JudikaturJustiz12Os82/96

12Os82/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1996 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Rzeszut, Dr.Mayrhofer und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Stitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr.Gottlieb B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 27. Februar 1996, GZ 27 Vr 3988/95-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird verworfen, ihrer Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Dr.Gottlieb B***** wurde - anklagedifform und unter hier verfehlter Bezugnahme auf die tatsächlich gar nicht angewendete fakultative Strafbemessungsvorschrift des § 313 StGB - des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt. Demnach hat er in der Zeit zwischen Anfang 1992 bis Ende 1994 als Vertragsamtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Reutte ("unter Ausnützung seiner Amtsstellung") mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung gewerbsmäßig Führerscheinwerber jugoslawischer bzw türkischer Muttersprache durch Täuschung über Tatsachen, indem er den Anschein einer (zusätzlichen) Gebührenverpflichtung von jeweils 300 S pro Untersuchung erweckte, zur Zahlung von Beträgen in dieser Höhe verleitet, wodurch sie an ihrem Vermögen in insgesamt 25.000 S nicht übersteigender Höhe geschädigt wurden.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 148 erster Strafsatz unter Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von einhundertachzig Tagessätzen zu je 200 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie eine - gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafe von vier Monaten.

Der Angeklagte meldete gegen dieses Urteil sowohl Nichtigkeitsbeschwerde als auch Berufung an, unterließ in der Folge jedoch deren Ausführung. Da die Rechtsmittelanmeldung weder hinsichtlich vermeintlicher Nichtigkeitsgründe (§ 285 a Z 2 StPO) noch in bezug auf die ausgesprochenen Strafen (§ 294 Abs 2 StPO) die gesetzlich gebotene Mindestkonkretisierung des Anfechtungswillens enthält, waren beide Rechtsmittel vorweg zurückzuweisen.

Die aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hingegen geht meritorisch fehl. Die Voraussetzungen für die damit angestrebte - anklagekonforme - Tatbeurteilung als Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB liegen im konkreten Fall nämlich nicht vor. Nach den wesentlichen tatrichterlichen Feststellungen war Dr.Gottlieb B***** seit 1986 als Vertragsbediensteter des Landes Tirol mit Sondervertrag im Gesundheitsamt der Bezirkshauptmannschaft Reutte mit der Erstellung von Gutachten über die körperliche und geistige Eignung von Führerscheinwerbern gemäß § 69 KFG, darunter auch solchen befaßt, die als Inhaber eines im Ausland ausgestellten Führerscheins die Erteilung einer inländischen Lenkerberechtigung gemäß § 64 Abs 6 KFG (im sogenannten "Führerscheinaustauschverfahren") beantragten. Dafür bezog der Angeklagte gemäß §§ 129 Abs 1 KFG, 66 Abs 1 und 2 KDV zusätzlich zum vereinbarten Bruttoverdienst eine (monatlich sukzessiv ausbezahlte) Vergütung von insgesamt 30.000 S jährlich. Die Geltendmachung sonstiger Honorare war durch die ihm als Amtsarzt übertragenen Befugnisse nicht gedeckt. Dessenungeachtet wies Dr.Gottlieb B***** ab Jahresanfang 1992 im Gesundheitsamt beschäftigte Sekretärinnen (in Kenntnis fehlender gesetzlicher Deckung) mißbräuchlich an, von Führerscheinwerbern türkischer bzw jugoslawischer Muttersprache für ihre Untersuchung im "Führerscheinaustauschverfahren" unter dem Anschein einer behördlich vorgeschriebenen Gebühr ein zusätzliches Honorar von je 300 S einzuheben, das in der Folge zwischen ihm und den kassierenden Sekretärinnen im Verhältnis neun zu eins aufgeteilt wurde (US 5).

