen und der lange Tatzeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), zwei verwaltungsbehördliche Vorstrafen des Angeklagten wegen Finanzvergehen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB, vgl RIS-Justiz RS0086279) sowie seine führende Beteiligung (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB) als erschwerend zu werten. Als mildernd zu berücksichtigen war, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) und dass das Verfahren – ohne einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK zu bewirken (vgl EGMR 5. 4. 2016, 33060/10, Blum/Österreich ; RIS Justiz RS0132858 und Ebner in WK 2 StGB § 34 Rz 56 ff) – auch unter Berücksichtigung der fluchtbedingten Abwesenheit des Angeklagten während des laufenden Verfahrens unverhältnismäßig lange gedauert hat (§ 34 Abs 2 StGB) sowie das umfassende und reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 23 Abs 2 erster Satz FinStrG) erweist sich auf der Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 23 Abs 1 FinStrG) unter Einbeziehung seiner persönlichen Verhältnisse und seiner wirtschaftlichen

Leistungsfähigkeit (§ 23 Abs 3

FinStrG) bei den kumulativ zu berücksichtigenden Strafdrohungen (§ 21 Abs 2 vierter Satz FinStrG) von einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren (§ 38a Abs 2 lit a FinStrG) und einer Geldstrafe bis zu 6.425.339 Euro (§ 44 Abs 2 FinStrG iVm § 21 Abs 2 erster Satz FinStrG) die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion als schuldangemessen.

Bedingte Strafnachsicht (§ 26 Abs 1 FinStrG) kam im Hinblick auf den Schuldgehalt, die gezielte Vorgangsweise und das Gewicht der Taten sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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