JudikaturJustiz12Os98/19g

12Os98/19g – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ruckendorfer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang M***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Februar 2019, GZ 170 Hv 30/18v 29, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang M***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

Danach hat er am 28. September 2018 in G***** Katharina Mo***** absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zugefügt, indem er ihr einen heftigen Messerstich in den Bereich des dritten Rippenzwischenraums des linken Brustkorbs versetzte, wodurch sie eine Schnittverletzung des linken Lungenoberlappens, eine unvollständige Durchtrennung des oberen Astes der Lungenblutader, eine massive Blutbrust, eine Luftbrust, massiven Blutverlust, eine geringe Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel und eine zumindest teilweise Durchtrennung des linken Zwerchfellnervs erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB richtet sich dessen auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit die Beschwerde (Z 11 erster Fall) ausführt, das Erstgericht hätte keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angeklagte die Tat unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades begangen habe, nimmt sie nicht Maß am angefochtenen Urteil (US 5 f). Indem die Rüge das Vorliegen einer solchen bestreitet, übergeht sie das Gesamtausmaß der konstatierten Beeinträchtigung. Solcherart legt sie nicht dar, weshalb die festgestellte kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vor allem emotional instabilen und dissozialen Anteilen (ICD 10: F61) nicht einen Zustand darstellen sollte, der eindeutig außerhalb der Variationsbreite des noch Normalen liegt und so ausgeprägt ist, dass er die Willensbildung wesentlich beeinflussen kann (vgl RIS Justiz RS0111482 [T1]; Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 21 bis 25 Rz 9).

Aus dem Hinweis der Nichtigkeitsbeschwerde auf die Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung, er verliere nur dann die Kontrolle, wenn er Alkohol getrunken habe (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall), wird nicht klar, weshalb dies der Annahme einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte.

Die weitere Rüge (neuerlich Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall) nimmt auf die Erklärung des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Bezug, wonach er für die Gutachtenserstattung vom Angeklagten „lediglich spärliche Angaben“ erhalten habe. Der Rechtsmittelwerber schließt daraus, „dass offensichtlich keine fundierte Aussage über das Vorliegen einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad möglich“ wäre. Damit wird jedoch in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts kritisiert (RIS Justiz RS0097433), welches sich auf die für schlüssig und nachvollziehbar erachteten Ausführungen des Sachverständigen Dr. W***** stützte (US 5 ff). Die Tatrichter waren unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall) nicht verhalten, im Rahmen der (gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO) auf eine gedrängte Darstellung zu beschränkenden Urteilsbegründung näher auf den Inhalt des Gutachtens einzugehen. Eine solche Verpflichtung bestünde nur dann, wenn die Expertise Hinweise enthielte, die gegen die darauf gegründete Annahme sprechen (RIS Justiz RS0098716). Dies trifft auf die zitierten Ausführungen des Sachverständigen betreffend das Aussageverhalten des Angeklagten nicht zu.

Die weitere Sanktionsrüge wendet sich gegen die Gefährlichkeitsprognose (Z 11 zweiter Fall) und behauptet ein Übergehen der nach § 21 Abs 2 StGB erforderlichen Erkenntnisquellen, nimmt dabei aber nicht Maß an der angefochtenen Entscheidung. Die Tatrichter erwogen nämlich sehr wohl die im Gesetz genannten Erkenntnisquellen für die Befürchtung der sogenannten Prognosetat, nämlich die Person des Rechtsbrechers, seinen Zustand, also seine Verfassung im Urteilszeitpunkt, und die Art der Anlasstat und nahmen auch eine Gesamtwürdigung vor (US 6 f), weshalb der angesprochene Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt (vgl RIS Justiz RS0118581).

Der Nichtigkeitswerber erhebt die Kritik, die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei zu Unrecht nicht bedingt nachgesehen worden. Ein unvertretbarer Verstoß gegen Strafbemessungsvorschriften (Z 11 dritter Fall) ist vorliegend jedoch schon deshalb nicht auszumachen, weil § 45 Abs 1 zweiter Satz StGB die bedingte Nachsicht der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB nur zugleich mit einer (hier nicht gewährten) bedingten Nachsicht auch der Strafe zulässt (RIS Justiz RS0119998).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung und der Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.