Das Erstgericht begründete die Tatsubsumtion als (unter Ausnützung der Amtsstellung begangener) gewerbsmäßiger Betrug im Kern damit, daß die Verrechnung von Gebühren namens des Rechtsträgers für amtlich erbrachte Leistungen nicht zu den dienstlichen Obliegenheiten eines Amtsarztes zählt, und ist damit im Recht. Daß nämlich die inkriminierte Handlungskomponente wenigstens ihrer Art nach in den Umfang der (amtlichen) Täterbefugnisse, namens einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, fällt, stellt eine grundlegende Tatbestandsvoraussetzung nach § 302 Abs 1 StGB dar (ua Leukauf-Steininger StGB3 § 302 RN 6 f). Im konkreten Fall oblag dem Angeklagten als Amtsarzt nach dem Urteilssachverhalt zwar die Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Führerscheinwerbern, nicht aber die Verrechnung bzw Einforderung von (hier gesetzlich gar nicht vorgesehenen) Gebühren. Mag auch der Angeklagte dabei in dienstlicher Eigenschaft aufgetreten sein, so vermochte er im inkriminierten Zusammenhang schon deshalb keine Organhandlung im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu entfalten, weil er in diesem Punkt nicht als Träger staatlicher Gewalt tätig wurde (dazu erneut Leukauf-Steininger aaO RN 8, 13, 18; SSt 41/64 ua). Fehlt es aber - wie hier - an einem wenigstens phasenweise der funktionellen Amtskompetenz unterfallenden Tatverhalten, scheidet ein Mißbrauch der dem Täter anvertrauten Amtsgewalt schon begrifflich aus, weshalb insoweit eine (durch die Verwirklichung eines allgemein strafbaren Tatbestandes allein grundsätzlich nicht verwehrte) Annahme strafbaren Mißbrauchs der Amtsgewalt nicht in Betracht kommt.

Daß der Angeklagte im konkreten Fall - anders als in der EvBl 1982/121 zugrundegelegenen Fallkonstellation - die inkriminierten Inkassotätigkeiten nicht persönlich setzte, sondern ihm (nicht zu diesem Zweck) unterstelltes Personal entsprechend beauftragte, bleibt - der Beschwerdeauffassung zuwider - für die rechtliche Beurteilung der (in der gesetzlich nicht gedeckten Honorarverrechnung, nicht aber spezifisch in der darauf ausgerichteten Personalanweisung gelegenen) Tathandlung hier ohne entscheidendes Gewicht.

Vollständigkeitshalber hinzuzufügen ist, daß jene Tatkomponenten, die vorliegend Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB statt - so das angefochtene Urteil - unmittelbarer Täterschaft nahelegen, infolge rechtlicher Gleichwertigkeit sämtlicher in § 12 StGB normierten Täterschaftsformen auf sich beruhen können.

Da der bekämpfte Schuldspruch demnach mit dem geltend gemachten Subsumtionsirrtum nicht behaftet ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.

Auch der Berufung der Anklagebehörde kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung die Ausnützung der auf Sprachschwierigkeiten beruhenden Zwangslage von Ausländern als erschwerend, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit und das Tatsachengeständnis des Angeklagten. Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und davon ausgehend, daß generalpräventive Aspekte einer umfassenden bedingten Strafnachsicht entgegenstünden, sprach das Erstgericht nach § 43 a Abs 2 StGB die oben wiedergegebenen Sanktionen aus, ohne dabei im Ergebnis - entgegen dem Berufungsstandpunkt - wesentliche weitere Zumessungsfaktoren zu vernachlässigen. Mit dem verhältnismäßig langen Tatzeitraum von rund drei Jahren sind die tatrichterlichen Strafzumessungserwägungen zwar nominell zum Nachteil des Angeklagten zu ergänzen, die Anzahl der ausgesprochenen Tagessätze, deren tat- und tätergerechte Angemessenheit im Sinn des § 43 a Abs 2 StGB nur in umfassendem Zusammenhang mit der gleichzeitig ausgesprochenen Freiheitsstrafe zu beurteilen ist, erweist sich jedoch im gesamten Sanktionskontext als ebensowenig zum Nachteil des Angeklagten korrekturbedürftig wie die (insbesondere am Umfang der - nach Scheidung der ersten Ehe - beträchtlichen Sorgepflichten für zwei Frauen und zwei Kinder orientierte) Dimensionierung der einzelnen Tagessätze.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.